Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Hetruriern. maße: denn da diese Statue, wie man sieht, nach dem Leben gebildet ist,und eine bestimmte Person vorstellet, würde dieselbe in ältern Zeiten einen Bart haben, da die Bärte damals unter den Hetruriern, so wie unter den ersten Römern 1), eine allgemeine Tracht gewesen. Die andern zwo Statuen in Erzt, über welche das Urtheil zwischen der Griechischen und Hetrurischen Kunst zweifelhaft seyn könnte, sind eine Minerva, und ein ver- meynter Genius, beyde in Lebensgröße. Die Minerva 2) ist an der untern Hälfte sehr beschädiget, der Kopf aber hat sich nebst der Brust voll- kommen erhalten, und die Gestalt desselben ist der Griechischen völlig ähn- lich. Der Ort, wo diese Statue gefunden ist, nemlich Arezzo in Toscana, ist der einzige Grund zur Muthmaßung, daß dieselbe von einem Hetruri- schen Künstler sey. Der Genius 3) stellet einen jungen Menschen in Le- bensgröße vor, und wurde im Jahre 1530. zu Pesaro am Hadriatischen Meere gefunden. Man vermuthet aber daselbst eher Hetrurische, als Grie- chische Statuen, ohngeachtet diese Stadt eine Colonie der Griechen war. Gori vermeynet, in der Arbeit der Haare einen Hetrurischen Künstler zu er- kennen, und er vergleichet die Lage derselben etwas unbequem mit Fisch- schuppen; es sind aber auf eben die Art die Haare an einigen Köpfen in hartem Steine und in Erzt zu Rom, und an einigen Herculanischen Brust- bildern, gearbeitet. Diese Statue ist unterdessen eine der schönsten in Erzt, welche sich aus dem Alterthume erhalten haben. Die vornehmsten Hetrurischen Statuen in Marmor sind, meines Er- im 1) Liv. L. 5. c. 41. 2) Gori l. c. tab. 28. 3) Olivieri Marm. Pisaur. p. 4. Gori Mus. Etr. tab. 87. 4) Gall. Giustin. T. 1. tav. 17. M 3
Von der Kunſt unter den Hetruriern. maße: denn da dieſe Statue, wie man ſieht, nach dem Leben gebildet iſt,und eine beſtimmte Perſon vorſtellet, wuͤrde dieſelbe in aͤltern Zeiten einen Bart haben, da die Baͤrte damals unter den Hetruriern, ſo wie unter den erſten Roͤmern 1), eine allgemeine Tracht geweſen. Die andern zwo Statuen in Erzt, uͤber welche das Urtheil zwiſchen der Griechiſchen und Hetruriſchen Kunſt zweifelhaft ſeyn koͤnnte, ſind eine Minerva, und ein ver- meynter Genius, beyde in Lebensgroͤße. Die Minerva 2) iſt an der untern Haͤlfte ſehr beſchaͤdiget, der Kopf aber hat ſich nebſt der Bruſt voll- kommen erhalten, und die Geſtalt deſſelben iſt der Griechiſchen voͤllig aͤhn- lich. Der Ort, wo dieſe Statue gefunden iſt, nemlich Arezzo in Toſcana, iſt der einzige Grund zur Muthmaßung, daß dieſelbe von einem Hetruri- ſchen Kuͤnſtler ſey. Der Genius 3) ſtellet einen jungen Menſchen in Le- bensgroͤße vor, und wurde im Jahre 1530. zu Peſaro am Hadriatiſchen Meere gefunden. Man vermuthet aber daſelbſt eher Hetruriſche, als Grie- chiſche Statuen, ohngeachtet dieſe Stadt eine Colonie der Griechen war. Gori vermeynet, in der Arbeit der Haare einen Hetruriſchen Kuͤnſtler zu er- kennen, und er vergleichet die Lage derſelben etwas unbequem mit Fiſch- ſchuppen; es ſind aber auf eben die Art die Haare an einigen Koͤpfen in hartem Steine und in Erzt zu Rom, und an einigen Herculaniſchen Bruſt- bildern, gearbeitet. Dieſe Statue iſt unterdeſſen eine der ſchoͤnſten in Erzt, welche ſich aus dem Alterthume erhalten haben. Die vornehmſten Hetruriſchen Statuen in Marmor ſind, meines Er- im 1) Liv. L. 5. c. 41. 2) Gori l. c. tab. 28. 3) Olivieri Marm. Piſaur. p. 4. Gori Muſ. Etr. tab. 87. 4) Gall. Giuſtin. T. 1. tav. 17. M 3
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Von der Kunſt unter den Hetruriern.
maße: denn da dieſe Statue, wie man ſieht, nach dem Leben gebildet iſt,
und eine beſtimmte Perſon vorſtellet, wuͤrde dieſelbe in aͤltern Zeiten einen
Bart haben, da die Baͤrte damals unter den Hetruriern, ſo wie unter
den erſten Roͤmern 1), eine allgemeine Tracht geweſen. Die andern zwo
Statuen in Erzt, uͤber welche das Urtheil zwiſchen der Griechiſchen und
Hetruriſchen Kunſt zweifelhaft ſeyn koͤnnte, ſind eine Minerva, und ein ver-
meynter Genius, beyde in Lebensgroͤße. Die Minerva 2) iſt an der
untern Haͤlfte ſehr beſchaͤdiget, der Kopf aber hat ſich nebſt der Bruſt voll-
kommen erhalten, und die Geſtalt deſſelben iſt der Griechiſchen voͤllig aͤhn-
lich. Der Ort, wo dieſe Statue gefunden iſt, nemlich Arezzo in Toſcana,
iſt der einzige Grund zur Muthmaßung, daß dieſelbe von einem Hetruri-
ſchen Kuͤnſtler ſey. Der Genius 3) ſtellet einen jungen Menſchen in Le-
bensgroͤße vor, und wurde im Jahre 1530. zu Peſaro am Hadriatiſchen
Meere gefunden. Man vermuthet aber daſelbſt eher Hetruriſche, als Grie-
chiſche Statuen, ohngeachtet dieſe Stadt eine Colonie der Griechen war.
Gori vermeynet, in der Arbeit der Haare einen Hetruriſchen Kuͤnſtler zu er-
kennen, und er vergleichet die Lage derſelben etwas unbequem mit Fiſch-
ſchuppen; es ſind aber auf eben die Art die Haare an einigen Koͤpfen in
hartem Steine und in Erzt zu Rom, und an einigen Herculaniſchen Bruſt-
bildern, gearbeitet. Dieſe Statue iſt unterdeſſen eine der ſchoͤnſten in Erzt,
welche ſich aus dem Alterthume erhalten haben.
Die vornehmſten Hetruriſchen Statuen in Marmor ſind, meines Er-
achtens, die ſogenannte Veſtale 4), im Pallaſte Giuſtiniani, ein vermeynter
Prieſter, in der Villa Albani, eine Statue, welche eine hoch ſchwangere
Frau vorſtellet, in der Villa Mattei, zwo Statuen des Apollo, die eine
im
1) Liv. L. 5. c. 41.
2) Gori l. c. tab. 28.
3) Olivieri Marm. Piſaur. p. 4. Gori Muſ. Etr. tab. 87.
4) Gall. Giuſtin. T. 1. tav. 17.
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