Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.I Theil. Drittes Capitel. schließen aus den blutigen Gefechten bey Begräbnissen und auf Schauplä-tzen, welche bey ihnen 1) zuerst üblich waren, und nachher auch von den Römern eingeführet wurden; diese waren den gesitteten Griechen 2) ein Abscheu. Auch in neuern Zeiten wurden die eigenen Geißelungen 3) in Toscana zuerst erdacht. Man sieht daher auf Hetrurischen Begräbniß- Urnen insgemein blutige Gefechte über ihre Todten vorgestellet, die unter den Griechen niemals geschehen sind. Die Römischen Begräbniß-Urnen, weil sie mehrentheils von Griechen werden gearbeitet seyn, haben vielmehr angenehme Bilder: die mehresten sind Fabeln, welche auf das menschliche Leben deuten; liebliche Vorstellungen des Todes, wie der schlafende En- dymion auf sehr vielen Urnen ist; Najaden 4), die den Hyllus entführen; Tänze der Bacchanten, und Hochzeiten, wie die schöne Vermählung 5) des Peleus und der Thetis in der Villa Albani ist. Scipio Africanus verlangete 6), daß man bey seinem Grabe trinken sollte; und man tanzete 7) bey den Römern vor der Leiche her 8). Die 1) Dempst. Etrur. T. 1. L. 3. c. 42. p. 340. 2) Plato Politico, p. 315. B. 3) Minuc. Not. al Malmant. riacquist. (ex Sigonio) p. 497. 4) Fabret. Inscript. c. 6. p. 432. Eben dieses Bild befindet sich aus vielfarbigen Steinen zusam- mengesetzet (Commesso genannt in dem Pallaste Albani. Hierauf deutet auch eine noch nicht bekannt gemachte Inschrift, welche auf der Fläche der einen Hälfte einer von einander gesägten Säule, im Hause Capponi zu Rom, stehet, aus welcher ich nur den Vers, der diese Vorstellung betrift, anführen will: ERPAAN o TRPNEN NAIAD OU ThANATO *) Ciampini vet. Monum. T. 1. tab. 24. 5) Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 51. p. 123. welcher, wie andere, die wahre Vorstellung dieser Urne nicht gefunden hat. 6) Plutarch. Apophth. p. 346. 7) Dionys. Halic. Ant. Rom. L. 7. p. 460. l. 14. 8) Auf einem großen erhobenen Werke, von einer Begräbniß-Urne abgesäget, in der Villa
Albani, ist eine sitzende Frau und ein stehendes Mädgen in einer Speise-Kammer, neben aufgehängten ausgeweideten Thieren und Eßwaaren, vorgestellet, demjenigen ähnlich, welches in der Gallerie Giustiniani gestochen ist, und oben darüber liest man aus dem Virgilius: In I Theil. Drittes Capitel. ſchließen aus den blutigen Gefechten bey Begraͤbniſſen und auf Schauplaͤ-tzen, welche bey ihnen 1) zuerſt uͤblich waren, und nachher auch von den Roͤmern eingefuͤhret wurden; dieſe waren den geſitteten Griechen 2) ein Abſcheu. Auch in neuern Zeiten wurden die eigenen Geißelungen 3) in Toſcana zuerſt erdacht. Man ſieht daher auf Hetruriſchen Begraͤbniß- Urnen insgemein blutige Gefechte uͤber ihre Todten vorgeſtellet, die unter den Griechen niemals geſchehen ſind. Die Roͤmiſchen Begraͤbniß-Urnen, weil ſie mehrentheils von Griechen werden gearbeitet ſeyn, haben vielmehr angenehme Bilder: die mehreſten ſind Fabeln, welche auf das menſchliche Leben deuten; liebliche Vorſtellungen des Todes, wie der ſchlafende En- dymion auf ſehr vielen Urnen iſt; Najaden 4), die den Hyllus entfuͤhren; Taͤnze der Bacchanten, und Hochzeiten, wie die ſchoͤne Vermaͤhlung 5) des Peleus und der Thetis in der Villa Albani iſt. Scipio Africanus verlangete 6), daß man bey ſeinem Grabe trinken ſollte; und man tanzete 7) bey den Roͤmern vor der Leiche her 8). Die 1) Dempſt. Etrur. T. 1. L. 3. c. 42. p. 340. 2) Plato Politico, p. 315. B. 3) Minuc. Not. al Malmant. riacquiſt. (ex Sigonio) p. 497. 4) Fabret. Inſcript. c. 6. p. 432. Eben dieſes Bild befindet ſich aus vielfarbigen Steinen zuſam- mengeſetzet (Commeſſo genannt in dem Pallaſte Albani. Hierauf deutet auch eine noch nicht bekannt gemachte Inſchrift, welche auf der Flaͤche der einen Haͤlfte einer von einander geſaͤgten Saͤule, im Hauſe Capponi zu Rom, ſtehet, aus welcher ich nur den Vers, der dieſe Vorſtellung betrift, anfuͤhren will: ΗΡΠΑϹΑΝ ωϹ ΤϵΡΠΝΗΝ ΝΑΙΑΔϵϹ ΟΥ ΘΑΝΑΤΟϹ *) Ciampini vet. Monum. T. 1. tab. 24. 5) Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 51. p. 123. welcher, wie andere, die wahre Vorſtellung dieſer Urne nicht gefunden hat. 6) Plutarch. Apophth. p. 346. 7) Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. 7. p. 460. l. 14. 8) Auf einem großen erhobenen Werke, von einer Begraͤbniß-Urne abgeſaͤget, in der Villa
Albani, iſt eine ſitzende Frau und ein ſtehendes Maͤdgen in einer Speiſe-Kammer, neben aufgehaͤngten ausgeweideten Thieren und Eßwaaren, vorgeſtellet, demjenigen aͤhnlich, welches in der Gallerie Giuſtiniani geſtochen iſt, und oben daruͤber lieſt man aus dem Virgilius: In <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0134" n="84"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Theil. Drittes Capitel.</hi></fw><lb/> ſchließen aus den blutigen Gefechten bey Begraͤbniſſen und auf Schauplaͤ-<lb/> tzen, welche bey ihnen <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Dempſt. Etrur. T. 1. L. 3. c. 42. p.</hi> 340.</note> zuerſt uͤblich waren, und nachher auch von den<lb/> Roͤmern eingefuͤhret wurden; dieſe waren den geſitteten Griechen <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">Plato Politico, p. 315. B.</hi></note> ein<lb/> Abſcheu. Auch in neuern Zeiten wurden die eigenen Geißelungen <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Minuc. Not. al Malmant. riacquiſt. (ex Sigonio) p.</hi> 497.</note> in<lb/> Toſcana zuerſt erdacht. Man ſieht daher auf Hetruriſchen Begraͤbniß-<lb/> Urnen insgemein blutige Gefechte uͤber ihre Todten vorgeſtellet, die unter<lb/> den Griechen niemals geſchehen ſind. Die Roͤmiſchen Begraͤbniß-Urnen,<lb/> weil ſie mehrentheils von Griechen werden gearbeitet ſeyn, haben vielmehr<lb/> angenehme Bilder: die mehreſten ſind Fabeln, welche auf das menſchliche<lb/> Leben deuten; liebliche Vorſtellungen des Todes, wie der ſchlafende En-<lb/> dymion auf ſehr vielen Urnen iſt; Najaden <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Fabret. Inſcript. c. 6. p.</hi> 432. Eben dieſes Bild befindet ſich aus vielfarbigen Steinen zuſam-<lb/> mengeſetzet (<hi rendition="#aq">Commeſſo</hi> genannt <ref target="#*)"/> in dem Pallaſte Albani. Hierauf deutet auch eine<lb/> noch nicht bekannt gemachte Inſchrift, welche auf der Flaͤche der einen Haͤlfte einer von<lb/> einander geſaͤgten Saͤule, im Hauſe Capponi zu Rom, ſtehet, aus welcher ich nur den<lb/> Vers, der dieſe Vorſtellung betrift, anfuͤhren will:<lb/><cit><quote>ΗΡΠΑϹΑΝ ωϹ ΤϵΡΠΝΗΝ ΝΑΙΑΔϵϹ ΟΥ ΘΑΝΑΤΟϹ<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Dulcem hanc rapuerunt Nymphae, non mors.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><note place="end" n="*)"><hi rendition="#aq">Ciampini vet. Monum. T. 1. tab.</hi> 24.</note></note>, die den Hyllus entfuͤhren;<lb/> Taͤnze der Bacchanten, und Hochzeiten, wie die ſchoͤne Vermaͤhlung <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 51. p.</hi> 123. welcher, wie andere, die wahre Vorſtellung<lb/> dieſer Urne nicht gefunden hat.</note><lb/> des Peleus und der Thetis in der Villa Albani iſt. Scipio Africanus<lb/> verlangete <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Plutarch. Apophth. p.</hi> 346.</note>, daß man bey ſeinem Grabe trinken ſollte; und man tanzete <note place="foot" n="7)"><hi rendition="#aq">Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. 7. p. 460. l.</hi> 14.</note><lb/> bey den Roͤmern vor der Leiche her <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="8)">Auf einem großen erhobenen Werke, von einer Begraͤbniß-Urne abgeſaͤget, in der Villa<lb/> Albani, iſt eine ſitzende Frau und ein ſtehendes Maͤdgen in einer Speiſe-Kammer, neben<lb/> aufgehaͤngten ausgeweideten Thieren und Eßwaaren, vorgeſtellet, demjenigen aͤhnlich, welches<lb/> in der Gallerie Giuſtiniani geſtochen iſt, und oben daruͤber lieſt man aus dem Virgilius:<lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">In</hi></fw></note>.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [84/0134]
I Theil. Drittes Capitel.
ſchließen aus den blutigen Gefechten bey Begraͤbniſſen und auf Schauplaͤ-
tzen, welche bey ihnen 1) zuerſt uͤblich waren, und nachher auch von den
Roͤmern eingefuͤhret wurden; dieſe waren den geſitteten Griechen 2) ein
Abſcheu. Auch in neuern Zeiten wurden die eigenen Geißelungen 3) in
Toſcana zuerſt erdacht. Man ſieht daher auf Hetruriſchen Begraͤbniß-
Urnen insgemein blutige Gefechte uͤber ihre Todten vorgeſtellet, die unter
den Griechen niemals geſchehen ſind. Die Roͤmiſchen Begraͤbniß-Urnen,
weil ſie mehrentheils von Griechen werden gearbeitet ſeyn, haben vielmehr
angenehme Bilder: die mehreſten ſind Fabeln, welche auf das menſchliche
Leben deuten; liebliche Vorſtellungen des Todes, wie der ſchlafende En-
dymion auf ſehr vielen Urnen iſt; Najaden 4), die den Hyllus entfuͤhren;
Taͤnze der Bacchanten, und Hochzeiten, wie die ſchoͤne Vermaͤhlung 5)
des Peleus und der Thetis in der Villa Albani iſt. Scipio Africanus
verlangete 6), daß man bey ſeinem Grabe trinken ſollte; und man tanzete 7)
bey den Roͤmern vor der Leiche her 8).
Die
1) Dempſt. Etrur. T. 1. L. 3. c. 42. p. 340.
2) Plato Politico, p. 315. B.
3) Minuc. Not. al Malmant. riacquiſt. (ex Sigonio) p. 497.
4) Fabret. Inſcript. c. 6. p. 432. Eben dieſes Bild befindet ſich aus vielfarbigen Steinen zuſam-
mengeſetzet (Commeſſo genannt in dem Pallaſte Albani. Hierauf deutet auch eine
noch nicht bekannt gemachte Inſchrift, welche auf der Flaͤche der einen Haͤlfte einer von
einander geſaͤgten Saͤule, im Hauſe Capponi zu Rom, ſtehet, aus welcher ich nur den
Vers, der dieſe Vorſtellung betrift, anfuͤhren will:
ΗΡΠΑϹΑΝ ωϹ ΤϵΡΠΝΗΝ ΝΑΙΑΔϵϹ ΟΥ ΘΑΝΑΤΟϹ
Dulcem hanc rapuerunt Nymphae, non mors.
*⁾ Ciampini vet. Monum. T. 1. tab. 24.
5) Montfauc. Ant. expl. T. 5. pl. 51. p. 123. welcher, wie andere, die wahre Vorſtellung
dieſer Urne nicht gefunden hat.
6) Plutarch. Apophth. p. 346.
7) Dionyſ. Halic. Ant. Rom. L. 7. p. 460. l. 14.
8) Auf einem großen erhobenen Werke, von einer Begraͤbniß-Urne abgeſaͤget, in der Villa
Albani, iſt eine ſitzende Frau und ein ſtehendes Maͤdgen in einer Speiſe-Kammer, neben
aufgehaͤngten ausgeweideten Thieren und Eßwaaren, vorgeſtellet, demjenigen aͤhnlich, welches
in der Gallerie Giuſtiniani geſtochen iſt, und oben daruͤber lieſt man aus dem Virgilius:
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