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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Zweytes Capitel.
und mit alter Persischer Schrift, Säulenweis untereinander gesetzet. Drey
dergleichen Steine besitzet der Herr Duca Caraffa Noya zu Neapel, welche
ehemahls in dem Stoßischen Museo waren, und auf dem einem ist eben-
falls Säulenweis gesetzte alte Schrift. Diese Buchstaben sind denen, wel-
che an den Trümmern von Persepolis stehen, völlig ähnlich. Von andern
Persischen Steinen habe ich in der Beschreibung des Stoßischen Musei ge-
redet, und denjenigen angeführet, welchen Bianchini 1) bekannt gemacht
hat. Aus Unwissenheit des Stils der Persischen Kunst, sind einige Steine
ohne Schrift für alte Griechische Steine angesehen worden; und Wilde 2)
hat auf einem die Fabel des Aristeas, und auf einem andern einen Thraci-
schen König zu sehen vermeynet.

B.
Von der
Bildung der
Perser.

Daß die Perser, wie die ältesten Griechischen Scribenten bezeugen,
wohlgebildete Menschen gewesen, beweiset auch ein Kopf mit einem Helme,
erhaben geschnitten, und von ziemlicher Größe, mit alter Persischer Schrift
umher, auf einer Paste im Stoßischen Muso 3). Dieser Kopf hat eine
regelmäßige und den Abendländern ähnliche Bildung, so wie die vom
Bruyn 4) gezeichneten Köpfe der erhoben gearbeiteten Figuren zu Perse-
polis 5), welche über Lebensgröße sind; folglich hatte die Kunst von Sei-
ten der Natur alle Vortheile. Die Parther, welche ein großes Land des
ehemaligen Persischen Reichs bewohneten, sahen besonders auf die Schön-
heit in Personen, welche über andere gesetzet waren, und Surenas 6), der
Feldherr des Königs Orodes, wird, außer andern Vorzügen, wegen seiner
schönen Gestalt gerühmet, und dem ohngeachtet 7) schminkte er sich.

C.
Ursachen
des geringen
Wachsthums
der Kunst
unter ihnen.

Da aber unbekleidete Figuren zu bilden, wie es scheinet, wider die
Begriffe des Wohlstandes der Perser war, und die Entblößung bey ihnen
eine 8) üble Bedeutung hatte, wie denn überhaupt kein Perser 9) ohne

Klei-
1) Ist. Vniv. p. 537.
2) Gem. ant. n. 66. 67.
3) p 28.
4) Voyag.
5) Greave Deser. des ant. de Persep.
6) Appian. Parth. p. 96. l. 9.
7) Appian. Parth. p. 97. l. 39.
8) Achmet Oneirocr. L. 1. c. 117.
9) Herodot. L. 1. p. 3. l. 33. L. 9. p. 329. l. 30. Xenoph. Agesil. p. 655. D.

I Theil. Zweytes Capitel.
und mit alter Perſiſcher Schrift, Saͤulenweis untereinander geſetzet. Drey
dergleichen Steine beſitzet der Herr Duca Caraffa Noya zu Neapel, welche
ehemahls in dem Stoßiſchen Muſeo waren, und auf dem einem iſt eben-
falls Saͤulenweis geſetzte alte Schrift. Dieſe Buchſtaben ſind denen, wel-
che an den Truͤmmern von Perſepolis ſtehen, voͤllig aͤhnlich. Von andern
Perſiſchen Steinen habe ich in der Beſchreibung des Stoßiſchen Muſei ge-
redet, und denjenigen angefuͤhret, welchen Bianchini 1) bekannt gemacht
hat. Aus Unwiſſenheit des Stils der Perſiſchen Kunſt, ſind einige Steine
ohne Schrift fuͤr alte Griechiſche Steine angeſehen worden; und Wilde 2)
hat auf einem die Fabel des Ariſteas, und auf einem andern einen Thraci-
ſchen Koͤnig zu ſehen vermeynet.

B.
Von der
Bildung der
Perſer.

Daß die Perſer, wie die aͤlteſten Griechiſchen Scribenten bezeugen,
wohlgebildete Menſchen geweſen, beweiſet auch ein Kopf mit einem Helme,
erhaben geſchnitten, und von ziemlicher Groͤße, mit alter Perſiſcher Schrift
umher, auf einer Paſte im Stoßiſchen Muſo 3). Dieſer Kopf hat eine
regelmaͤßige und den Abendlaͤndern aͤhnliche Bildung, ſo wie die vom
Bruyn 4) gezeichneten Koͤpfe der erhoben gearbeiteten Figuren zu Perſe-
polis 5), welche uͤber Lebensgroͤße ſind; folglich hatte die Kunſt von Sei-
ten der Natur alle Vortheile. Die Parther, welche ein großes Land des
ehemaligen Perſiſchen Reichs bewohneten, ſahen beſonders auf die Schoͤn-
heit in Perſonen, welche uͤber andere geſetzet waren, und Surenas 6), der
Feldherr des Koͤnigs Orodes, wird, außer andern Vorzuͤgen, wegen ſeiner
ſchoͤnen Geſtalt geruͤhmet, und dem ohngeachtet 7) ſchminkte er ſich.

C.
Urſachen
des geringen
Wachsthums
der Kunſt
unter ihnen.

Da aber unbekleidete Figuren zu bilden, wie es ſcheinet, wider die
Begriffe des Wohlſtandes der Perſer war, und die Entbloͤßung bey ihnen
eine 8) uͤble Bedeutung hatte, wie denn uͤberhaupt kein Perſer 9) ohne

Klei-
1) Iſt. Vniv. p. 537.
2) Gem. ant. n. 66. 67.
3) p 28.
4) Voyag.
5) Greave Deſer. des ant. de Perſep.
6) Appian. Parth. p. 96. l. 9.
7) Appian. Parth. p. 97. l. 39.
8) Achmet Oneirocr. L. 1. c. 117.
9) Herodot. L. 1. p. 3. l. 33. L. 9. p. 329. l. 30. Xenoph. Ageſil. p. 655. D.
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[74/0124] I Theil. Zweytes Capitel. und mit alter Perſiſcher Schrift, Saͤulenweis untereinander geſetzet. Drey dergleichen Steine beſitzet der Herr Duca Caraffa Noya zu Neapel, welche ehemahls in dem Stoßiſchen Muſeo waren, und auf dem einem iſt eben- falls Saͤulenweis geſetzte alte Schrift. Dieſe Buchſtaben ſind denen, wel- che an den Truͤmmern von Perſepolis ſtehen, voͤllig aͤhnlich. Von andern Perſiſchen Steinen habe ich in der Beſchreibung des Stoßiſchen Muſei ge- redet, und denjenigen angefuͤhret, welchen Bianchini 1) bekannt gemacht hat. Aus Unwiſſenheit des Stils der Perſiſchen Kunſt, ſind einige Steine ohne Schrift fuͤr alte Griechiſche Steine angeſehen worden; und Wilde 2) hat auf einem die Fabel des Ariſteas, und auf einem andern einen Thraci- ſchen Koͤnig zu ſehen vermeynet. Daß die Perſer, wie die aͤlteſten Griechiſchen Scribenten bezeugen, wohlgebildete Menſchen geweſen, beweiſet auch ein Kopf mit einem Helme, erhaben geſchnitten, und von ziemlicher Groͤße, mit alter Perſiſcher Schrift umher, auf einer Paſte im Stoßiſchen Muſo 3). Dieſer Kopf hat eine regelmaͤßige und den Abendlaͤndern aͤhnliche Bildung, ſo wie die vom Bruyn 4) gezeichneten Koͤpfe der erhoben gearbeiteten Figuren zu Perſe- polis 5), welche uͤber Lebensgroͤße ſind; folglich hatte die Kunſt von Sei- ten der Natur alle Vortheile. Die Parther, welche ein großes Land des ehemaligen Perſiſchen Reichs bewohneten, ſahen beſonders auf die Schoͤn- heit in Perſonen, welche uͤber andere geſetzet waren, und Surenas 6), der Feldherr des Koͤnigs Orodes, wird, außer andern Vorzuͤgen, wegen ſeiner ſchoͤnen Geſtalt geruͤhmet, und dem ohngeachtet 7) ſchminkte er ſich. Da aber unbekleidete Figuren zu bilden, wie es ſcheinet, wider die Begriffe des Wohlſtandes der Perſer war, und die Entbloͤßung bey ihnen eine 8) uͤble Bedeutung hatte, wie denn uͤberhaupt kein Perſer 9) ohne Klei- 1) Iſt. Vniv. p. 537. 2) Gem. ant. n. 66. 67. 3) p 28. 4) Voyag. 5) Greave Deſer. des ant. de Perſep. 6) Appian. Parth. p. 96. l. 9. 7) Appian. Parth. p. 97. l. 39. 8) Achmet Oneirocr. L. 1. c. 117. 9) Herodot. L. 1. p. 3. l. 33. L. 9. p. 329. l. 30. Xenoph. Ageſil. p. 655. D.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/124>, abgerufen am 24.11.2024.