Der Zweyte Abschnitt. Von der Kunst unter den Phöniciern und Persern.
Von der Kunst dieser beyden Völker ist, außer historischen Nachrichten, und einigen allgemeinen Anzeigen, nichts bestimmtes nach allen ein- zelnen Theilen ihrer Zeichnung und Figuren zu sagen; es ist auch wenig Hoffnung zu Entdeckungen großer und beträchtlicher Werke der Bildhaue- rey, aus welchen mehr Licht und Kenntniß zu schöpfen wäre. Da sich aber von den Phöniciern Münzen, und von den Persischen Künstlern er- hobene Arbeiten erhalten haben, so konnten diese Völker in dieser Geschich- te nicht gänzlich mit Stillschweigen übergangen werden.
Die Phönicier bewohneten die schönsten Küsten von Asien und AfricaI. Von der Kunst der Phönieier. am Mittelländischen Meere, außer andern eroberten Ländern, und Carthago, ihre Pflanzstadt, welche, wie 1) einige wollen, schon funfzig Jahre vor der Eroberung von Troja gebauet gewesen, lag unter einem so immer gleichenA. Von der Na- tur des Lan- des, Bildung der Einwoh- ner, von ihren Wissenschaf- ten, Pracht und Handel. Himmel, daß, nach dem Berichte 2) der neuern Reisenden, zu Tunis, wo ehemals jene berühmte Stadt lag, der Thermometer allezeit auf den neun und zwanzigsten oder dreyßigsten Grad stehet. Daher muß die Bildung dieses Volks, welches, wie Herodotus 3) saget, die gesündesten unter allen Menschen waren, sehr regelmäßig, und folglich die Zeichnung ihrer Figu- ren dieser Bildung gemäß gewesen seyn. Livius 4) redet von einem aus- serordentlich schönen jungen Numidier, welchen Scipio in der Schlacht mit dem Asdrubal bey Bäcula in Spanien gefangen nahm, und die be- rühmte Punische Schönheit, Sophonisba, des Asdrubals Tochter, welche zu erst mit dem Syphax, und nachher mit dem Masinissa vermählet war, ist in allen Geschichten bekannt.
Dieses
1)Appian. Libye. p. 13. l. 3.
2)Shaw. Voy. T. I.
3)L. 4. p. 178. l. 30.
4)L. 27. c. 19.
J 3
Von der Kunſt unter den Phoͤniciern ꝛc.
Der Zweyte Abſchnitt. Von der Kunſt unter den Phoͤniciern und Perſern.
Von der Kunſt dieſer beyden Voͤlker iſt, außer hiſtoriſchen Nachrichten, und einigen allgemeinen Anzeigen, nichts beſtimmtes nach allen ein- zelnen Theilen ihrer Zeichnung und Figuren zu ſagen; es iſt auch wenig Hoffnung zu Entdeckungen großer und betraͤchtlicher Werke der Bildhaue- rey, aus welchen mehr Licht und Kenntniß zu ſchoͤpfen waͤre. Da ſich aber von den Phoͤniciern Muͤnzen, und von den Perſiſchen Kuͤnſtlern er- hobene Arbeiten erhalten haben, ſo konnten dieſe Voͤlker in dieſer Geſchich- te nicht gaͤnzlich mit Stillſchweigen uͤbergangen werden.
Die Phoͤnicier bewohneten die ſchoͤnſten Kuͤſten von Aſien und AfricaI. Von der Kunſt der Phoͤnieier. am Mittellaͤndiſchen Meere, außer andern eroberten Laͤndern, und Carthago, ihre Pflanzſtadt, welche, wie 1) einige wollen, ſchon funfzig Jahre vor der Eroberung von Troja gebauet geweſen, lag unter einem ſo immer gleichenA. Von der Na- tur des Lan- des, Bildung der Einwoh- ner, von ihren Wiſſenſchaf- ten, Pracht und Handel. Himmel, daß, nach dem Berichte 2) der neuern Reiſenden, zu Tunis, wo ehemals jene beruͤhmte Stadt lag, der Thermometer allezeit auf den neun und zwanzigſten oder dreyßigſten Grad ſtehet. Daher muß die Bildung dieſes Volks, welches, wie Herodotus 3) ſaget, die geſuͤndeſten unter allen Menſchen waren, ſehr regelmaͤßig, und folglich die Zeichnung ihrer Figu- ren dieſer Bildung gemaͤß geweſen ſeyn. Livius 4) redet von einem auſ- ſerordentlich ſchoͤnen jungen Numidier, welchen Scipio in der Schlacht mit dem Asdrubal bey Baͤcula in Spanien gefangen nahm, und die be- ruͤhmte Puniſche Schoͤnheit, Sophonisba, des Asdrubals Tochter, welche zu erſt mit dem Syphax, und nachher mit dem Maſiniſſa vermaͤhlet war, iſt in allen Geſchichten bekannt.
Dieſes
1)Appian. Libye. p. 13. l. 3.
2)Shaw. Voy. T. I.
3)L. 4. p. 178. l. 30.
4)L. 27. c. 19.
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Von der Kunſt unter den Phoͤniciern ꝛc.
Der Zweyte Abſchnitt.
Von der Kunſt unter den Phoͤniciern und Perſern.
Von der Kunſt dieſer beyden Voͤlker iſt, außer hiſtoriſchen Nachrichten,
und einigen allgemeinen Anzeigen, nichts beſtimmtes nach allen ein-
zelnen Theilen ihrer Zeichnung und Figuren zu ſagen; es iſt auch wenig
Hoffnung zu Entdeckungen großer und betraͤchtlicher Werke der Bildhaue-
rey, aus welchen mehr Licht und Kenntniß zu ſchoͤpfen waͤre. Da ſich
aber von den Phoͤniciern Muͤnzen, und von den Perſiſchen Kuͤnſtlern er-
hobene Arbeiten erhalten haben, ſo konnten dieſe Voͤlker in dieſer Geſchich-
te nicht gaͤnzlich mit Stillſchweigen uͤbergangen werden.
Die Phoͤnicier bewohneten die ſchoͤnſten Kuͤſten von Aſien und Africa
am Mittellaͤndiſchen Meere, außer andern eroberten Laͤndern, und Carthago,
ihre Pflanzſtadt, welche, wie 1) einige wollen, ſchon funfzig Jahre vor der
Eroberung von Troja gebauet geweſen, lag unter einem ſo immer gleichen
Himmel, daß, nach dem Berichte 2) der neuern Reiſenden, zu Tunis, wo
ehemals jene beruͤhmte Stadt lag, der Thermometer allezeit auf den neun
und zwanzigſten oder dreyßigſten Grad ſtehet. Daher muß die Bildung
dieſes Volks, welches, wie Herodotus 3) ſaget, die geſuͤndeſten unter allen
Menſchen waren, ſehr regelmaͤßig, und folglich die Zeichnung ihrer Figu-
ren dieſer Bildung gemaͤß geweſen ſeyn. Livius 4) redet von einem auſ-
ſerordentlich ſchoͤnen jungen Numidier, welchen Scipio in der Schlacht
mit dem Asdrubal bey Baͤcula in Spanien gefangen nahm, und die be-
ruͤhmte Puniſche Schoͤnheit, Sophonisba, des Asdrubals Tochter, welche
zu erſt mit dem Syphax, und nachher mit dem Maſiniſſa vermaͤhlet war,
iſt in allen Geſchichten bekannt.
I.
Von der
Kunſt der
Phoͤnieier.
A.
Von der Na-
tur des Lan-
des, Bildung
der Einwoh-
ner, von ihren
Wiſſenſchaf-
ten, Pracht
und Handel.
Dieſes
1) Appian. Libye. p. 13. l. 3.
2) Shaw. Voy. T. I.
3) L. 4. p. 178. l. 30.
4) L. 27. c. 19.
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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/119>, abgerufen am 16.02.2025.
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