Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

I Theil. Zweytes Capitel.
logna ist, der Mund verdorben, weil man in demselben nach Münzen gesuchet.
Pococke 1) redet von drey Münzen, deren Alter er nicht anzeiget; das Ge-
präge derselben aber scheinet nicht vor der Persischen Eroberung von Aegypten
gemacht zu feyn. Vor einiger Zeit ist eine silberne Münze in Rom zum
Vorschein gekommen, welche auf der einen Seite in einem vertieften viereckig-
ten Felde einen Adler im Fluge vorstellet; auf der andern Seite ist ein Ochse,
über welchen ein gewöhnliches heiliges Zeichen der Aegypter stehet, nemlich
eine Kugel mit zween langen Flügeln, und Schlangen, die aus der Kugel her-
ausgehen. Vor den Vorderfüßen stehet das sogenannte Aegyptische Tau,
aber etwas verschieden von dem sonst bekannten [fremdsprachliches Material]. Unter dem Ochsen
ist ein Donnerkeil. Das besonderste ist ein Werk auf dem linken hinteren
Schenkel des Ochsen, und dieses ist ein Griechisches a der ältesten Form L.
Diese Münze befindet sich in dem Museo Hrn. Joh. Casanova, Sr. Königl.
Maj. in Pohlen Pensionarii in Rom, und wird hier in Kupfer bekannt gema-
chet. Ich lasse dem Leser darüber urtheilen; meine Meynung über dieselbe
werde ich an einem andern Orte geben. Diese Münze ist unterdessen nie-
manden vorher zu Gesicht bekommen.

Die Geschichte der Kunst der Aegypter ist, nach Art des Landes derselben,
wie eine große verödete Ebene, welche man aber von zween oder drey hohen
Thürmen übersehen kann. Der ganze Umfang der alten Aegyptischen Kunst
hat zween Perioden, und aus beyden sind uns schöne Stücke übrig, von wel-
chen wir mit Grunde über die Kunst ihrer Zeit urtheilen können. Mit der
Griechischen und Hetrurischen Kunst hingegen verhält es sich, wie mit ihrem
Lande, welches voller Gebürge ist, und also nicht kann übersehen werden. Und
daher glaube ich, daß in gegenwärtiger Abhandlung von der Aegyptischen
Kunst, derselben das nöthige Licht gegeben worden.

Der
1) Deser. of the East, T. 1. p. 92.

I Theil. Zweytes Capitel.
logna iſt, der Mund verdorben, weil man in demſelben nach Muͤnzen geſuchet.
Pococke 1) redet von drey Muͤnzen, deren Alter er nicht anzeiget; das Ge-
praͤge derſelben aber ſcheinet nicht vor der Perſiſchen Eroberung von Aegypten
gemacht zu feyn. Vor einiger Zeit iſt eine ſilberne Muͤnze in Rom zum
Vorſchein gekommen, welche auf der einen Seite in einem vertieften viereckig-
ten Felde einen Adler im Fluge vorſtellet; auf der andern Seite iſt ein Ochſe,
uͤber welchen ein gewoͤhnliches heiliges Zeichen der Aegypter ſtehet, nemlich
eine Kugel mit zween langen Fluͤgeln, und Schlangen, die aus der Kugel her-
ausgehen. Vor den Vorderfuͤßen ſtehet das ſogenannte Aegyptiſche Tau,
aber etwas verſchieden von dem ſonſt bekannten [fremdsprachliches Material]. Unter dem Ochſen
iſt ein Donnerkeil. Das beſonderſte iſt ein Werk auf dem linken hinteren
Schenkel des Ochſen, und dieſes iſt ein Griechiſches a der aͤlteſten Form Λ.
Dieſe Muͤnze befindet ſich in dem Muſeo Hrn. Joh. Caſanova, Sr. Koͤnigl.
Maj. in Pohlen Penſionarii in Rom, und wird hier in Kupfer bekannt gema-
chet. Ich laſſe dem Leſer daruͤber urtheilen; meine Meynung uͤber dieſelbe
werde ich an einem andern Orte geben. Dieſe Muͤnze iſt unterdeſſen nie-
manden vorher zu Geſicht bekommen.

Die Geſchichte der Kunſt der Aegypter iſt, nach Art des Landes derſelben,
wie eine große veroͤdete Ebene, welche man aber von zween oder drey hohen
Thuͤrmen uͤberſehen kann. Der ganze Umfang der alten Aegyptiſchen Kunſt
hat zween Perioden, und aus beyden ſind uns ſchoͤne Stuͤcke uͤbrig, von wel-
chen wir mit Grunde uͤber die Kunſt ihrer Zeit urtheilen koͤnnen. Mit der
Griechiſchen und Hetruriſchen Kunſt hingegen verhaͤlt es ſich, wie mit ihrem
Lande, welches voller Gebuͤrge iſt, und alſo nicht kann uͤberſehen werden. Und
daher glaube ich, daß in gegenwaͤrtiger Abhandlung von der Aegyptiſchen
Kunſt, derſelben das noͤthige Licht gegeben worden.

Der
1) Deſer. of the Eaſt, T. 1. p. 92.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0118" n="68"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I</hi> Theil. Zweytes Capitel.</hi></fw><lb/>
logna i&#x017F;t, der Mund verdorben, weil man in dem&#x017F;elben nach Mu&#x0364;nzen ge&#x017F;uchet.<lb/>
Pococke <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">De&#x017F;er. of the Ea&#x017F;t, T. 1. p. 92.</hi></note> redet von drey Mu&#x0364;nzen, deren Alter er nicht anzeiget; das Ge-<lb/>
pra&#x0364;ge der&#x017F;elben aber &#x017F;cheinet nicht vor der Per&#x017F;i&#x017F;chen Eroberung von Aegypten<lb/>
gemacht zu feyn. Vor einiger Zeit i&#x017F;t eine &#x017F;ilberne Mu&#x0364;nze in Rom zum<lb/>
Vor&#x017F;chein gekommen, welche auf der einen Seite in einem vertieften viereckig-<lb/>
ten Felde einen Adler im Fluge vor&#x017F;tellet; auf der andern Seite i&#x017F;t ein Och&#x017F;e,<lb/>
u&#x0364;ber welchen ein gewo&#x0364;hnliches heiliges Zeichen der Aegypter &#x017F;tehet, nemlich<lb/>
eine Kugel mit zween langen Flu&#x0364;geln, und Schlangen, die aus der Kugel her-<lb/>
ausgehen. Vor den Vorderfu&#x0364;ßen &#x017F;tehet das &#x017F;ogenannte Aegypti&#x017F;che Tau,<lb/>
aber etwas ver&#x017F;chieden von dem &#x017F;on&#x017F;t bekannten <gap reason="fm"/>. Unter dem Och&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t ein Donnerkeil. Das be&#x017F;onder&#x017F;te i&#x017F;t ein Werk auf dem linken hinteren<lb/>
Schenkel des Och&#x017F;en, und die&#x017F;es i&#x017F;t ein Griechi&#x017F;ches <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">a</hi></hi> der a&#x0364;lte&#x017F;ten Form &#x039B;.<lb/>
Die&#x017F;e Mu&#x0364;nze befindet &#x017F;ich in dem Mu&#x017F;eo Hrn. Joh. Ca&#x017F;anova, Sr. Ko&#x0364;nigl.<lb/>
Maj. in Pohlen Pen&#x017F;ionarii in Rom, und wird hier in Kupfer bekannt gema-<lb/>
chet. Ich la&#x017F;&#x017F;e dem Le&#x017F;er daru&#x0364;ber urtheilen; meine Meynung u&#x0364;ber die&#x017F;elbe<lb/>
werde ich an einem andern Orte geben. Die&#x017F;e Mu&#x0364;nze i&#x017F;t unterde&#x017F;&#x017F;en nie-<lb/>
manden vorher zu Ge&#x017F;icht bekommen.</p><lb/>
              <p>Die Ge&#x017F;chichte der Kun&#x017F;t der Aegypter i&#x017F;t, nach Art des Landes der&#x017F;elben,<lb/>
wie eine große vero&#x0364;dete Ebene, welche man aber von zween oder drey hohen<lb/>
Thu&#x0364;rmen u&#x0364;ber&#x017F;ehen kann. Der ganze Umfang der alten Aegypti&#x017F;chen Kun&#x017F;t<lb/>
hat zween Perioden, und aus beyden &#x017F;ind uns &#x017F;cho&#x0364;ne Stu&#x0364;cke u&#x0364;brig, von wel-<lb/>
chen wir mit Grunde u&#x0364;ber die Kun&#x017F;t ihrer Zeit urtheilen ko&#x0364;nnen. Mit der<lb/>
Griechi&#x017F;chen und Hetruri&#x017F;chen Kun&#x017F;t hingegen verha&#x0364;lt es &#x017F;ich, wie mit ihrem<lb/>
Lande, welches voller Gebu&#x0364;rge i&#x017F;t, und al&#x017F;o nicht kann u&#x0364;ber&#x017F;ehen werden. Und<lb/>
daher glaube ich, daß in gegenwa&#x0364;rtiger Abhandlung von der Aegypti&#x017F;chen<lb/>
Kun&#x017F;t, der&#x017F;elben das no&#x0364;thige Licht gegeben worden.</p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Der</hi> </fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0118] I Theil. Zweytes Capitel. logna iſt, der Mund verdorben, weil man in demſelben nach Muͤnzen geſuchet. Pococke 1) redet von drey Muͤnzen, deren Alter er nicht anzeiget; das Ge- praͤge derſelben aber ſcheinet nicht vor der Perſiſchen Eroberung von Aegypten gemacht zu feyn. Vor einiger Zeit iſt eine ſilberne Muͤnze in Rom zum Vorſchein gekommen, welche auf der einen Seite in einem vertieften viereckig- ten Felde einen Adler im Fluge vorſtellet; auf der andern Seite iſt ein Ochſe, uͤber welchen ein gewoͤhnliches heiliges Zeichen der Aegypter ſtehet, nemlich eine Kugel mit zween langen Fluͤgeln, und Schlangen, die aus der Kugel her- ausgehen. Vor den Vorderfuͤßen ſtehet das ſogenannte Aegyptiſche Tau, aber etwas verſchieden von dem ſonſt bekannten _ . Unter dem Ochſen iſt ein Donnerkeil. Das beſonderſte iſt ein Werk auf dem linken hinteren Schenkel des Ochſen, und dieſes iſt ein Griechiſches a der aͤlteſten Form Λ. Dieſe Muͤnze befindet ſich in dem Muſeo Hrn. Joh. Caſanova, Sr. Koͤnigl. Maj. in Pohlen Penſionarii in Rom, und wird hier in Kupfer bekannt gema- chet. Ich laſſe dem Leſer daruͤber urtheilen; meine Meynung uͤber dieſelbe werde ich an einem andern Orte geben. Dieſe Muͤnze iſt unterdeſſen nie- manden vorher zu Geſicht bekommen. Die Geſchichte der Kunſt der Aegypter iſt, nach Art des Landes derſelben, wie eine große veroͤdete Ebene, welche man aber von zween oder drey hohen Thuͤrmen uͤberſehen kann. Der ganze Umfang der alten Aegyptiſchen Kunſt hat zween Perioden, und aus beyden ſind uns ſchoͤne Stuͤcke uͤbrig, von wel- chen wir mit Grunde uͤber die Kunſt ihrer Zeit urtheilen koͤnnen. Mit der Griechiſchen und Hetruriſchen Kunſt hingegen verhaͤlt es ſich, wie mit ihrem Lande, welches voller Gebuͤrge iſt, und alſo nicht kann uͤberſehen werden. Und daher glaube ich, daß in gegenwaͤrtiger Abhandlung von der Aegyptiſchen Kunſt, derſelben das noͤthige Licht gegeben worden. Der 1) Deſer. of the Eaſt, T. 1. p. 92.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/118
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/118>, abgerufen am 28.11.2024.