Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.gen! schrie diese erbos't, ich werde ihm noch nachlaufen; ja wohl da! Vergebens suchte sie Georg durch Winke und Blicke zu bedeuten, daß das ja nur der Form wegen nöthig sei, sie konnte sich durchaus nicht dazu verstehen. Da nun beide Ehegatten auf der Scheidung bestanden, so konnte nach unsern Gesetzen der Scheidungsprozeß nicht voran gehen, und der Richter entließ sie mit einer nachdrücklichen Ermahnung zur Versöhnung, die ihm bei dem unverkennbaren Interesse Beider für einander nicht unmöglich schien. Da Liesbeth sich lang nicht entschließen konnte, ihrerseits auf dem Zusammenleben zu bestehen und Georg eben so wenig sie als den sogenannten schuldigen Teil ins Gefängniß gehen lassen wollte, so zog sich der Prozeß noch lange hinaus. Gar manchmal wanderten die Zwei noch zusammen vor Amt, und immer trug Georg die Liesbeth über den Bach, trug ihr den Korb, bog die Zweige auseinander, die hätten ihr Gesicht streifen können, und hütete sie vor jeder Gefahr, die ihr etwa auf dem Weg begegnen konnte, und staunend und kopfschüttelnd sahen die Leute vom Dorf dem seltsamen Paar nach. Liebe im Streit. Es kam endlich doch zur Scheidung, die Geschwister Liesbeth's hatten Alles gethan, sie zu fördern, und Georg gen! schrie diese erbos't, ich werde ihm noch nachlaufen; ja wohl da! Vergebens suchte sie Georg durch Winke und Blicke zu bedeuten, daß das ja nur der Form wegen nöthig sei, sie konnte sich durchaus nicht dazu verstehen. Da nun beide Ehegatten auf der Scheidung bestanden, so konnte nach unsern Gesetzen der Scheidungsprozeß nicht voran gehen, und der Richter entließ sie mit einer nachdrücklichen Ermahnung zur Versöhnung, die ihm bei dem unverkennbaren Interesse Beider für einander nicht unmöglich schien. Da Liesbeth sich lang nicht entschließen konnte, ihrerseits auf dem Zusammenleben zu bestehen und Georg eben so wenig sie als den sogenannten schuldigen Teil ins Gefängniß gehen lassen wollte, so zog sich der Prozeß noch lange hinaus. Gar manchmal wanderten die Zwei noch zusammen vor Amt, und immer trug Georg die Liesbeth über den Bach, trug ihr den Korb, bog die Zweige auseinander, die hätten ihr Gesicht streifen können, und hütete sie vor jeder Gefahr, die ihr etwa auf dem Weg begegnen konnte, und staunend und kopfschüttelnd sahen die Leute vom Dorf dem seltsamen Paar nach. Liebe im Streit. Es kam endlich doch zur Scheidung, die Geschwister Liesbeth's hatten Alles gethan, sie zu fördern, und Georg <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0037"/> gen! schrie diese erbos't, ich werde ihm noch nachlaufen; ja wohl da!</p><lb/> <p>Vergebens suchte sie Georg durch Winke und Blicke zu bedeuten, daß das ja nur der Form wegen nöthig sei, sie konnte sich durchaus nicht dazu verstehen. Da nun beide Ehegatten auf der Scheidung bestanden, so konnte nach unsern Gesetzen der Scheidungsprozeß nicht voran gehen, und der Richter entließ sie mit einer nachdrücklichen Ermahnung zur Versöhnung, die ihm bei dem unverkennbaren Interesse Beider für einander nicht unmöglich schien.</p><lb/> <p>Da Liesbeth sich lang nicht entschließen konnte, ihrerseits auf dem Zusammenleben zu bestehen und Georg eben so wenig sie als den sogenannten schuldigen Teil ins Gefängniß gehen lassen wollte, so zog sich der Prozeß noch lange hinaus. Gar manchmal wanderten die Zwei noch zusammen vor Amt, und immer trug Georg die Liesbeth über den Bach, trug ihr den Korb, bog die Zweige auseinander, die hätten ihr Gesicht streifen können, und hütete sie vor jeder Gefahr, die ihr etwa auf dem Weg begegnen konnte, und staunend und kopfschüttelnd sahen die Leute vom Dorf dem seltsamen Paar nach.</p><lb/> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="chapter" n="7"> <head>Liebe im Streit.</head> <p>Es kam endlich doch zur Scheidung, die Geschwister Liesbeth's hatten Alles gethan, sie zu fördern, und Georg<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0037]
gen! schrie diese erbos't, ich werde ihm noch nachlaufen; ja wohl da!
Vergebens suchte sie Georg durch Winke und Blicke zu bedeuten, daß das ja nur der Form wegen nöthig sei, sie konnte sich durchaus nicht dazu verstehen. Da nun beide Ehegatten auf der Scheidung bestanden, so konnte nach unsern Gesetzen der Scheidungsprozeß nicht voran gehen, und der Richter entließ sie mit einer nachdrücklichen Ermahnung zur Versöhnung, die ihm bei dem unverkennbaren Interesse Beider für einander nicht unmöglich schien.
Da Liesbeth sich lang nicht entschließen konnte, ihrerseits auf dem Zusammenleben zu bestehen und Georg eben so wenig sie als den sogenannten schuldigen Teil ins Gefängniß gehen lassen wollte, so zog sich der Prozeß noch lange hinaus. Gar manchmal wanderten die Zwei noch zusammen vor Amt, und immer trug Georg die Liesbeth über den Bach, trug ihr den Korb, bog die Zweige auseinander, die hätten ihr Gesicht streifen können, und hütete sie vor jeder Gefahr, die ihr etwa auf dem Weg begegnen konnte, und staunend und kopfschüttelnd sahen die Leute vom Dorf dem seltsamen Paar nach.
Liebe im Streit. Es kam endlich doch zur Scheidung, die Geschwister Liesbeth's hatten Alles gethan, sie zu fördern, und Georg
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Zitationshilfe: | Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/37>, abgerufen am 28.07.2024. |