Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

dir gucken lassen. Das war eiskalt Wasser auf sein aufwallendes Herz, er wandte sich trotzig um und fuhr ab mit lautem Peitschenknallen, ohne auch nur einmal sich nach dem Haus umzusehen, wo Liesbeth noch lange hinter dem Küchenladen stand und ihm nachschaute.

Georg kam am Abend nicht zurück, auch nicht am folgenden Tag. Liesbeth's Bruder ging in die Stadt, um nach ihm zu fragen. Er hatte seinen Dinkel verkauft, Wagen und Pferde aber im Wirthshaus zurückgelassen, nebst einem Brief an sein Weib. Niemand wußte, wohin er gegangen.

Der Bruder brachte Liesbeth diese Kunde und den Brief, sie zitterte so, daß sie ihn nicht öffnen konnte, er mußte ihr ihn vorlesen; Georg war immer gut in der Feder gewesen. Der Brief lautete:

"Geliebte Elisabeth!

Ich gehe fort in die weite Welt, vielleicht wirst Du nichts mehr von mir hören. Verzeih Dir's Gott, daß Du mich so hinaustreibst, denn es ist von Deinetwegen, daß ich fort muß und kann's nimmer aushalten daheim. Es ist mir wohl bewußt, daß ich meinerseits auch den Fehler gemacht habe, aber das weiß Gott, daß ich Dir hätte Alles zu lieb thun können, wenn Du mich mit Liebe behandelt hättest. Ich will mich jetzt allein in der Welt fortbringen, daß ich mir nicht mehr von meinem Weib darf das Essen vorwerfen lassen. Keinen Andern kannst Du nicht nehmen, denn wir sind doch noch Mann und Weib, und ich glaub's auch, daß

dir gucken lassen. Das war eiskalt Wasser auf sein aufwallendes Herz, er wandte sich trotzig um und fuhr ab mit lautem Peitschenknallen, ohne auch nur einmal sich nach dem Haus umzusehen, wo Liesbeth noch lange hinter dem Küchenladen stand und ihm nachschaute.

Georg kam am Abend nicht zurück, auch nicht am folgenden Tag. Liesbeth's Bruder ging in die Stadt, um nach ihm zu fragen. Er hatte seinen Dinkel verkauft, Wagen und Pferde aber im Wirthshaus zurückgelassen, nebst einem Brief an sein Weib. Niemand wußte, wohin er gegangen.

Der Bruder brachte Liesbeth diese Kunde und den Brief, sie zitterte so, daß sie ihn nicht öffnen konnte, er mußte ihr ihn vorlesen; Georg war immer gut in der Feder gewesen. Der Brief lautete:

„Geliebte Elisabeth!

Ich gehe fort in die weite Welt, vielleicht wirst Du nichts mehr von mir hören. Verzeih Dir's Gott, daß Du mich so hinaustreibst, denn es ist von Deinetwegen, daß ich fort muß und kann's nimmer aushalten daheim. Es ist mir wohl bewußt, daß ich meinerseits auch den Fehler gemacht habe, aber das weiß Gott, daß ich Dir hätte Alles zu lieb thun können, wenn Du mich mit Liebe behandelt hättest. Ich will mich jetzt allein in der Welt fortbringen, daß ich mir nicht mehr von meinem Weib darf das Essen vorwerfen lassen. Keinen Andern kannst Du nicht nehmen, denn wir sind doch noch Mann und Weib, und ich glaub's auch, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="6">
        <p><pb facs="#f0031"/>
dir      gucken lassen. Das war eiskalt Wasser auf sein aufwallendes Herz, er wandte sich trotzig um und      fuhr ab mit lautem Peitschenknallen, ohne auch nur einmal sich nach dem Haus umzusehen, wo      Liesbeth noch lange hinter dem Küchenladen stand und ihm nachschaute.</p><lb/>
        <p>Georg kam am Abend nicht zurück, auch nicht am folgenden Tag. Liesbeth's Bruder ging in die      Stadt, um nach ihm zu fragen. Er hatte seinen Dinkel verkauft, Wagen und Pferde aber im      Wirthshaus zurückgelassen, nebst einem Brief an sein Weib. Niemand wußte, wohin er      gegangen.</p><lb/>
        <p>Der Bruder brachte Liesbeth diese Kunde und den Brief, sie zitterte so, daß sie ihn nicht      öffnen konnte, er mußte ihr ihn vorlesen; Georg war immer gut in der Feder gewesen. Der Brief      lautete:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <opener>
                <salute>&#x201E;Geliebte Elisabeth!</salute>
              </opener>
              <p>Ich gehe fort in die weite Welt, vielleicht wirst Du nichts mehr von mir hören. Verzeih Dir's      Gott, daß Du mich so hinaustreibst, denn es ist von Deinetwegen, daß ich fort muß und kann's      nimmer aushalten daheim. Es ist mir wohl bewußt, daß ich meinerseits auch den Fehler gemacht      habe, aber das weiß Gott, daß ich Dir hätte Alles zu lieb thun können, wenn Du mich mit Liebe      behandelt hättest. Ich will mich jetzt allein in der Welt fortbringen, daß ich mir nicht mehr      von meinem Weib darf das Essen vorwerfen lassen. Keinen Andern kannst Du nicht nehmen, denn wir      sind doch noch Mann und Weib, und ich glaub's auch, daß<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0031] dir gucken lassen. Das war eiskalt Wasser auf sein aufwallendes Herz, er wandte sich trotzig um und fuhr ab mit lautem Peitschenknallen, ohne auch nur einmal sich nach dem Haus umzusehen, wo Liesbeth noch lange hinter dem Küchenladen stand und ihm nachschaute. Georg kam am Abend nicht zurück, auch nicht am folgenden Tag. Liesbeth's Bruder ging in die Stadt, um nach ihm zu fragen. Er hatte seinen Dinkel verkauft, Wagen und Pferde aber im Wirthshaus zurückgelassen, nebst einem Brief an sein Weib. Niemand wußte, wohin er gegangen. Der Bruder brachte Liesbeth diese Kunde und den Brief, sie zitterte so, daß sie ihn nicht öffnen konnte, er mußte ihr ihn vorlesen; Georg war immer gut in der Feder gewesen. Der Brief lautete: „Geliebte Elisabeth! Ich gehe fort in die weite Welt, vielleicht wirst Du nichts mehr von mir hören. Verzeih Dir's Gott, daß Du mich so hinaustreibst, denn es ist von Deinetwegen, daß ich fort muß und kann's nimmer aushalten daheim. Es ist mir wohl bewußt, daß ich meinerseits auch den Fehler gemacht habe, aber das weiß Gott, daß ich Dir hätte Alles zu lieb thun können, wenn Du mich mit Liebe behandelt hättest. Ich will mich jetzt allein in der Welt fortbringen, daß ich mir nicht mehr von meinem Weib darf das Essen vorwerfen lassen. Keinen Andern kannst Du nicht nehmen, denn wir sind doch noch Mann und Weib, und ich glaub's auch, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:35:23Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:35:23Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/31
Zitationshilfe: Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/31>, abgerufen am 22.11.2024.