Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

man von ihm fordern? Louise nicht mehr zu sehen? Und stand denn das in seiner Gewalt? In wildem Schmerze stöhnte er auf. -- Nein, das konnte er nicht. Weinend warf er sich auf sein Bett. Er weinte wie ein Kind über das stille, friedenreiche Glück, das er geträumt, das ihm so nahe gewesen, und das er jetzt mit sehenden Augen und doch wie in blindem Wahnsinn von sich stieß. Und so schlief er endlich angekleidet auf seinem Bette ein.

Beim Baron aber verging die Nacht viel unruhiger, als Louis es sich gedacht. Marie war aufgeblieben mit ihrer Mutter, um den Vater zu erwarten. Sie war unruhig über Louis' Abwesenheit und dachte, der Vater bringe ihn doch vielleicht noch mit auf einen Augenblick. Als der Baron so finster eintrat, überlief sie ein großer Schrecken.

Haben Sie Louis gesehen? frug sie und trat angstvoll auf den Vater zu.

Das war das unangenehmste Wort, das der Baron jetzt hören konnte. Den Taugenichts? rief er, zornig aufbrausend, ja, den habe ich freilich gesehen! Und höre, aus ist es, aus mit euch, merke dir's. Für den sauberen Herrn ist mein Kind nicht gewachsen.

Sein Gesicht war hoch geröthet, und Mariens erste Bewegung war ein furchtsamer Schritt von ihm zurück nach ihrer Mutter hin. Es war ihr zu verzeihen, wenn es ihr mit ihrem Vater nicht ganz geheuer schien. Auch die Baron war erschrocken.

Was ist denn geschehen? frug sie jetzt und sah fragend auf ihren Mann.

Es ist geschehen, daß ich dem Heuchler hinter die Schliche gekommen bin, und daß es aus ist mit der Verlobung, und daß ich kein Wort mehr davon hören will. Du giebst ihm den Laufpass -- und übrigens hat er ihn schon.

Dann sei Gott mir gnädig! rief Marie, in Thränen ausbrechend, und. sank auf einen Stuhl. Aber der

man von ihm fordern? Louise nicht mehr zu sehen? Und stand denn das in seiner Gewalt? In wildem Schmerze stöhnte er auf. — Nein, das konnte er nicht. Weinend warf er sich auf sein Bett. Er weinte wie ein Kind über das stille, friedenreiche Glück, das er geträumt, das ihm so nahe gewesen, und das er jetzt mit sehenden Augen und doch wie in blindem Wahnsinn von sich stieß. Und so schlief er endlich angekleidet auf seinem Bette ein.

Beim Baron aber verging die Nacht viel unruhiger, als Louis es sich gedacht. Marie war aufgeblieben mit ihrer Mutter, um den Vater zu erwarten. Sie war unruhig über Louis' Abwesenheit und dachte, der Vater bringe ihn doch vielleicht noch mit auf einen Augenblick. Als der Baron so finster eintrat, überlief sie ein großer Schrecken.

Haben Sie Louis gesehen? frug sie und trat angstvoll auf den Vater zu.

Das war das unangenehmste Wort, das der Baron jetzt hören konnte. Den Taugenichts? rief er, zornig aufbrausend, ja, den habe ich freilich gesehen! Und höre, aus ist es, aus mit euch, merke dir's. Für den sauberen Herrn ist mein Kind nicht gewachsen.

Sein Gesicht war hoch geröthet, und Mariens erste Bewegung war ein furchtsamer Schritt von ihm zurück nach ihrer Mutter hin. Es war ihr zu verzeihen, wenn es ihr mit ihrem Vater nicht ganz geheuer schien. Auch die Baron war erschrocken.

Was ist denn geschehen? frug sie jetzt und sah fragend auf ihren Mann.

Es ist geschehen, daß ich dem Heuchler hinter die Schliche gekommen bin, und daß es aus ist mit der Verlobung, und daß ich kein Wort mehr davon hören will. Du giebst ihm den Laufpass — und übrigens hat er ihn schon.

Dann sei Gott mir gnädig! rief Marie, in Thränen ausbrechend, und. sank auf einen Stuhl. Aber der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="3">
        <p><pb facs="#f0094"/>
man von ihm      fordern? Louise nicht mehr zu sehen? Und stand denn das in seiner Gewalt? In wildem Schmerze      stöhnte er auf. &#x2014; Nein, das konnte er nicht. Weinend warf er sich auf sein Bett. Er weinte wie      ein Kind über das stille, friedenreiche Glück, das er geträumt, das ihm so nahe gewesen, und      das er jetzt mit sehenden Augen und doch wie in blindem Wahnsinn von sich stieß. Und so schlief      er endlich angekleidet auf seinem Bette ein.</p><lb/>
        <p>Beim Baron aber verging die Nacht viel unruhiger, als Louis es sich gedacht. Marie war      aufgeblieben mit ihrer Mutter, um den Vater zu erwarten. Sie war unruhig über Louis'      Abwesenheit und dachte, der Vater bringe ihn doch vielleicht noch mit auf einen Augenblick. Als      der Baron so finster eintrat, überlief sie ein großer Schrecken.</p><lb/>
        <p>Haben Sie Louis gesehen? frug sie und trat angstvoll auf den Vater zu.</p><lb/>
        <p>Das war das unangenehmste Wort, das der Baron jetzt hören konnte. Den Taugenichts? rief er,      zornig aufbrausend, ja, den habe ich freilich gesehen! Und höre, aus ist es, aus mit euch,      merke dir's. Für den sauberen Herrn ist mein Kind nicht gewachsen.</p><lb/>
        <p>Sein Gesicht war hoch geröthet, und Mariens erste Bewegung war ein furchtsamer Schritt von      ihm zurück nach ihrer Mutter hin. Es war ihr zu verzeihen, wenn es ihr mit ihrem Vater nicht      ganz geheuer schien. Auch die Baron war erschrocken.</p><lb/>
        <p>Was ist denn geschehen? frug sie jetzt und sah fragend auf ihren Mann.</p><lb/>
        <p>Es ist geschehen, daß ich dem Heuchler hinter die Schliche gekommen bin, und daß es aus ist      mit der Verlobung, und daß ich kein Wort mehr davon hören will. Du giebst ihm den Laufpass &#x2014;      und übrigens hat er ihn schon.</p><lb/>
        <p>Dann sei Gott mir gnädig! rief Marie, in Thränen ausbrechend, und. sank auf einen Stuhl. Aber      der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0094] man von ihm fordern? Louise nicht mehr zu sehen? Und stand denn das in seiner Gewalt? In wildem Schmerze stöhnte er auf. — Nein, das konnte er nicht. Weinend warf er sich auf sein Bett. Er weinte wie ein Kind über das stille, friedenreiche Glück, das er geträumt, das ihm so nahe gewesen, und das er jetzt mit sehenden Augen und doch wie in blindem Wahnsinn von sich stieß. Und so schlief er endlich angekleidet auf seinem Bette ein. Beim Baron aber verging die Nacht viel unruhiger, als Louis es sich gedacht. Marie war aufgeblieben mit ihrer Mutter, um den Vater zu erwarten. Sie war unruhig über Louis' Abwesenheit und dachte, der Vater bringe ihn doch vielleicht noch mit auf einen Augenblick. Als der Baron so finster eintrat, überlief sie ein großer Schrecken. Haben Sie Louis gesehen? frug sie und trat angstvoll auf den Vater zu. Das war das unangenehmste Wort, das der Baron jetzt hören konnte. Den Taugenichts? rief er, zornig aufbrausend, ja, den habe ich freilich gesehen! Und höre, aus ist es, aus mit euch, merke dir's. Für den sauberen Herrn ist mein Kind nicht gewachsen. Sein Gesicht war hoch geröthet, und Mariens erste Bewegung war ein furchtsamer Schritt von ihm zurück nach ihrer Mutter hin. Es war ihr zu verzeihen, wenn es ihr mit ihrem Vater nicht ganz geheuer schien. Auch die Baron war erschrocken. Was ist denn geschehen? frug sie jetzt und sah fragend auf ihren Mann. Es ist geschehen, daß ich dem Heuchler hinter die Schliche gekommen bin, und daß es aus ist mit der Verlobung, und daß ich kein Wort mehr davon hören will. Du giebst ihm den Laufpass — und übrigens hat er ihn schon. Dann sei Gott mir gnädig! rief Marie, in Thränen ausbrechend, und. sank auf einen Stuhl. Aber der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/94
Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/94>, abgerufen am 23.11.2024.