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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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kein Grund, warum ich mein einziges Kind unglücklich machen soll. Er lachte einmal ingrimmig auf, als ihm einfiel, wie er Marie fast zornig befehlen mußte, ihn zu der Gräfin zu begleiten, und wie sie sich widersetzt, weil es Louis unangenehm sei. Ich glaube es wohl! setzte er zornig hinzu.

Von diesem stummen, aber inwendig desto lauteren Selbstgespräche vernahm der junge Mann natürlich nichts, die Übersetzung aber, die ihm sein Gemüt machte, war keineswegs in einem gelinderen Tone abgefaßt. Der ganze Weg war ihm eine Folter, durch welche dennoch hier und da, mit einem Wolkenschauer der Erinnerung, die Töne einer Tanzmelodie erbebten und verklangen.

Gute Nacht, Herr Marquis! sagte der Baron, der nun vor seinem Hause angelangt war, und er schlug dem jungen Manne so schnell die Thüre vor dem Gesichte zu, daß er dessen dargereichte Hand ganz übersah. In stummer Verzweiflung wandte sich Louis seiner Wohnung zu. Er hatte Marie den ganzen Tag nicht gesehen. Er empfand es als einen Mangel, als das Vermissen einer lieben Gewohnheit, die ein Theil unseres Lebens geworden ist. Er dachte, wie lange Zeit jetzt vielleicht vergehen wurde, bevor er sie wiedersah, und es fiel ihm schwer auf das Herz. Alles Gute in ihm bäumte sich auf und trieb ihn an, die Verstimmung wieder gut zu machen zwischen dem Baron und ihm. Er wollte zurück, noch diese Nacht, mit ihm reden, Alles gestehen, seine und Mariens Hilfe anrufen gegen sich selbst und Alles geloben, was man von ihm gelobt haben wollte. Doch nein -- es war heute zu spät -- eine eigene Scheu hielt ihn zurück -- sie schliefen vielleicht Alle schon, wie konnte er sie wecken, und schreiben ließe sich so etwas ja immer besser, als es sich sagen ließ. Er setzte sich hin, nahm Feder und Papier; aber nach den ersten Worten schon hielt er an. Was sollte er schreiben? Welches Versprechen würde

kein Grund, warum ich mein einziges Kind unglücklich machen soll. Er lachte einmal ingrimmig auf, als ihm einfiel, wie er Marie fast zornig befehlen mußte, ihn zu der Gräfin zu begleiten, und wie sie sich widersetzt, weil es Louis unangenehm sei. Ich glaube es wohl! setzte er zornig hinzu.

Von diesem stummen, aber inwendig desto lauteren Selbstgespräche vernahm der junge Mann natürlich nichts, die Übersetzung aber, die ihm sein Gemüt machte, war keineswegs in einem gelinderen Tone abgefaßt. Der ganze Weg war ihm eine Folter, durch welche dennoch hier und da, mit einem Wolkenschauer der Erinnerung, die Töne einer Tanzmelodie erbebten und verklangen.

Gute Nacht, Herr Marquis! sagte der Baron, der nun vor seinem Hause angelangt war, und er schlug dem jungen Manne so schnell die Thüre vor dem Gesichte zu, daß er dessen dargereichte Hand ganz übersah. In stummer Verzweiflung wandte sich Louis seiner Wohnung zu. Er hatte Marie den ganzen Tag nicht gesehen. Er empfand es als einen Mangel, als das Vermissen einer lieben Gewohnheit, die ein Theil unseres Lebens geworden ist. Er dachte, wie lange Zeit jetzt vielleicht vergehen wurde, bevor er sie wiedersah, und es fiel ihm schwer auf das Herz. Alles Gute in ihm bäumte sich auf und trieb ihn an, die Verstimmung wieder gut zu machen zwischen dem Baron und ihm. Er wollte zurück, noch diese Nacht, mit ihm reden, Alles gestehen, seine und Mariens Hilfe anrufen gegen sich selbst und Alles geloben, was man von ihm gelobt haben wollte. Doch nein — es war heute zu spät — eine eigene Scheu hielt ihn zurück — sie schliefen vielleicht Alle schon, wie konnte er sie wecken, und schreiben ließe sich so etwas ja immer besser, als es sich sagen ließ. Er setzte sich hin, nahm Feder und Papier; aber nach den ersten Worten schon hielt er an. Was sollte er schreiben? Welches Versprechen würde

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[0093] kein Grund, warum ich mein einziges Kind unglücklich machen soll. Er lachte einmal ingrimmig auf, als ihm einfiel, wie er Marie fast zornig befehlen mußte, ihn zu der Gräfin zu begleiten, und wie sie sich widersetzt, weil es Louis unangenehm sei. Ich glaube es wohl! setzte er zornig hinzu. Von diesem stummen, aber inwendig desto lauteren Selbstgespräche vernahm der junge Mann natürlich nichts, die Übersetzung aber, die ihm sein Gemüt machte, war keineswegs in einem gelinderen Tone abgefaßt. Der ganze Weg war ihm eine Folter, durch welche dennoch hier und da, mit einem Wolkenschauer der Erinnerung, die Töne einer Tanzmelodie erbebten und verklangen. Gute Nacht, Herr Marquis! sagte der Baron, der nun vor seinem Hause angelangt war, und er schlug dem jungen Manne so schnell die Thüre vor dem Gesichte zu, daß er dessen dargereichte Hand ganz übersah. In stummer Verzweiflung wandte sich Louis seiner Wohnung zu. Er hatte Marie den ganzen Tag nicht gesehen. Er empfand es als einen Mangel, als das Vermissen einer lieben Gewohnheit, die ein Theil unseres Lebens geworden ist. Er dachte, wie lange Zeit jetzt vielleicht vergehen wurde, bevor er sie wiedersah, und es fiel ihm schwer auf das Herz. Alles Gute in ihm bäumte sich auf und trieb ihn an, die Verstimmung wieder gut zu machen zwischen dem Baron und ihm. Er wollte zurück, noch diese Nacht, mit ihm reden, Alles gestehen, seine und Mariens Hilfe anrufen gegen sich selbst und Alles geloben, was man von ihm gelobt haben wollte. Doch nein — es war heute zu spät — eine eigene Scheu hielt ihn zurück — sie schliefen vielleicht Alle schon, wie konnte er sie wecken, und schreiben ließe sich so etwas ja immer besser, als es sich sagen ließ. Er setzte sich hin, nahm Feder und Papier; aber nach den ersten Worten schon hielt er an. Was sollte er schreiben? Welches Versprechen würde

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/93>, abgerufen am 23.11.2024.