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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Nebenzimmers blieb er versteinert stehen. Vor ihm stand der Baron.

Ich hätte Sie nicht hier gesucht, sagte dieser kalt. Beschämt stammelte der junge Mann eine Entschuldigung, das Lügen war ihm noch fremd, und er fing an, sich, zu ernüchtern unter diesem kalten Hauch der Wirklichkeit.

Ich werde Sie nach Hause begleiten, sagte er zum Baron, der sich zum Gehen anschickte.

Wie Sie wollen, versetzte dieser. Sie machten sich auf den Weg, aber keiner sprach. Louis ging mit bedrängtem Herzen, unter der Last seines Schuldbewußtseins und mit einer scheuen Ahnung, dessen, was da kommen konnte, neben ihm her. Der Baron hatte den Abend auf ihn gewartet und war deshalb so spät erst bei Leonie erschienen. Er hatte beschlossen gehabt, den jungen Mann mit Gewalt von dem Vorurtheil abzubringen, daß er so ungerechter Weise gegen die Gräfin gefaßt. Nun hatte er ihn freilich nur da gefunden, wo er ihn selbst hinführen wollte, aber seiner väterlichen Liebe hatte ein Blick genügt, um ihm Alles zu lösen, was ihm bis jetzt ein Räthsel gewesen war. Es ging ihm dabei, wie vielen Anderen; daß er selbst einmal der Sünde nahe gewesen, hatte zwar seinen Blick für Anderer Sündhaftigkeit geschärft, ihn aber durchaus nicht nachsichtiger gegen dieselbe gemacht, besonders in diesem Falle, wo das Glück seiner Tochter so nahe betheiligt war. Zudem schien ihm Louis' Schuld noch vergrößert durch alle kleinen Nebensachen, die sie begleiteten, und die es so leicht war als berechnete Falschheit auszulegen.

Nein! brummte der Baron in sich hinein, eine verheirathete Frau! und dazu noch mit meiner Tochter verlobt! Der Teufel soll die Romantik holen! Wäre ich nicht in seine Mutter verliebt gewesen, nie wäre mir die Dummheit eingefallen! Wahr ist es, sie war eine kreuzbrave Frau, aber Millionenelement, das ist

Nebenzimmers blieb er versteinert stehen. Vor ihm stand der Baron.

Ich hätte Sie nicht hier gesucht, sagte dieser kalt. Beschämt stammelte der junge Mann eine Entschuldigung, das Lügen war ihm noch fremd, und er fing an, sich, zu ernüchtern unter diesem kalten Hauch der Wirklichkeit.

Ich werde Sie nach Hause begleiten, sagte er zum Baron, der sich zum Gehen anschickte.

Wie Sie wollen, versetzte dieser. Sie machten sich auf den Weg, aber keiner sprach. Louis ging mit bedrängtem Herzen, unter der Last seines Schuldbewußtseins und mit einer scheuen Ahnung, dessen, was da kommen konnte, neben ihm her. Der Baron hatte den Abend auf ihn gewartet und war deshalb so spät erst bei Leonie erschienen. Er hatte beschlossen gehabt, den jungen Mann mit Gewalt von dem Vorurtheil abzubringen, daß er so ungerechter Weise gegen die Gräfin gefaßt. Nun hatte er ihn freilich nur da gefunden, wo er ihn selbst hinführen wollte, aber seiner väterlichen Liebe hatte ein Blick genügt, um ihm Alles zu lösen, was ihm bis jetzt ein Räthsel gewesen war. Es ging ihm dabei, wie vielen Anderen; daß er selbst einmal der Sünde nahe gewesen, hatte zwar seinen Blick für Anderer Sündhaftigkeit geschärft, ihn aber durchaus nicht nachsichtiger gegen dieselbe gemacht, besonders in diesem Falle, wo das Glück seiner Tochter so nahe betheiligt war. Zudem schien ihm Louis' Schuld noch vergrößert durch alle kleinen Nebensachen, die sie begleiteten, und die es so leicht war als berechnete Falschheit auszulegen.

Nein! brummte der Baron in sich hinein, eine verheirathete Frau! und dazu noch mit meiner Tochter verlobt! Der Teufel soll die Romantik holen! Wäre ich nicht in seine Mutter verliebt gewesen, nie wäre mir die Dummheit eingefallen! Wahr ist es, sie war eine kreuzbrave Frau, aber Millionenelement, das ist

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[0092] Nebenzimmers blieb er versteinert stehen. Vor ihm stand der Baron. Ich hätte Sie nicht hier gesucht, sagte dieser kalt. Beschämt stammelte der junge Mann eine Entschuldigung, das Lügen war ihm noch fremd, und er fing an, sich, zu ernüchtern unter diesem kalten Hauch der Wirklichkeit. Ich werde Sie nach Hause begleiten, sagte er zum Baron, der sich zum Gehen anschickte. Wie Sie wollen, versetzte dieser. Sie machten sich auf den Weg, aber keiner sprach. Louis ging mit bedrängtem Herzen, unter der Last seines Schuldbewußtseins und mit einer scheuen Ahnung, dessen, was da kommen konnte, neben ihm her. Der Baron hatte den Abend auf ihn gewartet und war deshalb so spät erst bei Leonie erschienen. Er hatte beschlossen gehabt, den jungen Mann mit Gewalt von dem Vorurtheil abzubringen, daß er so ungerechter Weise gegen die Gräfin gefaßt. Nun hatte er ihn freilich nur da gefunden, wo er ihn selbst hinführen wollte, aber seiner väterlichen Liebe hatte ein Blick genügt, um ihm Alles zu lösen, was ihm bis jetzt ein Räthsel gewesen war. Es ging ihm dabei, wie vielen Anderen; daß er selbst einmal der Sünde nahe gewesen, hatte zwar seinen Blick für Anderer Sündhaftigkeit geschärft, ihn aber durchaus nicht nachsichtiger gegen dieselbe gemacht, besonders in diesem Falle, wo das Glück seiner Tochter so nahe betheiligt war. Zudem schien ihm Louis' Schuld noch vergrößert durch alle kleinen Nebensachen, die sie begleiteten, und die es so leicht war als berechnete Falschheit auszulegen. Nein! brummte der Baron in sich hinein, eine verheirathete Frau! und dazu noch mit meiner Tochter verlobt! Der Teufel soll die Romantik holen! Wäre ich nicht in seine Mutter verliebt gewesen, nie wäre mir die Dummheit eingefallen! Wahr ist es, sie war eine kreuzbrave Frau, aber Millionenelement, das ist

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/92>, abgerufen am 23.11.2024.