Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.verzeihe uns, sich stark versucht fühlte, ihr eine Ohrfeige zu geben. Für den Anfang vielleicht, sagte er ärgerlich, aber wird es immer so bleiben? Der Friede -- die Heiligkeit der Ehe, die Bande der Familie beruhen alle auf der Treue der Frau -- Habe ich in meinem Benehmen eine Spur von Leichtsinn gezeigt, Papa, so bitte ich, es mir zu sagen, damit ich mich ändere, versetzte Leonie auf das Ehrerbietigste. Nein, das hast du nicht, sagte der Graf mit einem Seufzer der Entmuthigung; ich wollte fast, du hättest es -- dann könnte ich doch wenigstens hoffen -- das -- Er hielt inne -- Leonie schwieg. -- So kann ich dem Grafen also sagen, daß du seinen Antrag annimmst? frug er dann. Wenn Sie die Güte haben wollen, Papa, sagte Leonie, sich erhebend; kann ich mich jetzt entfernen? Du kannst gehen! und mit einer leichten Handbewegung entließ er sie. Endlich! sagte Leonie, als sie den Augenblick danach im Gefühle ihres Triumphes in ihrem Zimmer stand, nun endlich ist das Leben mein, und ich kann es gestalten, wie ich will. Ihre Brust hob sich, ihr Auge leuchtete -- sie blieb stehen und versank allmählich in Gedanken. Und hatte dieses junge Mädchen, daß so ruhig in der ersten Blute ihres Leben sich zu einer Convenienz-Heirath entschloß, hatte sie denn gar keine Ahnung von dem Opfer, das sie dem Moloch ihres Ehrgeizes brachte? Hatte denn nie eine Stimme in ihrem Herzen von höheren Freuden gesprochen, als denen, welche die Eitelkeit gewährt? O doch! so gar trocken war die Seele doch nicht, die in diesem blütenfrischen jungen Busen schlug. Auch an ihr Herz hatte der Frühling geklopft, und das sie ihm nicht aufgethan, das war freilich ihre Schuld, aber verzeihe uns, sich stark versucht fühlte, ihr eine Ohrfeige zu geben. Für den Anfang vielleicht, sagte er ärgerlich, aber wird es immer so bleiben? Der Friede — die Heiligkeit der Ehe, die Bande der Familie beruhen alle auf der Treue der Frau — Habe ich in meinem Benehmen eine Spur von Leichtsinn gezeigt, Papa, so bitte ich, es mir zu sagen, damit ich mich ändere, versetzte Leonie auf das Ehrerbietigste. Nein, das hast du nicht, sagte der Graf mit einem Seufzer der Entmuthigung; ich wollte fast, du hättest es — dann könnte ich doch wenigstens hoffen — das — Er hielt inne — Leonie schwieg. — So kann ich dem Grafen also sagen, daß du seinen Antrag annimmst? frug er dann. Wenn Sie die Güte haben wollen, Papa, sagte Leonie, sich erhebend; kann ich mich jetzt entfernen? Du kannst gehen! und mit einer leichten Handbewegung entließ er sie. Endlich! sagte Leonie, als sie den Augenblick danach im Gefühle ihres Triumphes in ihrem Zimmer stand, nun endlich ist das Leben mein, und ich kann es gestalten, wie ich will. Ihre Brust hob sich, ihr Auge leuchtete — sie blieb stehen und versank allmählich in Gedanken. Und hatte dieses junge Mädchen, daß so ruhig in der ersten Blute ihres Leben sich zu einer Convenienz-Heirath entschloß, hatte sie denn gar keine Ahnung von dem Opfer, das sie dem Moloch ihres Ehrgeizes brachte? Hatte denn nie eine Stimme in ihrem Herzen von höheren Freuden gesprochen, als denen, welche die Eitelkeit gewährt? O doch! so gar trocken war die Seele doch nicht, die in diesem blütenfrischen jungen Busen schlug. 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verzeihe uns, sich stark versucht fühlte, ihr eine Ohrfeige zu geben.
Für den Anfang vielleicht, sagte er ärgerlich, aber wird es immer so bleiben? Der Friede — die Heiligkeit der Ehe, die Bande der Familie beruhen alle auf der Treue der Frau —
Habe ich in meinem Benehmen eine Spur von Leichtsinn gezeigt, Papa, so bitte ich, es mir zu sagen, damit ich mich ändere, versetzte Leonie auf das Ehrerbietigste.
Nein, das hast du nicht, sagte der Graf mit einem Seufzer der Entmuthigung; ich wollte fast, du hättest es — dann könnte ich doch wenigstens hoffen — das — Er hielt inne — Leonie schwieg. — So kann ich dem Grafen also sagen, daß du seinen Antrag annimmst? frug er dann.
Wenn Sie die Güte haben wollen, Papa, sagte Leonie, sich erhebend; kann ich mich jetzt entfernen?
Du kannst gehen! und mit einer leichten Handbewegung entließ er sie.
Endlich! sagte Leonie, als sie den Augenblick danach im Gefühle ihres Triumphes in ihrem Zimmer stand, nun endlich ist das Leben mein, und ich kann es gestalten, wie ich will. Ihre Brust hob sich, ihr Auge leuchtete — sie blieb stehen und versank allmählich in Gedanken.
Und hatte dieses junge Mädchen, daß so ruhig in der ersten Blute ihres Leben sich zu einer Convenienz-Heirath entschloß, hatte sie denn gar keine Ahnung von dem Opfer, das sie dem Moloch ihres Ehrgeizes brachte? Hatte denn nie eine Stimme in ihrem Herzen von höheren Freuden gesprochen, als denen, welche die Eitelkeit gewährt?
O doch! so gar trocken war die Seele doch nicht, die in diesem blütenfrischen jungen Busen schlug. Auch an ihr Herz hatte der Frühling geklopft, und das sie ihm nicht aufgethan, das war freilich ihre Schuld, aber
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Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/49>, abgerufen am 16.07.2024. |