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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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das Zweite, was ihr zu ihrem Zwecke nöthig schien. Außerdem sichert der Ehrgeiz des Mannes der Frau manchen Vortheil, der in diesem bunten Schauspiel der Gesellschaft, wo der Schein eine so wichtige Rolle spielt, nicht zu übersehen ist. Darauf beschränkten sich denn auch ihre Forderungen. Alles Andere war von untergeordneter Bedeutung, nur an diesen zwei Punkten hielt sie fest. Nun drängte sich zwar eine bedeutende Schaar von Bewerbern um die schöne, reiche Erbin, aber bei, der strengen Sichtung, die ihr Vater mit ihnen vornahm, blieben nicht immer die Reichsten und Angesehensten zurück, und bis jetzt war Keiner erschienen, welcher die von Beiden gewünschten Eigenschaften vereint in genügendem Grade besaß.

Aber Leonie konnte warten. Sie kannte ihre Macht zu gut, um über den Erfolg im Geringsten zweifelhaft zu sein. Der Spiegel hatte ihr es oft genug gezeigt, was sie so gerne sah; und hätte er es auch nicht gethan, die stumme und laute Bewunderung, die sie überall, wo sie sich zeigte, wie ein berauschender Duft umgab, hatte sie hinreichend darüber aufgeklärt. Zwar war ihre Schönheit gerade nicht von der Art, welche man mit dem Worte glänzend bezeichnet; sie war zu sein und ästhetisch, um auf irgend eine Weise in die Augen fallend zu sein; doch riss der Blick, der ihr einmal folgte, sich nur mit Mühe von ihr los. Und wem hatte diese weiche, kindlich zarte Gestalt, mit dem schwebenden, elastischen und doch schüchternen Schritt, die dunklen Augen, unter deren langen Wimpern der Blick wie eine scheue Bitte sich nur furchtsam hervorzustehlen schien, das wundersame, süß geheimnisvolle Lächeln, das die feinen Lippen umschwebte und Jeden unwillkürlich aufzufordern schien, zu erforschen, was sich dahinter verbarg; das Licht mit Schatten zu wechseln, das über die feinen, beweglichen Züge ging und kam, in ewig neuem, wechselnden Reiz; wem hätte. Alles dies nicht wenigstens ein Gefühl lebhaften Interesses

das Zweite, was ihr zu ihrem Zwecke nöthig schien. Außerdem sichert der Ehrgeiz des Mannes der Frau manchen Vortheil, der in diesem bunten Schauspiel der Gesellschaft, wo der Schein eine so wichtige Rolle spielt, nicht zu übersehen ist. Darauf beschränkten sich denn auch ihre Forderungen. Alles Andere war von untergeordneter Bedeutung, nur an diesen zwei Punkten hielt sie fest. Nun drängte sich zwar eine bedeutende Schaar von Bewerbern um die schöne, reiche Erbin, aber bei, der strengen Sichtung, die ihr Vater mit ihnen vornahm, blieben nicht immer die Reichsten und Angesehensten zurück, und bis jetzt war Keiner erschienen, welcher die von Beiden gewünschten Eigenschaften vereint in genügendem Grade besaß.

Aber Leonie konnte warten. Sie kannte ihre Macht zu gut, um über den Erfolg im Geringsten zweifelhaft zu sein. Der Spiegel hatte ihr es oft genug gezeigt, was sie so gerne sah; und hätte er es auch nicht gethan, die stumme und laute Bewunderung, die sie überall, wo sie sich zeigte, wie ein berauschender Duft umgab, hatte sie hinreichend darüber aufgeklärt. Zwar war ihre Schönheit gerade nicht von der Art, welche man mit dem Worte glänzend bezeichnet; sie war zu sein und ästhetisch, um auf irgend eine Weise in die Augen fallend zu sein; doch riss der Blick, der ihr einmal folgte, sich nur mit Mühe von ihr los. Und wem hatte diese weiche, kindlich zarte Gestalt, mit dem schwebenden, elastischen und doch schüchternen Schritt, die dunklen Augen, unter deren langen Wimpern der Blick wie eine scheue Bitte sich nur furchtsam hervorzustehlen schien, das wundersame, süß geheimnisvolle Lächeln, das die feinen Lippen umschwebte und Jeden unwillkürlich aufzufordern schien, zu erforschen, was sich dahinter verbarg; das Licht mit Schatten zu wechseln, das über die feinen, beweglichen Züge ging und kam, in ewig neuem, wechselnden Reiz; wem hätte. Alles dies nicht wenigstens ein Gefühl lebhaften Interesses

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[0044] das Zweite, was ihr zu ihrem Zwecke nöthig schien. Außerdem sichert der Ehrgeiz des Mannes der Frau manchen Vortheil, der in diesem bunten Schauspiel der Gesellschaft, wo der Schein eine so wichtige Rolle spielt, nicht zu übersehen ist. Darauf beschränkten sich denn auch ihre Forderungen. Alles Andere war von untergeordneter Bedeutung, nur an diesen zwei Punkten hielt sie fest. Nun drängte sich zwar eine bedeutende Schaar von Bewerbern um die schöne, reiche Erbin, aber bei, der strengen Sichtung, die ihr Vater mit ihnen vornahm, blieben nicht immer die Reichsten und Angesehensten zurück, und bis jetzt war Keiner erschienen, welcher die von Beiden gewünschten Eigenschaften vereint in genügendem Grade besaß. Aber Leonie konnte warten. Sie kannte ihre Macht zu gut, um über den Erfolg im Geringsten zweifelhaft zu sein. Der Spiegel hatte ihr es oft genug gezeigt, was sie so gerne sah; und hätte er es auch nicht gethan, die stumme und laute Bewunderung, die sie überall, wo sie sich zeigte, wie ein berauschender Duft umgab, hatte sie hinreichend darüber aufgeklärt. Zwar war ihre Schönheit gerade nicht von der Art, welche man mit dem Worte glänzend bezeichnet; sie war zu sein und ästhetisch, um auf irgend eine Weise in die Augen fallend zu sein; doch riss der Blick, der ihr einmal folgte, sich nur mit Mühe von ihr los. Und wem hatte diese weiche, kindlich zarte Gestalt, mit dem schwebenden, elastischen und doch schüchternen Schritt, die dunklen Augen, unter deren langen Wimpern der Blick wie eine scheue Bitte sich nur furchtsam hervorzustehlen schien, das wundersame, süß geheimnisvolle Lächeln, das die feinen Lippen umschwebte und Jeden unwillkürlich aufzufordern schien, zu erforschen, was sich dahinter verbarg; das Licht mit Schatten zu wechseln, das über die feinen, beweglichen Züge ging und kam, in ewig neuem, wechselnden Reiz; wem hätte. Alles dies nicht wenigstens ein Gefühl lebhaften Interesses

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/44>, abgerufen am 25.11.2024.