Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Solche Irrfahrten kannst du ein andermal unterlassen, sagte er kalt und wandte sich ab. Wie ein Pfeil schoss sie von ihm fort und athmete erst in ihrem Zimmer wieder frei auf. Was weiter geschah, haben wir schon erzählt. Des Dorfes Neugierde wurde rege, und Otto blieb natürlich nicht frei. Als alle seine Fragen von Thomas nichts herausbrachten, als einige Grobheiten, die dem Grafensohn schwer zu verdauen waren, wandte er sich endlich um Erklärung an seinen Vater selbst. Wer ist die fremde Frau, die bei dem Thomas wohnt? frug er ihn eines Tages mit der ihm eigenen Offenheit, die einen der besten Züge in seinem guten, liebenswürdigen Charakter bildete. Kümmere dich nicht um fremder Leute Angelegenheiten, war des Grafen barsche Antwort. Allein Otto war des Vaters Liebling und hatte allen Muth eines solchen. Die Leute sagen aber, das du sie kennst, Papa, fuhr er unerschrocken fort. Diesmal erblasste der Graf und wandte sich so jählings gegen den Knaben, das dieser zusammenfuhr. Hörst du noch nicht mit dieser Dummheit auf? rief er zornig. -- Und höre, fuhr er fort, indem er sich bezwang, der Thomas beklagt sich, das du sein Haus umlagerst wie ein Dieb und ihm beständig auf dem Halse liegst; wenn mir noch etwas dergleichen zu Ohren kommt, so werde ich mich erinnern, wo unser Herrgott die Ruthe hat wachsen lassen, -- das merke dir! -- Er verließ das Zimmer, und Otto's Stirne zog sich trotzig zusammen; des Thomas Angeberei lenkte indessen seine Gedanken von des Vaters unerklärlicher Heftigkeit ab. Der Thomas ist ein gemeiner Kerl, sagte er ärgerlich, in meinem Leben schaue ich ihn nicht mehr an. Leonie hatte scheinbar unbekümmert dem Auftritt Solche Irrfahrten kannst du ein andermal unterlassen, sagte er kalt und wandte sich ab. Wie ein Pfeil schoss sie von ihm fort und athmete erst in ihrem Zimmer wieder frei auf. Was weiter geschah, haben wir schon erzählt. Des Dorfes Neugierde wurde rege, und Otto blieb natürlich nicht frei. Als alle seine Fragen von Thomas nichts herausbrachten, als einige Grobheiten, die dem Grafensohn schwer zu verdauen waren, wandte er sich endlich um Erklärung an seinen Vater selbst. Wer ist die fremde Frau, die bei dem Thomas wohnt? frug er ihn eines Tages mit der ihm eigenen Offenheit, die einen der besten Züge in seinem guten, liebenswürdigen Charakter bildete. Kümmere dich nicht um fremder Leute Angelegenheiten, war des Grafen barsche Antwort. Allein Otto war des Vaters Liebling und hatte allen Muth eines solchen. Die Leute sagen aber, das du sie kennst, Papa, fuhr er unerschrocken fort. Diesmal erblasste der Graf und wandte sich so jählings gegen den Knaben, das dieser zusammenfuhr. Hörst du noch nicht mit dieser Dummheit auf? rief er zornig. — Und höre, fuhr er fort, indem er sich bezwang, der Thomas beklagt sich, das du sein Haus umlagerst wie ein Dieb und ihm beständig auf dem Halse liegst; wenn mir noch etwas dergleichen zu Ohren kommt, so werde ich mich erinnern, wo unser Herrgott die Ruthe hat wachsen lassen, — das merke dir! — Er verließ das Zimmer, und Otto's Stirne zog sich trotzig zusammen; des Thomas Angeberei lenkte indessen seine Gedanken von des Vaters unerklärlicher Heftigkeit ab. Der Thomas ist ein gemeiner Kerl, sagte er ärgerlich, in meinem Leben schaue ich ihn nicht mehr an. 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Solche Irrfahrten kannst du ein andermal unterlassen, sagte er kalt und wandte sich ab.
Wie ein Pfeil schoss sie von ihm fort und athmete erst in ihrem Zimmer wieder frei auf.
Was weiter geschah, haben wir schon erzählt. Des Dorfes Neugierde wurde rege, und Otto blieb natürlich nicht frei. Als alle seine Fragen von Thomas nichts herausbrachten, als einige Grobheiten, die dem Grafensohn schwer zu verdauen waren, wandte er sich endlich um Erklärung an seinen Vater selbst.
Wer ist die fremde Frau, die bei dem Thomas wohnt? frug er ihn eines Tages mit der ihm eigenen Offenheit, die einen der besten Züge in seinem guten, liebenswürdigen Charakter bildete.
Kümmere dich nicht um fremder Leute Angelegenheiten, war des Grafen barsche Antwort.
Allein Otto war des Vaters Liebling und hatte allen Muth eines solchen.
Die Leute sagen aber, das du sie kennst, Papa, fuhr er unerschrocken fort.
Diesmal erblasste der Graf und wandte sich so jählings gegen den Knaben, das dieser zusammenfuhr.
Hörst du noch nicht mit dieser Dummheit auf? rief er zornig. — Und höre, fuhr er fort, indem er sich bezwang, der Thomas beklagt sich, das du sein Haus umlagerst wie ein Dieb und ihm beständig auf dem Halse liegst; wenn mir noch etwas dergleichen zu Ohren kommt, so werde ich mich erinnern, wo unser Herrgott die Ruthe hat wachsen lassen, — das merke dir! —
Er verließ das Zimmer, und Otto's Stirne zog sich trotzig zusammen; des Thomas Angeberei lenkte indessen seine Gedanken von des Vaters unerklärlicher Heftigkeit ab.
Der Thomas ist ein gemeiner Kerl, sagte er ärgerlich, in meinem Leben schaue ich ihn nicht mehr an.
Leonie hatte scheinbar unbekümmert dem Auftritt
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Zitationshilfe: | Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/20>, abgerufen am 17.02.2025. |