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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Hand auf die ihrige, und sie sank wie gelähmt auf den Sessel zurück.

Einen Augenblick dulden Sie mich allein bei sich! sagte er leise und zitternd zu der ebenfalls zitternden Frau.

Sie sah zu ihm auf mit einem träumerischen Lächeln voll unaussprechlicher Süßigkeit. Sie saß vor dem Klaviere.

Spielen Sie, bat er.

Gehorsam glitten ihre Finger über die Tasten.

Er stand hinter ihrem Stuhl. Sie spielte, sie wußte nicht was; sie fühlte, sah, hörte, empfand nur ihn; er war in der Luft, die sie einathmete, ihr ganzes Wesen schien in fühlendem Empfinden aufzugehen und seine Gegenwart in sich zu saugen. Ihre Finger wurden schwerer, ihr Kopf neigte sich unmerklich zurück, fast bis an seine Brust. Er küsste die gekräuselten Locken, die seinem Munde so nahe waren, berauschende Schwüle umwogte ihn, umfloß sie wie ein glühendes Meer und machte alles weitere Denken unmöglich. Sie spielte immer langsamer, nun sanken ihre Hände herab, sie blickte aus zu ihm, er beugte sich -- ein Kuß -- ein langer Blick -- dann noch ein Kuß --

Die Sonne schien in das Zimmer herein, der Vogel sang in seinem vergoldeten Käfig, die Blumen dufteten. Alles umher war Glanz, Reichthum und Harmonie, und mitten, darin standen zwei selige schuldige Menschen Hand in Hand und vergaßen Erde und Himmel um sich her.

Otto's nahende Schritte schreckten die Beiden aus ihrer Trunkenheit auf. Er hatte seinen Schwager zu einem Gespräche nicht gelaunt gefunden und kehrte mißmuthig zu seiner Schwester zurück.

Was habt ihr denn? frug er erstaunt, als er sie so verwirrt neben einander stehen sah.

Leonie faßte sich zuerst. Der Herr Marquis war so traurig, daß es mich ergriff, sagte sie.

Hand auf die ihrige, und sie sank wie gelähmt auf den Sessel zurück.

Einen Augenblick dulden Sie mich allein bei sich! sagte er leise und zitternd zu der ebenfalls zitternden Frau.

Sie sah zu ihm auf mit einem träumerischen Lächeln voll unaussprechlicher Süßigkeit. Sie saß vor dem Klaviere.

Spielen Sie, bat er.

Gehorsam glitten ihre Finger über die Tasten.

Er stand hinter ihrem Stuhl. Sie spielte, sie wußte nicht was; sie fühlte, sah, hörte, empfand nur ihn; er war in der Luft, die sie einathmete, ihr ganzes Wesen schien in fühlendem Empfinden aufzugehen und seine Gegenwart in sich zu saugen. Ihre Finger wurden schwerer, ihr Kopf neigte sich unmerklich zurück, fast bis an seine Brust. Er küsste die gekräuselten Locken, die seinem Munde so nahe waren, berauschende Schwüle umwogte ihn, umfloß sie wie ein glühendes Meer und machte alles weitere Denken unmöglich. Sie spielte immer langsamer, nun sanken ihre Hände herab, sie blickte aus zu ihm, er beugte sich — ein Kuß — ein langer Blick — dann noch ein Kuß —

Die Sonne schien in das Zimmer herein, der Vogel sang in seinem vergoldeten Käfig, die Blumen dufteten. Alles umher war Glanz, Reichthum und Harmonie, und mitten, darin standen zwei selige schuldige Menschen Hand in Hand und vergaßen Erde und Himmel um sich her.

Otto's nahende Schritte schreckten die Beiden aus ihrer Trunkenheit auf. Er hatte seinen Schwager zu einem Gespräche nicht gelaunt gefunden und kehrte mißmuthig zu seiner Schwester zurück.

Was habt ihr denn? frug er erstaunt, als er sie so verwirrt neben einander stehen sah.

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[0131] Hand auf die ihrige, und sie sank wie gelähmt auf den Sessel zurück. Einen Augenblick dulden Sie mich allein bei sich! sagte er leise und zitternd zu der ebenfalls zitternden Frau. Sie sah zu ihm auf mit einem träumerischen Lächeln voll unaussprechlicher Süßigkeit. Sie saß vor dem Klaviere. Spielen Sie, bat er. Gehorsam glitten ihre Finger über die Tasten. Er stand hinter ihrem Stuhl. Sie spielte, sie wußte nicht was; sie fühlte, sah, hörte, empfand nur ihn; er war in der Luft, die sie einathmete, ihr ganzes Wesen schien in fühlendem Empfinden aufzugehen und seine Gegenwart in sich zu saugen. Ihre Finger wurden schwerer, ihr Kopf neigte sich unmerklich zurück, fast bis an seine Brust. Er küsste die gekräuselten Locken, die seinem Munde so nahe waren, berauschende Schwüle umwogte ihn, umfloß sie wie ein glühendes Meer und machte alles weitere Denken unmöglich. Sie spielte immer langsamer, nun sanken ihre Hände herab, sie blickte aus zu ihm, er beugte sich — ein Kuß — ein langer Blick — dann noch ein Kuß — Die Sonne schien in das Zimmer herein, der Vogel sang in seinem vergoldeten Käfig, die Blumen dufteten. Alles umher war Glanz, Reichthum und Harmonie, und mitten, darin standen zwei selige schuldige Menschen Hand in Hand und vergaßen Erde und Himmel um sich her. Otto's nahende Schritte schreckten die Beiden aus ihrer Trunkenheit auf. Er hatte seinen Schwager zu einem Gespräche nicht gelaunt gefunden und kehrte mißmuthig zu seiner Schwester zurück. Was habt ihr denn? frug er erstaunt, als er sie so verwirrt neben einander stehen sah. Leonie faßte sich zuerst. Der Herr Marquis war so traurig, daß es mich ergriff, sagte sie.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/131>, abgerufen am 23.11.2024.