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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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noch immer vor sich hinstarrend. Die Baronin faltete die Hände in stummem Schmerz. -- Sie muß ihn vergessen, setzte er nach einer Pause hinzu. Er ist ihrer nicht werth.

Die Baronin erhob sich, um hinauszugehen. Unter der Thüre stand sie still und sah sich nach ihrem Manne um. Sein sprachloser Gram schnitt ihr fast tiefer ins Herz, als selbst die Sorge um ihre Tochter, und sie kehrte zu ihm zurück. -- Härme dich nicht so, sagte sie, liebevoll ihre Hand aus seine Schulter legend; Marie ist stark, sie wird's ertragen.

Ein dumpfes Stöhnen war seine Antwort. Ja, sagte er dann, mit der geballten Faust zornig auf die Lehne des Stuhles schlagend, das sie unter dem Schlage zerbrach, so sind wir Alle! -- Ein hübsches Gesicht, und Wir sind verloren. -- Blind -- blind -- blind! -- Er warf sich auf den Sessel und verbarg das Gesicht in die Hände, dann sah er auf. Geh zu ihr, sagte er, geh du zu ihr, ich vermag es nicht.

Die Baronin ging hinaus.

In dem anstoßenden Zimmer stand Marie, so weit als möglich von der Thüre entfernt und das Gesicht dem Fenster zugekehrt. Als ihre Mutter eintrat, wandte sie sich nach ihr um. Sie wollte sprechen, und konnte nicht; sie war bleich bis in die Lippen hinein, aber mit Gewalt bezwang sie die furchtbare Aufregung.

Es ist Alles aus? -- hauchte sie endlich so leise, daß es kaum hörbar an das Ohr der Baronin schlug. Diese nickte nur.

Du mußt dich fügen, sagte sie dann; -- er liebt die Gräfin, er hat es selbst gesagt.

Marie senkte den Kopf, ohne zu antworten; auch die Baronin schwieg. Bei gewissen Dingen ist aller Trost nur leerer Schall. Aber sie wußte, welche Erziehung sie ihrer Tochter gegeben, und daß diese Erziehung in Blut und Seele eingedrungen war.

Dein Vater ist sehr bekümmert um dich, hub sie endlich wieder zu reden an.

noch immer vor sich hinstarrend. Die Baronin faltete die Hände in stummem Schmerz. — Sie muß ihn vergessen, setzte er nach einer Pause hinzu. Er ist ihrer nicht werth.

Die Baronin erhob sich, um hinauszugehen. Unter der Thüre stand sie still und sah sich nach ihrem Manne um. Sein sprachloser Gram schnitt ihr fast tiefer ins Herz, als selbst die Sorge um ihre Tochter, und sie kehrte zu ihm zurück. — Härme dich nicht so, sagte sie, liebevoll ihre Hand aus seine Schulter legend; Marie ist stark, sie wird's ertragen.

Ein dumpfes Stöhnen war seine Antwort. Ja, sagte er dann, mit der geballten Faust zornig auf die Lehne des Stuhles schlagend, das sie unter dem Schlage zerbrach, so sind wir Alle! — Ein hübsches Gesicht, und Wir sind verloren. — Blind — blind — blind! — Er warf sich auf den Sessel und verbarg das Gesicht in die Hände, dann sah er auf. Geh zu ihr, sagte er, geh du zu ihr, ich vermag es nicht.

Die Baronin ging hinaus.

In dem anstoßenden Zimmer stand Marie, so weit als möglich von der Thüre entfernt und das Gesicht dem Fenster zugekehrt. Als ihre Mutter eintrat, wandte sie sich nach ihr um. Sie wollte sprechen, und konnte nicht; sie war bleich bis in die Lippen hinein, aber mit Gewalt bezwang sie die furchtbare Aufregung.

Es ist Alles aus? — hauchte sie endlich so leise, daß es kaum hörbar an das Ohr der Baronin schlug. Diese nickte nur.

Du mußt dich fügen, sagte sie dann; — er liebt die Gräfin, er hat es selbst gesagt.

Marie senkte den Kopf, ohne zu antworten; auch die Baronin schwieg. Bei gewissen Dingen ist aller Trost nur leerer Schall. Aber sie wußte, welche Erziehung sie ihrer Tochter gegeben, und daß diese Erziehung in Blut und Seele eingedrungen war.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:30:48Z)

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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/100>, abgerufen am 23.11.2024.