Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.stellte sich an den Schiffsbord und sah ihm mit ehrlich triumphirendem Lächeln ins Gesicht. Sehn Sie, es läßt sich nun nicht mehr ändern! sagte er so gemüthlich, als ihm bei der zitternden Aufregung seiner Stimme möglich war. Daß ich's nur ganz kurz sage, Herr Julius: es ging wirklich nicht an, daß ich Sie und meine -- meine Liesbeth noch länger zusammenließ. Ich hab' mit ihr zu Land nach Hamburg fahren wollen; aber sie hat nicht gewollt. Nun müssen Sie mit mir zu Wasser nach Hamburg; -- so oder so. Julius starrte dem Steuermann so verwirrt ins Gesicht, daß ihm alle Worte versagten. Sehn Sie -- lassen Sie mich ausreden! fing Ohlerich wieder an. Es mußte etwas geschehen, Herr Julius, -- oder es gab ein Unglück. Ich hielt's so nicht mehr aus! Ich bin ein wilder, hitzköpfiger Kerl! Da hab' ich gestern Abend gesehen -- an dem Schweden da, mein' ich -- wie häßlich so ein nichtswürdig wüthiger Mensch ist, der wie ein blindes Unwetter dreinfährt, ohne zu wissen, wie es enden wird. Und dann haben wir Porter mit Ale getrunken -- und danach ist mir etwas besser geworden. Lassen Sie mich ausreden; es dauert ja nicht mehr lange. Sehn Sie, da ist mir ein Gedanke gekommen -- er lächelte wieder -- wie ich Sie so unter der Hand aus meiner Bucht hinausbugsiren könnte! Während Sie bei Peter Jungmann auf der Bank geschnarcht haben, hab' ich's mit dem Schiffer Albrecht ausgemacht, daß er uns heute Morgen mitnehmen sollte, -- weil er grade nach Hamburg fährt. Das ist so eine kleine unfreiwillige Seereise, Herr Julius; -- Sie sind ein junger Kerl von zwanzig Jahren, Sie verstehen ja Spaß! Nehmen Sie's Johann Ohlerich nicht übel, daß die Sache so gekommen ist: ich hab' selber keine Freud' d'ran -- ich laß' Weib und Kind zu Haus, um mit Ihnen auf der Ostsee herumzusegeln -- Goddam! Sie haben's nicht anders gewollt! Er setzte diese letzten Schlußworte eifriger und etwas zornig hinzu, da er Julius bleich und bleicher werden und stellte sich an den Schiffsbord und sah ihm mit ehrlich triumphirendem Lächeln ins Gesicht. Sehn Sie, es läßt sich nun nicht mehr ändern! sagte er so gemüthlich, als ihm bei der zitternden Aufregung seiner Stimme möglich war. Daß ich's nur ganz kurz sage, Herr Julius: es ging wirklich nicht an, daß ich Sie und meine — meine Liesbeth noch länger zusammenließ. Ich hab' mit ihr zu Land nach Hamburg fahren wollen; aber sie hat nicht gewollt. Nun müssen Sie mit mir zu Wasser nach Hamburg; — so oder so. Julius starrte dem Steuermann so verwirrt ins Gesicht, daß ihm alle Worte versagten. Sehn Sie — lassen Sie mich ausreden! fing Ohlerich wieder an. Es mußte etwas geschehen, Herr Julius, — oder es gab ein Unglück. Ich hielt's so nicht mehr aus! Ich bin ein wilder, hitzköpfiger Kerl! Da hab' ich gestern Abend gesehen — an dem Schweden da, mein' ich — wie häßlich so ein nichtswürdig wüthiger Mensch ist, der wie ein blindes Unwetter dreinfährt, ohne zu wissen, wie es enden wird. Und dann haben wir Porter mit Ale getrunken — und danach ist mir etwas besser geworden. Lassen Sie mich ausreden; es dauert ja nicht mehr lange. Sehn Sie, da ist mir ein Gedanke gekommen — er lächelte wieder — wie ich Sie so unter der Hand aus meiner Bucht hinausbugsiren könnte! Während Sie bei Peter Jungmann auf der Bank geschnarcht haben, hab' ich's mit dem Schiffer Albrecht ausgemacht, daß er uns heute Morgen mitnehmen sollte, — weil er grade nach Hamburg fährt. Das ist so eine kleine unfreiwillige Seereise, Herr Julius; — Sie sind ein junger Kerl von zwanzig Jahren, Sie verstehen ja Spaß! Nehmen Sie's Johann Ohlerich nicht übel, daß die Sache so gekommen ist: ich hab' selber keine Freud' d'ran — ich laß' Weib und Kind zu Haus, um mit Ihnen auf der Ostsee herumzusegeln — Goddam! Sie haben's nicht anders gewollt! Er setzte diese letzten Schlußworte eifriger und etwas zornig hinzu, da er Julius bleich und bleicher werden und <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0050"/> stellte sich an den Schiffsbord und sah ihm mit ehrlich triumphirendem Lächeln ins Gesicht. Sehn Sie, es läßt sich nun nicht mehr ändern! sagte er so gemüthlich, als ihm bei der zitternden Aufregung seiner Stimme möglich war. Daß ich's nur ganz kurz sage, Herr Julius: es ging wirklich nicht an, daß ich Sie und meine — meine Liesbeth noch länger zusammenließ. Ich hab' mit ihr zu Land nach Hamburg fahren wollen; aber sie hat nicht gewollt. 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Während Sie bei Peter Jungmann auf der Bank geschnarcht haben, hab' ich's mit dem Schiffer Albrecht ausgemacht, daß er uns heute Morgen mitnehmen sollte, — weil er grade nach Hamburg fährt. Das ist so eine kleine unfreiwillige Seereise, Herr Julius; — Sie sind ein junger Kerl von zwanzig Jahren, Sie verstehen ja Spaß! Nehmen Sie's Johann Ohlerich nicht übel, daß die Sache so gekommen ist: ich hab' selber keine Freud' d'ran — ich laß' Weib und Kind zu Haus, um mit Ihnen auf der Ostsee herumzusegeln — Goddam! Sie haben's nicht anders gewollt!</p><lb/> <p>Er setzte diese letzten Schlußworte eifriger und etwas zornig hinzu, da er Julius bleich und bleicher werden und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0050]
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Julius starrte dem Steuermann so verwirrt ins Gesicht, daß ihm alle Worte versagten.
Sehn Sie — lassen Sie mich ausreden! fing Ohlerich wieder an. Es mußte etwas geschehen, Herr Julius, — oder es gab ein Unglück. Ich hielt's so nicht mehr aus! Ich bin ein wilder, hitzköpfiger Kerl! Da hab' ich gestern Abend gesehen — an dem Schweden da, mein' ich — wie häßlich so ein nichtswürdig wüthiger Mensch ist, der wie ein blindes Unwetter dreinfährt, ohne zu wissen, wie es enden wird. Und dann haben wir Porter mit Ale getrunken — und danach ist mir etwas besser geworden. Lassen Sie mich ausreden; es dauert ja nicht mehr lange. Sehn Sie, da ist mir ein Gedanke gekommen — er lächelte wieder — wie ich Sie so unter der Hand aus meiner Bucht hinausbugsiren könnte! Während Sie bei Peter Jungmann auf der Bank geschnarcht haben, hab' ich's mit dem Schiffer Albrecht ausgemacht, daß er uns heute Morgen mitnehmen sollte, — weil er grade nach Hamburg fährt. Das ist so eine kleine unfreiwillige Seereise, Herr Julius; — Sie sind ein junger Kerl von zwanzig Jahren, Sie verstehen ja Spaß! Nehmen Sie's Johann Ohlerich nicht übel, daß die Sache so gekommen ist: ich hab' selber keine Freud' d'ran — ich laß' Weib und Kind zu Haus, um mit Ihnen auf der Ostsee herumzusegeln — Goddam! Sie haben's nicht anders gewollt!
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/50>, abgerufen am 16.02.2025. |