Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.sagte, bekam er lebhaften Durst. Er sah Johann Ohlerich zuversichtlicher an, und unfähig, seine menschenfreundlichen Wallungen länger zu unterdrücken, setzte er hinzu: Ich habe Ihnen übrigens noch nicht einmal gedankt, Ohlerich, daß Sie mir einen zweiten Messerstich erspart haben. Kommen Sie, lassen Sie uns etwas Porter mit Ale trinken! Johann Ohlerich wollte den Kopf schütteln, aber seine Gefühle mischten sich sonderbar durch einander. Danken! -- Sie haben mir nichts zu danken, antwortete er. Doch, ich hab' Ihnen zu danken. Womit hätt' ich mich gegen die Kerle wehren sollen? Ich hatte ja nichts, als die beiden Hände. Warum liefen Sie denn mit Ihren nackten Händen so auf das Messer los? Nun, da besinnt man sich doch nicht lange, wenn man helfen muß? antwortete Julius. Johann Ohlerich ließ ein beifälliges Murmeln hören. Dann ärgerte er sich wieder über dieses Murmeln und suche nach irgend einer unfreundlichen Wendung, die seine feindselige Stimmung ausdrücken sollte. Doch über dem Anblick von Julius' blutiger Hand fiel ihm keine ein. Endlich sagte er nur: Porter mit Ale ist gut. Ja, Porter mit Ale ist gut! wiederholte Julius. In so 'ner warmen Sommernacht hab' ich immer Durst. Und wenn einem das Wirthshaus so vor der Nase liegt -- -- Und damit ging er vorwärts, um die letzten Schritte bis zum Wirthshaus zu machen. Johann Ohlerich ging in demselben gemessenen Tempo neben ihm her. Er hatte Lust, stehen zu bleiben oder umzukehren, aber es fiel ihm nicht ein, was für einen Beweggrund er dafür angeben sollte. O ja, Porter mit Ale ist gut, sagte er endlich noch einmal und trat unter das Vordach, wo noch etwa ein halbes Dutzend Gäste an den Tischen saß. Peter Jungmann, der Wirth, kam sogleich auf ihn zu. Hier steht ja ein leerer Tisch! sagte Julius, dem nun auf einmal etwas beklommen sagte, bekam er lebhaften Durst. Er sah Johann Ohlerich zuversichtlicher an, und unfähig, seine menschenfreundlichen Wallungen länger zu unterdrücken, setzte er hinzu: Ich habe Ihnen übrigens noch nicht einmal gedankt, Ohlerich, daß Sie mir einen zweiten Messerstich erspart haben. Kommen Sie, lassen Sie uns etwas Porter mit Ale trinken! Johann Ohlerich wollte den Kopf schütteln, aber seine Gefühle mischten sich sonderbar durch einander. Danken! — Sie haben mir nichts zu danken, antwortete er. Doch, ich hab' Ihnen zu danken. Womit hätt' ich mich gegen die Kerle wehren sollen? Ich hatte ja nichts, als die beiden Hände. Warum liefen Sie denn mit Ihren nackten Händen so auf das Messer los? Nun, da besinnt man sich doch nicht lange, wenn man helfen muß? antwortete Julius. Johann Ohlerich ließ ein beifälliges Murmeln hören. Dann ärgerte er sich wieder über dieses Murmeln und suche nach irgend einer unfreundlichen Wendung, die seine feindselige Stimmung ausdrücken sollte. Doch über dem Anblick von Julius' blutiger Hand fiel ihm keine ein. Endlich sagte er nur: Porter mit Ale ist gut. Ja, Porter mit Ale ist gut! wiederholte Julius. In so 'ner warmen Sommernacht hab' ich immer Durst. Und wenn einem das Wirthshaus so vor der Nase liegt — — Und damit ging er vorwärts, um die letzten Schritte bis zum Wirthshaus zu machen. Johann Ohlerich ging in demselben gemessenen Tempo neben ihm her. Er hatte Lust, stehen zu bleiben oder umzukehren, aber es fiel ihm nicht ein, was für einen Beweggrund er dafür angeben sollte. O ja, Porter mit Ale ist gut, sagte er endlich noch einmal und trat unter das Vordach, wo noch etwa ein halbes Dutzend Gäste an den Tischen saß. Peter Jungmann, der Wirth, kam sogleich auf ihn zu. 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sagte, bekam er lebhaften Durst. Er sah Johann Ohlerich zuversichtlicher an, und unfähig, seine menschenfreundlichen Wallungen länger zu unterdrücken, setzte er hinzu: Ich habe Ihnen übrigens noch nicht einmal gedankt, Ohlerich, daß Sie mir einen zweiten Messerstich erspart haben. Kommen Sie, lassen Sie uns etwas Porter mit Ale trinken!
Johann Ohlerich wollte den Kopf schütteln, aber seine Gefühle mischten sich sonderbar durch einander. Danken! — Sie haben mir nichts zu danken, antwortete er.
Doch, ich hab' Ihnen zu danken. Womit hätt' ich mich gegen die Kerle wehren sollen? Ich hatte ja nichts, als die beiden Hände.
Warum liefen Sie denn mit Ihren nackten Händen so auf das Messer los?
Nun, da besinnt man sich doch nicht lange, wenn man helfen muß? antwortete Julius.
Johann Ohlerich ließ ein beifälliges Murmeln hören. Dann ärgerte er sich wieder über dieses Murmeln und suche nach irgend einer unfreundlichen Wendung, die seine feindselige Stimmung ausdrücken sollte. Doch über dem Anblick von Julius' blutiger Hand fiel ihm keine ein. Endlich sagte er nur: Porter mit Ale ist gut.
Ja, Porter mit Ale ist gut! wiederholte Julius. In so 'ner warmen Sommernacht hab' ich immer Durst. Und wenn einem das Wirthshaus so vor der Nase liegt — — Und damit ging er vorwärts, um die letzten Schritte bis zum Wirthshaus zu machen. Johann Ohlerich ging in demselben gemessenen Tempo neben ihm her. Er hatte Lust, stehen zu bleiben oder umzukehren, aber es fiel ihm nicht ein, was für einen Beweggrund er dafür angeben sollte.
O ja, Porter mit Ale ist gut, sagte er endlich noch einmal und trat unter das Vordach, wo noch etwa ein halbes Dutzend Gäste an den Tischen saß. Peter Jungmann, der Wirth, kam sogleich auf ihn zu. Hier steht ja ein leerer Tisch! sagte Julius, dem nun auf einmal etwas beklommen
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/43>, abgerufen am 16.07.2024. |