Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ein ausländisches Lied, während Andere dazwischen lachten und schrieen. Johann Ohlerich hörte es mit dumpfem Ohr, indem er dem Geräusch näher und näher kam. Doch er war noch nicht weit gegangen, als ein anderer Lärm ihm die Straße kreuzte. Eine junge Dirne aus dem Ort, die ein trunkener schwedischer Matrose um den Leib gefaßt hatte, machte sich schreiend von ihm los und lief davon; der Andre hinter ihr her. Sie wollte in das nächste Haus hinein; in demselben Augenblick trat aus der Thür ihr Vater, ein eisgrauer alter Lootse, hervor, eine lange Stange in der Hand, mit zornrothem Gesicht, um den frechen Menschen niederschlagen. Doch da seine altersschwachen zitternden Arme die schwere Stange nicht regieren konnten, hatte der Schwede schnell das andere Ende gepackt, zog den Lootsen sammt der Stange an sich heran und holte mit seinem langen Matrosenmesser gegen ihn aus. Es war für Ohlerich schon zu spät, zu Hülfe zu eilen. Der Alte schien verloren, als plötzlich ein junger Mann herzusprang, den man bisher nicht gesehen hatte, und sich mit seinen unbewaffneten Händen vor den Bedrohten hinstellte. Das Messer des Matrosen fuhr nun nach dessen Hand. Doch gleich darauf hatte der junge Mann seinen Gegner an der Brust, und während das Blut aus der Wunde lief, warf er ihn so heftig zurück, daß der trunkene Mensch zu Boden fiel. Der Boden schüttelte, so schwer fiel er hin. Auf seinen Ruf sprangen sogleich ein paar seiner Landsleute aus dem Wirthshaus hervor, schrieen dem jungen Mann in gebrochenem Deutsch drohende Worte zu und traten ihm mit ihren Dolchmessern entgegen. Nichts da! rief nun Johann Ohlerich dazwischen, der mittlerweile auch herangekommen war. Steckt eure alten Käsemesser wieder ein; hier wird nicht so zugestochen! Wenn ihr nicht eben so betrunken seid, wie der Lump da auf der Erde, so hebt ihn auf und bringt ihn wieder an Bord, oder es geht ihm schlecht! Und wenn all seine Rippen noch heil ein ausländisches Lied, während Andere dazwischen lachten und schrieen. Johann Ohlerich hörte es mit dumpfem Ohr, indem er dem Geräusch näher und näher kam. Doch er war noch nicht weit gegangen, als ein anderer Lärm ihm die Straße kreuzte. Eine junge Dirne aus dem Ort, die ein trunkener schwedischer Matrose um den Leib gefaßt hatte, machte sich schreiend von ihm los und lief davon; der Andre hinter ihr her. Sie wollte in das nächste Haus hinein; in demselben Augenblick trat aus der Thür ihr Vater, ein eisgrauer alter Lootse, hervor, eine lange Stange in der Hand, mit zornrothem Gesicht, um den frechen Menschen niederschlagen. Doch da seine altersschwachen zitternden Arme die schwere Stange nicht regieren konnten, hatte der Schwede schnell das andere Ende gepackt, zog den Lootsen sammt der Stange an sich heran und holte mit seinem langen Matrosenmesser gegen ihn aus. Es war für Ohlerich schon zu spät, zu Hülfe zu eilen. Der Alte schien verloren, als plötzlich ein junger Mann herzusprang, den man bisher nicht gesehen hatte, und sich mit seinen unbewaffneten Händen vor den Bedrohten hinstellte. Das Messer des Matrosen fuhr nun nach dessen Hand. Doch gleich darauf hatte der junge Mann seinen Gegner an der Brust, und während das Blut aus der Wunde lief, warf er ihn so heftig zurück, daß der trunkene Mensch zu Boden fiel. Der Boden schüttelte, so schwer fiel er hin. Auf seinen Ruf sprangen sogleich ein paar seiner Landsleute aus dem Wirthshaus hervor, schrieen dem jungen Mann in gebrochenem Deutsch drohende Worte zu und traten ihm mit ihren Dolchmessern entgegen. Nichts da! rief nun Johann Ohlerich dazwischen, der mittlerweile auch herangekommen war. Steckt eure alten Käsemesser wieder ein; hier wird nicht so zugestochen! Wenn ihr nicht eben so betrunken seid, wie der Lump da auf der Erde, so hebt ihn auf und bringt ihn wieder an Bord, oder es geht ihm schlecht! Und wenn all seine Rippen noch heil <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0040"/> ein ausländisches Lied, während Andere dazwischen lachten und schrieen. Johann Ohlerich hörte es mit dumpfem Ohr, indem er dem Geräusch näher und näher kam. Doch er war noch nicht weit gegangen, als ein anderer Lärm ihm die Straße kreuzte. Eine junge Dirne aus dem Ort, die ein trunkener schwedischer Matrose um den Leib gefaßt hatte, machte sich schreiend von ihm los und lief davon; der Andre hinter ihr her. Sie wollte in das nächste Haus hinein; in demselben Augenblick trat aus der Thür ihr Vater, ein eisgrauer alter Lootse, hervor, eine lange Stange in der Hand, mit zornrothem Gesicht, um den frechen Menschen niederschlagen. Doch da seine altersschwachen zitternden Arme die schwere Stange nicht regieren konnten, hatte der Schwede schnell das andere Ende gepackt, zog den Lootsen sammt der Stange an sich heran und holte mit seinem langen Matrosenmesser gegen ihn aus. Es war für Ohlerich schon zu spät, zu Hülfe zu eilen. Der Alte schien verloren, als plötzlich ein junger Mann herzusprang, den man bisher nicht gesehen hatte, und sich mit seinen unbewaffneten Händen vor den Bedrohten hinstellte. Das Messer des Matrosen fuhr nun nach dessen Hand. Doch gleich darauf hatte der junge Mann seinen Gegner an der Brust, und während das Blut aus der Wunde lief, warf er ihn so heftig zurück, daß der trunkene Mensch zu Boden fiel. Der Boden schüttelte, so schwer fiel er hin. Auf seinen Ruf sprangen sogleich ein paar seiner Landsleute aus dem Wirthshaus hervor, schrieen dem jungen Mann in gebrochenem Deutsch drohende Worte zu und traten ihm mit ihren Dolchmessern entgegen.</p><lb/> <p>Nichts da! rief nun Johann Ohlerich dazwischen, der mittlerweile auch herangekommen war. Steckt eure alten Käsemesser wieder ein; hier wird nicht so zugestochen! Wenn ihr nicht eben so betrunken seid, wie der Lump da auf der Erde, so hebt ihn auf und bringt ihn wieder an Bord, oder es geht ihm schlecht! Und wenn all seine Rippen noch heil<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
ein ausländisches Lied, während Andere dazwischen lachten und schrieen. Johann Ohlerich hörte es mit dumpfem Ohr, indem er dem Geräusch näher und näher kam. Doch er war noch nicht weit gegangen, als ein anderer Lärm ihm die Straße kreuzte. Eine junge Dirne aus dem Ort, die ein trunkener schwedischer Matrose um den Leib gefaßt hatte, machte sich schreiend von ihm los und lief davon; der Andre hinter ihr her. Sie wollte in das nächste Haus hinein; in demselben Augenblick trat aus der Thür ihr Vater, ein eisgrauer alter Lootse, hervor, eine lange Stange in der Hand, mit zornrothem Gesicht, um den frechen Menschen niederschlagen. Doch da seine altersschwachen zitternden Arme die schwere Stange nicht regieren konnten, hatte der Schwede schnell das andere Ende gepackt, zog den Lootsen sammt der Stange an sich heran und holte mit seinem langen Matrosenmesser gegen ihn aus. Es war für Ohlerich schon zu spät, zu Hülfe zu eilen. Der Alte schien verloren, als plötzlich ein junger Mann herzusprang, den man bisher nicht gesehen hatte, und sich mit seinen unbewaffneten Händen vor den Bedrohten hinstellte. Das Messer des Matrosen fuhr nun nach dessen Hand. Doch gleich darauf hatte der junge Mann seinen Gegner an der Brust, und während das Blut aus der Wunde lief, warf er ihn so heftig zurück, daß der trunkene Mensch zu Boden fiel. Der Boden schüttelte, so schwer fiel er hin. Auf seinen Ruf sprangen sogleich ein paar seiner Landsleute aus dem Wirthshaus hervor, schrieen dem jungen Mann in gebrochenem Deutsch drohende Worte zu und traten ihm mit ihren Dolchmessern entgegen.
Nichts da! rief nun Johann Ohlerich dazwischen, der mittlerweile auch herangekommen war. Steckt eure alten Käsemesser wieder ein; hier wird nicht so zugestochen! Wenn ihr nicht eben so betrunken seid, wie der Lump da auf der Erde, so hebt ihn auf und bringt ihn wieder an Bord, oder es geht ihm schlecht! Und wenn all seine Rippen noch heil
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/40>, abgerufen am 16.07.2024. |