Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dann an -- mit immer geschlossenen Augen -- aufgeregt zu murmeln. Seine Empörung gegen Ohlerich wachte wieder auf. Es kitzelte ihn, dem Mann gefährlich zu werden. Ihm sehr ernst zu zeigen, wohin die Eifersucht führt; sich gegen ihn als Mann zu bewähren, -- und wenn es auch tragisch ausginge. Liesbeth's rothe Lippen kamen ihm plötzlich so sonderbar nah, er brauchte sich nur ein wenig zu regen, um sie zu berühren. Ganz schwach, wie ein blasser Schatten, flatterte noch einmal sein erster Gedanke vorbei, wie er diese unglückselige Geschichte wieder gut machen könnte. Er flatterte vorüber, und gleich dahinter kam Liesbeth, lachend, Arm in Arm mit ihm selbst, während Johann Ohlerich in der Ferne die Hände ballte, und sein wüthendes Gesicht wie ein Nebel zerfloß. Julius fühlte, wie Liesbeth ihn in ihre Arme drückte, lächelte triumphirend -- und schlief ein. Die Sonne weckte ihn endlich wieder auf, die inzwischen nach Westen zu gesunken war und sich bemühte, unter dem Strohhut weg in sein Gesicht zu sehen. Es erstaunte ihn sehr, daß er das Mittagessen verschlafen hatte; das begegnete ihm heut zum ersten Mal. Er stand auf, und von der Sonnenglut ermattet schlich er langsam nach Haus. Hier empfingen ihn die Seinen mit gerechter Verwunderung. Er fragte, wo Liesbeth sei; man wußte ihm nur zu sagen, daß sie sich wieder nach Hause begeben habe. Ein seltsames Gefühl ging ihm durch die Brust; es gefiel ihm eigentlich nicht, daß sich die Beiden, wie es danach schien, wieder ausgesöhnt hatten. In sich gekehrt aß er, ließ sich zerstreut erzählen, daß am Abend eine "Stromfahrt" mit Musik, bunten Lampen und Feuerwerk sein werde. Das berührte ihn nicht. Ihm schwebte fortwährend eine tragische Verwickelung vor, bei der er sich als Mann bewähren werde. Endlich ging er wieder aus, auf möglichst einsamen Umwegen dem Meere zu. Die große Wasserfläche war ihm zu still; statt der hohen Sturmwogen, die er sich wünschte, zitterten nur spielende Sonnenfunken auf den kleinen Strandwellen dem Ufer zu. dann an — mit immer geschlossenen Augen — aufgeregt zu murmeln. Seine Empörung gegen Ohlerich wachte wieder auf. Es kitzelte ihn, dem Mann gefährlich zu werden. Ihm sehr ernst zu zeigen, wohin die Eifersucht führt; sich gegen ihn als Mann zu bewähren, — und wenn es auch tragisch ausginge. Liesbeth's rothe Lippen kamen ihm plötzlich so sonderbar nah, er brauchte sich nur ein wenig zu regen, um sie zu berühren. Ganz schwach, wie ein blasser Schatten, flatterte noch einmal sein erster Gedanke vorbei, wie er diese unglückselige Geschichte wieder gut machen könnte. Er flatterte vorüber, und gleich dahinter kam Liesbeth, lachend, Arm in Arm mit ihm selbst, während Johann Ohlerich in der Ferne die Hände ballte, und sein wüthendes Gesicht wie ein Nebel zerfloß. Julius fühlte, wie Liesbeth ihn in ihre Arme drückte, lächelte triumphirend — und schlief ein. Die Sonne weckte ihn endlich wieder auf, die inzwischen nach Westen zu gesunken war und sich bemühte, unter dem Strohhut weg in sein Gesicht zu sehen. Es erstaunte ihn sehr, daß er das Mittagessen verschlafen hatte; das begegnete ihm heut zum ersten Mal. Er stand auf, und von der Sonnenglut ermattet schlich er langsam nach Haus. Hier empfingen ihn die Seinen mit gerechter Verwunderung. Er fragte, wo Liesbeth sei; man wußte ihm nur zu sagen, daß sie sich wieder nach Hause begeben habe. Ein seltsames Gefühl ging ihm durch die Brust; es gefiel ihm eigentlich nicht, daß sich die Beiden, wie es danach schien, wieder ausgesöhnt hatten. In sich gekehrt aß er, ließ sich zerstreut erzählen, daß am Abend eine „Stromfahrt“ mit Musik, bunten Lampen und Feuerwerk sein werde. Das berührte ihn nicht. Ihm schwebte fortwährend eine tragische Verwickelung vor, bei der er sich als Mann bewähren werde. Endlich ging er wieder aus, auf möglichst einsamen Umwegen dem Meere zu. Die große Wasserfläche war ihm zu still; statt der hohen Sturmwogen, die er sich wünschte, zitterten nur spielende Sonnenfunken auf den kleinen Strandwellen dem Ufer zu. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0025"/> dann an — mit immer geschlossenen Augen — aufgeregt zu murmeln. Seine Empörung gegen Ohlerich wachte wieder auf. Es kitzelte ihn, dem Mann gefährlich zu werden. 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Er stand auf, und von der Sonnenglut ermattet schlich er langsam nach Haus. Hier empfingen ihn die Seinen mit gerechter Verwunderung. Er fragte, wo Liesbeth sei; man wußte ihm nur zu sagen, daß sie sich wieder nach Hause begeben habe. Ein seltsames Gefühl ging ihm durch die Brust; es gefiel ihm eigentlich nicht, daß sich die Beiden, wie es danach schien, wieder ausgesöhnt hatten. In sich gekehrt aß er, ließ sich zerstreut erzählen, daß am Abend eine „Stromfahrt“ mit Musik, bunten Lampen und Feuerwerk sein werde. Das berührte ihn nicht. Ihm schwebte fortwährend eine tragische Verwickelung vor, bei der er sich als Mann bewähren werde. Endlich ging er wieder aus, auf möglichst einsamen Umwegen dem Meere zu. Die große Wasserfläche war ihm zu still; statt der hohen Sturmwogen, die er sich wünschte, zitterten nur spielende Sonnenfunken auf den kleinen Strandwellen dem Ufer zu.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0025]
dann an — mit immer geschlossenen Augen — aufgeregt zu murmeln. Seine Empörung gegen Ohlerich wachte wieder auf. Es kitzelte ihn, dem Mann gefährlich zu werden. Ihm sehr ernst zu zeigen, wohin die Eifersucht führt; sich gegen ihn als Mann zu bewähren, — und wenn es auch tragisch ausginge. Liesbeth's rothe Lippen kamen ihm plötzlich so sonderbar nah, er brauchte sich nur ein wenig zu regen, um sie zu berühren. Ganz schwach, wie ein blasser Schatten, flatterte noch einmal sein erster Gedanke vorbei, wie er diese unglückselige Geschichte wieder gut machen könnte. Er flatterte vorüber, und gleich dahinter kam Liesbeth, lachend, Arm in Arm mit ihm selbst, während Johann Ohlerich in der Ferne die Hände ballte, und sein wüthendes Gesicht wie ein Nebel zerfloß. Julius fühlte, wie Liesbeth ihn in ihre Arme drückte, lächelte triumphirend — und schlief ein.
Die Sonne weckte ihn endlich wieder auf, die inzwischen nach Westen zu gesunken war und sich bemühte, unter dem Strohhut weg in sein Gesicht zu sehen. Es erstaunte ihn sehr, daß er das Mittagessen verschlafen hatte; das begegnete ihm heut zum ersten Mal. Er stand auf, und von der Sonnenglut ermattet schlich er langsam nach Haus. Hier empfingen ihn die Seinen mit gerechter Verwunderung. Er fragte, wo Liesbeth sei; man wußte ihm nur zu sagen, daß sie sich wieder nach Hause begeben habe. Ein seltsames Gefühl ging ihm durch die Brust; es gefiel ihm eigentlich nicht, daß sich die Beiden, wie es danach schien, wieder ausgesöhnt hatten. In sich gekehrt aß er, ließ sich zerstreut erzählen, daß am Abend eine „Stromfahrt“ mit Musik, bunten Lampen und Feuerwerk sein werde. Das berührte ihn nicht. Ihm schwebte fortwährend eine tragische Verwickelung vor, bei der er sich als Mann bewähren werde. Endlich ging er wieder aus, auf möglichst einsamen Umwegen dem Meere zu. Die große Wasserfläche war ihm zu still; statt der hohen Sturmwogen, die er sich wünschte, zitterten nur spielende Sonnenfunken auf den kleinen Strandwellen dem Ufer zu.
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/25>, abgerufen am 25.07.2024. |