Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nichts Unrechtes geschehen ist, daß ich mit keinem Wort -- -- Aber so steht's nicht zwischen uns, daß ich für mich reden muß! Keine Silb' sag' ich mehr, bis du mir's abgebeten hast, daß du -- daß du von Hongkong nach Warnemünde fährst, um mich in meines Vaters Garten wie ein schlechtes Weibsbild zu belauschen! Wenn ich zu Etwas auf der Welt zu gut bin, Ohlerich, dazu bin ich zu gut. Laß mich ausreden, fall' mir nicht ins Wort! Von deiner Eifersucht hab' ich genug. Damals bei der Hochzeit hättst du's merken können, daß ich mir's vorgenommen hatte, dir das abzugewöhnen. Aber du hast's nicht gelassen. Wenn du mir jetzt nicht abbittest, Ohlerich, so seh' ich dich nicht mehr an -- so weiß ich gar nicht, daß du nach Hause gekommen bist -- so thu' ich, was mir grad einfällt. Warum siehst du mir so ins Gesicht? Ich sage das nicht zum Spaß. Du kennst mich nun doch schon lange! Entweder machst du das Alles wieder gut, oder ich thue, was mir in den Sinn kommt. Johann Ohlerich antwortete nichts, blieb vor ihr stehen und sah ihr steif in die Augen. Indeß sie erwiderte seinen Blick eben so fest. Die scharfen blauen Augen ihres Vaters, die aus ihrem blaß gewordenen Gesicht hervorblitzten, hielten es länger aus. Nach einer Weile fing Ohlerich an, sich auf die Lippe zu beißen, in die Luft zu starren. Das fehlte mir noch! murmelte er endlich. Abbitten! Vor dem jungen Herrn da -- -- Er sah Julius von der Seite an, der möglichst bewegungslos dastand und mit nichts Anderem beschäftigt war, als nach einer zugleich würdigen und nichtssagenden Geberde zu suchen. Vor wem sonst? fiel Liesbeth ein, ohne Julius anzusehen. Vor ihm hast du mir das Alles angethan -- vor ihm sollst du's abbitten. Nein! nein! nein! rief Ohlerich plötzlich wild aus, durch ihren Ton gereizt. Ich will's nicht! Ich thu's nicht! Ich bin der Herr -- nicht du! Zwischen meinen eigenen vier nichts Unrechtes geschehen ist, daß ich mit keinem Wort — — Aber so steht's nicht zwischen uns, daß ich für mich reden muß! Keine Silb' sag' ich mehr, bis du mir's abgebeten hast, daß du — daß du von Hongkong nach Warnemünde fährst, um mich in meines Vaters Garten wie ein schlechtes Weibsbild zu belauschen! Wenn ich zu Etwas auf der Welt zu gut bin, Ohlerich, dazu bin ich zu gut. Laß mich ausreden, fall' mir nicht ins Wort! Von deiner Eifersucht hab' ich genug. Damals bei der Hochzeit hättst du's merken können, daß ich mir's vorgenommen hatte, dir das abzugewöhnen. Aber du hast's nicht gelassen. Wenn du mir jetzt nicht abbittest, Ohlerich, so seh' ich dich nicht mehr an — so weiß ich gar nicht, daß du nach Hause gekommen bist — so thu' ich, was mir grad einfällt. Warum siehst du mir so ins Gesicht? Ich sage das nicht zum Spaß. Du kennst mich nun doch schon lange! Entweder machst du das Alles wieder gut, oder ich thue, was mir in den Sinn kommt. Johann Ohlerich antwortete nichts, blieb vor ihr stehen und sah ihr steif in die Augen. Indeß sie erwiderte seinen Blick eben so fest. Die scharfen blauen Augen ihres Vaters, die aus ihrem blaß gewordenen Gesicht hervorblitzten, hielten es länger aus. Nach einer Weile fing Ohlerich an, sich auf die Lippe zu beißen, in die Luft zu starren. Das fehlte mir noch! murmelte er endlich. Abbitten! Vor dem jungen Herrn da — — Er sah Julius von der Seite an, der möglichst bewegungslos dastand und mit nichts Anderem beschäftigt war, als nach einer zugleich würdigen und nichtssagenden Geberde zu suchen. Vor wem sonst? fiel Liesbeth ein, ohne Julius anzusehen. Vor ihm hast du mir das Alles angethan — vor ihm sollst du's abbitten. Nein! nein! nein! rief Ohlerich plötzlich wild aus, durch ihren Ton gereizt. Ich will's nicht! Ich thu's nicht! Ich bin der Herr — nicht du! Zwischen meinen eigenen vier <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0021"/> nichts Unrechtes geschehen ist, daß ich mit keinem Wort — — Aber so steht's nicht zwischen uns, daß ich für mich reden muß! Keine Silb' sag' ich mehr, bis du mir's abgebeten hast, daß du — daß du von Hongkong nach Warnemünde fährst, um mich in meines Vaters Garten wie ein schlechtes Weibsbild zu belauschen! Wenn ich zu Etwas auf der Welt zu gut bin, Ohlerich, dazu bin ich zu gut. Laß mich ausreden, fall' mir nicht ins Wort! Von deiner Eifersucht hab' ich genug. Damals bei der Hochzeit hättst du's merken können, daß ich mir's vorgenommen hatte, dir das abzugewöhnen. Aber du hast's nicht gelassen. Wenn du mir jetzt nicht abbittest, Ohlerich, so seh' ich dich nicht mehr an — so weiß ich gar nicht, daß du nach Hause gekommen bist — so thu' ich, was mir grad einfällt. Warum siehst du mir so ins Gesicht? Ich sage das nicht zum Spaß. Du kennst mich nun doch schon lange! Entweder machst du das Alles wieder gut, oder ich thue, was mir in den Sinn kommt.</p><lb/> <p>Johann Ohlerich antwortete nichts, blieb vor ihr stehen und sah ihr steif in die Augen. Indeß sie erwiderte seinen Blick eben so fest. Die scharfen blauen Augen ihres Vaters, die aus ihrem blaß gewordenen Gesicht hervorblitzten, hielten es länger aus. Nach einer Weile fing Ohlerich an, sich auf die Lippe zu beißen, in die Luft zu starren. Das fehlte mir noch! murmelte er endlich. Abbitten! 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nichts Unrechtes geschehen ist, daß ich mit keinem Wort — — Aber so steht's nicht zwischen uns, daß ich für mich reden muß! Keine Silb' sag' ich mehr, bis du mir's abgebeten hast, daß du — daß du von Hongkong nach Warnemünde fährst, um mich in meines Vaters Garten wie ein schlechtes Weibsbild zu belauschen! Wenn ich zu Etwas auf der Welt zu gut bin, Ohlerich, dazu bin ich zu gut. Laß mich ausreden, fall' mir nicht ins Wort! Von deiner Eifersucht hab' ich genug. Damals bei der Hochzeit hättst du's merken können, daß ich mir's vorgenommen hatte, dir das abzugewöhnen. Aber du hast's nicht gelassen. Wenn du mir jetzt nicht abbittest, Ohlerich, so seh' ich dich nicht mehr an — so weiß ich gar nicht, daß du nach Hause gekommen bist — so thu' ich, was mir grad einfällt. Warum siehst du mir so ins Gesicht? Ich sage das nicht zum Spaß. Du kennst mich nun doch schon lange! Entweder machst du das Alles wieder gut, oder ich thue, was mir in den Sinn kommt.
Johann Ohlerich antwortete nichts, blieb vor ihr stehen und sah ihr steif in die Augen. Indeß sie erwiderte seinen Blick eben so fest. Die scharfen blauen Augen ihres Vaters, die aus ihrem blaß gewordenen Gesicht hervorblitzten, hielten es länger aus. Nach einer Weile fing Ohlerich an, sich auf die Lippe zu beißen, in die Luft zu starren. Das fehlte mir noch! murmelte er endlich. Abbitten! Vor dem jungen Herrn da — — Er sah Julius von der Seite an, der möglichst bewegungslos dastand und mit nichts Anderem beschäftigt war, als nach einer zugleich würdigen und nichtssagenden Geberde zu suchen.
Vor wem sonst? fiel Liesbeth ein, ohne Julius anzusehen. Vor ihm hast du mir das Alles angethan — vor ihm sollst du's abbitten.
Nein! nein! nein! rief Ohlerich plötzlich wild aus, durch ihren Ton gereizt. Ich will's nicht! Ich thu's nicht! Ich bin der Herr — nicht du! Zwischen meinen eigenen vier
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/21>, abgerufen am 05.07.2024. |