Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.unheimlich zu werden. Julius stand auf, seine Wangen waren feurig geworden, er sah ihr mit offenster Verliebtheit ins Gesicht. Was ich noch sagen wollte, Liesbeth, eh Sie wieder davonlaufen: sind Sie nun wieder zur Vernunft gekommen, haben Sie Ihre Photographie für mich mitgebracht? Sie blieb noch einmal stehen. Er sah sehr hübsch aus, indem er das sagte; aber sie that vor sich selbst, als merke sie es nicht. Mit möglichst grausamem Lächeln antwortete sie und griff dabei in die Tasche: Hier hab' ich eine, -- aber nicht für Sie. Für einen ganz Andern. Warum nicht für mich? Weil Sie nicht artig sind. Was thu' ich denn? Wollen Sie schon wieder ein bischen Mutter spielen? Sie reden so viel dummes Zeug, Julius; das müssen Sie nicht mehr thun. Ich will Ihnen mal was sagen: Sie sind entweder schon zu alt, oder noch zu jung dazu. Wollen Sie mir das glauben? Er war einen Augenblick stumm, -- betroffen, aus dem Munde dieser Frau diese Worte zu hören. Ich will Ihnen das glauben, sagte er dann leichtsinnig lächelnd; aber nun seien Sie auch artig und geben Sie mir diese Photographie. Uebers Jahr! sagte sie kopfschüttelnd und zog dabei das Kärtchen ein wenig hervor, um ihm zu zeigen, wie sie mit ihm spiele. Er wollte danach greifen, aber nun fuhr sie mit der Hand hinter ihren Rücken, ließ die Photographie noch einmal um die Ecke gucken und trat dann zurück. Sie stand schon neben dem Gebüsch, als Julius sie einholte und in seinem Feuer ihren Arm ergriff. So kommen Sie nicht fort! sagte er aufgeregt. Liesbeth, geben Sie her! Diese Photographie muß noch heut' über meinem Schreibtisch hängen, oder ich springe ins Wasser. Da wird's Ihnen Mühe machen, in den Stiefeln zu schwimmen! spottete sie. Lassen Sie mich los! Wir haben unheimlich zu werden. Julius stand auf, seine Wangen waren feurig geworden, er sah ihr mit offenster Verliebtheit ins Gesicht. Was ich noch sagen wollte, Liesbeth, eh Sie wieder davonlaufen: sind Sie nun wieder zur Vernunft gekommen, haben Sie Ihre Photographie für mich mitgebracht? Sie blieb noch einmal stehen. Er sah sehr hübsch aus, indem er das sagte; aber sie that vor sich selbst, als merke sie es nicht. Mit möglichst grausamem Lächeln antwortete sie und griff dabei in die Tasche: Hier hab' ich eine, — aber nicht für Sie. Für einen ganz Andern. Warum nicht für mich? Weil Sie nicht artig sind. Was thu' ich denn? Wollen Sie schon wieder ein bischen Mutter spielen? Sie reden so viel dummes Zeug, Julius; das müssen Sie nicht mehr thun. Ich will Ihnen mal was sagen: Sie sind entweder schon zu alt, oder noch zu jung dazu. Wollen Sie mir das glauben? Er war einen Augenblick stumm, — betroffen, aus dem Munde dieser Frau diese Worte zu hören. Ich will Ihnen das glauben, sagte er dann leichtsinnig lächelnd; aber nun seien Sie auch artig und geben Sie mir diese Photographie. Uebers Jahr! sagte sie kopfschüttelnd und zog dabei das Kärtchen ein wenig hervor, um ihm zu zeigen, wie sie mit ihm spiele. Er wollte danach greifen, aber nun fuhr sie mit der Hand hinter ihren Rücken, ließ die Photographie noch einmal um die Ecke gucken und trat dann zurück. Sie stand schon neben dem Gebüsch, als Julius sie einholte und in seinem Feuer ihren Arm ergriff. So kommen Sie nicht fort! sagte er aufgeregt. Liesbeth, geben Sie her! Diese Photographie muß noch heut' über meinem Schreibtisch hängen, oder ich springe ins Wasser. Da wird's Ihnen Mühe machen, in den Stiefeln zu schwimmen! spottete sie. Lassen Sie mich los! Wir haben <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0018"/> unheimlich zu werden. Julius stand auf, seine Wangen waren feurig geworden, er sah ihr mit offenster Verliebtheit ins Gesicht. Was ich noch sagen wollte, Liesbeth, eh Sie wieder davonlaufen: sind Sie nun wieder zur Vernunft gekommen, haben Sie Ihre Photographie für mich mitgebracht?</p><lb/> <p>Sie blieb noch einmal stehen. Er sah sehr hübsch aus, indem er das sagte; aber sie that vor sich selbst, als merke sie es nicht. Mit möglichst grausamem Lächeln antwortete sie und griff dabei in die Tasche: Hier hab' ich eine, — aber nicht für Sie. Für einen ganz Andern.</p><lb/> <p>Warum nicht für mich?</p><lb/> <p>Weil Sie nicht artig sind.</p><lb/> <p>Was thu' ich denn? Wollen Sie schon wieder ein bischen Mutter spielen?</p><lb/> <p>Sie reden so viel dummes Zeug, Julius; das müssen Sie nicht mehr thun. Ich will Ihnen mal was sagen: Sie sind entweder schon zu alt, oder noch zu jung dazu. Wollen Sie mir das glauben?</p><lb/> <p>Er war einen Augenblick stumm, — betroffen, aus dem Munde dieser Frau diese Worte zu hören. Ich will Ihnen das glauben, sagte er dann leichtsinnig lächelnd; aber nun seien Sie auch artig und geben Sie mir diese Photographie.</p><lb/> <p>Uebers Jahr! sagte sie kopfschüttelnd und zog dabei das Kärtchen ein wenig hervor, um ihm zu zeigen, wie sie mit ihm spiele. Er wollte danach greifen, aber nun fuhr sie mit der Hand hinter ihren Rücken, ließ die Photographie noch einmal um die Ecke gucken und trat dann zurück. Sie stand schon neben dem Gebüsch, als Julius sie einholte und in seinem Feuer ihren Arm ergriff. So kommen Sie nicht fort! sagte er aufgeregt. Liesbeth, geben Sie her! Diese Photographie muß noch heut' über meinem Schreibtisch hängen, oder ich springe ins Wasser.</p><lb/> <p>Da wird's Ihnen Mühe machen, in den Stiefeln zu schwimmen! spottete sie. Lassen Sie mich los! Wir haben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
unheimlich zu werden. Julius stand auf, seine Wangen waren feurig geworden, er sah ihr mit offenster Verliebtheit ins Gesicht. Was ich noch sagen wollte, Liesbeth, eh Sie wieder davonlaufen: sind Sie nun wieder zur Vernunft gekommen, haben Sie Ihre Photographie für mich mitgebracht?
Sie blieb noch einmal stehen. Er sah sehr hübsch aus, indem er das sagte; aber sie that vor sich selbst, als merke sie es nicht. Mit möglichst grausamem Lächeln antwortete sie und griff dabei in die Tasche: Hier hab' ich eine, — aber nicht für Sie. Für einen ganz Andern.
Warum nicht für mich?
Weil Sie nicht artig sind.
Was thu' ich denn? Wollen Sie schon wieder ein bischen Mutter spielen?
Sie reden so viel dummes Zeug, Julius; das müssen Sie nicht mehr thun. Ich will Ihnen mal was sagen: Sie sind entweder schon zu alt, oder noch zu jung dazu. Wollen Sie mir das glauben?
Er war einen Augenblick stumm, — betroffen, aus dem Munde dieser Frau diese Worte zu hören. Ich will Ihnen das glauben, sagte er dann leichtsinnig lächelnd; aber nun seien Sie auch artig und geben Sie mir diese Photographie.
Uebers Jahr! sagte sie kopfschüttelnd und zog dabei das Kärtchen ein wenig hervor, um ihm zu zeigen, wie sie mit ihm spiele. Er wollte danach greifen, aber nun fuhr sie mit der Hand hinter ihren Rücken, ließ die Photographie noch einmal um die Ecke gucken und trat dann zurück. Sie stand schon neben dem Gebüsch, als Julius sie einholte und in seinem Feuer ihren Arm ergriff. So kommen Sie nicht fort! sagte er aufgeregt. Liesbeth, geben Sie her! Diese Photographie muß noch heut' über meinem Schreibtisch hängen, oder ich springe ins Wasser.
Da wird's Ihnen Mühe machen, in den Stiefeln zu schwimmen! spottete sie. Lassen Sie mich los! Wir haben
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/18 |
Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/18>, abgerufen am 25.07.2024. |