Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Sie heute Morgen all das Süßholz her, Julius? Sind Sie schon so früh beim Kaufmann gewesen? -- Sie sah ihn mit einem Blick über die Achsel an, der, so spöttisch er war, seine ganze Begehrlichkeit in Brand steckte. Es ist nichts so verführerisch, wie ein muthwilliger Blick; vielleicht, daß sie doch eine Ahnung davon hatte. Was reden Sie von Süßholz, Liesbeth? Ich will es wissenschaftlich beweisen, daß Sie für dies Leben hier zu gut sind! Sie machen zwar jetzt so ein strenges Gesicht wie Ihr Vater, so ein Lootsengesicht; aber im dunkelsten Kämmerlein Ihres Herzens sieht es doch anders aus. Sie haben Gefühle, Liesbeth. Leugnen Sie es nicht ab. Sie haben zuweilen lyrische Gefühle -- Was heißt das? unterbrach sie ihn. Er ließ sich dadurch nicht stören, sondern rief aus: Für Johann Ohlerich war auch eine Andre gut genug; warum mußte er Sie gerade heirathen? Hinter dem Gebüsch raschelte es wieder. Liesbeth und Julius hörten es alle Beide; aber der junge Mann horchte nur flüchtig auf, Liesbeth sah sich um, ohne etwas zu sehen. Sie reden so schöne Sachen! sagte sie dann mit drolliger Ironie; schade, daß ich allein davon profitire, daß mein Mann es nicht hört! Er hat sich wohl damals die Sache nicht überlegt, nun könnt' er sich ein großes Licht von Ihnen aufstecken lasten! Er sollte nur kommen! rief Julius zuversichtlich aus. Was ich da sage, ist eine ewige Wahrheit, und wenn er Verstand hat, muß er's ja selber begreifen. Man könnte das Alles -- -- er stutzte einen Augenblick vor dem, was er sagen wollte, doch sogleich fuhr er muthig fort: Man könnte das Alles von der Kanzel herunter wiederholen, was ich da eben gesagt habe! Nun, so warten wir bis zum Sonntag! erwiderte sie lachend, nahm ihre Bohnenschüssel und wollte gehen. Es schien ihr bei diesen sonderbaren Erörterungen doch etwas Sie heute Morgen all das Süßholz her, Julius? Sind Sie schon so früh beim Kaufmann gewesen? — Sie sah ihn mit einem Blick über die Achsel an, der, so spöttisch er war, seine ganze Begehrlichkeit in Brand steckte. Es ist nichts so verführerisch, wie ein muthwilliger Blick; vielleicht, daß sie doch eine Ahnung davon hatte. Was reden Sie von Süßholz, Liesbeth? Ich will es wissenschaftlich beweisen, daß Sie für dies Leben hier zu gut sind! Sie machen zwar jetzt so ein strenges Gesicht wie Ihr Vater, so ein Lootsengesicht; aber im dunkelsten Kämmerlein Ihres Herzens sieht es doch anders aus. Sie haben Gefühle, Liesbeth. Leugnen Sie es nicht ab. Sie haben zuweilen lyrische Gefühle — Was heißt das? unterbrach sie ihn. Er ließ sich dadurch nicht stören, sondern rief aus: Für Johann Ohlerich war auch eine Andre gut genug; warum mußte er Sie gerade heirathen? Hinter dem Gebüsch raschelte es wieder. Liesbeth und Julius hörten es alle Beide; aber der junge Mann horchte nur flüchtig auf, Liesbeth sah sich um, ohne etwas zu sehen. Sie reden so schöne Sachen! sagte sie dann mit drolliger Ironie; schade, daß ich allein davon profitire, daß mein Mann es nicht hört! Er hat sich wohl damals die Sache nicht überlegt, nun könnt' er sich ein großes Licht von Ihnen aufstecken lasten! Er sollte nur kommen! rief Julius zuversichtlich aus. Was ich da sage, ist eine ewige Wahrheit, und wenn er Verstand hat, muß er's ja selber begreifen. Man könnte das Alles — — er stutzte einen Augenblick vor dem, was er sagen wollte, doch sogleich fuhr er muthig fort: Man könnte das Alles von der Kanzel herunter wiederholen, was ich da eben gesagt habe! 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Sie heute Morgen all das Süßholz her, Julius? Sind Sie schon so früh beim Kaufmann gewesen? — Sie sah ihn mit einem Blick über die Achsel an, der, so spöttisch er war, seine ganze Begehrlichkeit in Brand steckte. Es ist nichts so verführerisch, wie ein muthwilliger Blick; vielleicht, daß sie doch eine Ahnung davon hatte.
Was reden Sie von Süßholz, Liesbeth? Ich will es wissenschaftlich beweisen, daß Sie für dies Leben hier zu gut sind! Sie machen zwar jetzt so ein strenges Gesicht wie Ihr Vater, so ein Lootsengesicht; aber im dunkelsten Kämmerlein Ihres Herzens sieht es doch anders aus. Sie haben Gefühle, Liesbeth. Leugnen Sie es nicht ab. Sie haben zuweilen lyrische Gefühle —
Was heißt das? unterbrach sie ihn. Er ließ sich dadurch nicht stören, sondern rief aus: Für Johann Ohlerich war auch eine Andre gut genug; warum mußte er Sie gerade heirathen?
Hinter dem Gebüsch raschelte es wieder. Liesbeth und Julius hörten es alle Beide; aber der junge Mann horchte nur flüchtig auf, Liesbeth sah sich um, ohne etwas zu sehen. Sie reden so schöne Sachen! sagte sie dann mit drolliger Ironie; schade, daß ich allein davon profitire, daß mein Mann es nicht hört! Er hat sich wohl damals die Sache nicht überlegt, nun könnt' er sich ein großes Licht von Ihnen aufstecken lasten!
Er sollte nur kommen! rief Julius zuversichtlich aus. Was ich da sage, ist eine ewige Wahrheit, und wenn er Verstand hat, muß er's ja selber begreifen. Man könnte das Alles — — er stutzte einen Augenblick vor dem, was er sagen wollte, doch sogleich fuhr er muthig fort: Man könnte das Alles von der Kanzel herunter wiederholen, was ich da eben gesagt habe!
Nun, so warten wir bis zum Sonntag! erwiderte sie lachend, nahm ihre Bohnenschüssel und wollte gehen. Es schien ihr bei diesen sonderbaren Erörterungen doch etwas
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/17>, abgerufen am 05.07.2024. |