Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Kühe, langgestreckte Dörfer zogen vorbei, die Tannen am flachen Lande schienen hinter einander fort zu gehen, die weißen Möven flogen darüber hin, -- und so im Gefühl der allgemeinen Bewegung, die seine Ungeduld dämpfte, stand er am Bugspriet, ohne sich zu rühren, wie für das Gallion aus Holz geschnitzt, und suchte sich gleichzeitig vorzustellen, daß seine Frau ihm treu sei, und daß er sie gleichwohl mit dem Herrn Julius finden und diesen Jüngling mit einem Faustschlag niederstrecken werde. Die kurze Fahrt ging mittlerweile ihrem Ende zu; der Fluß, der sich vor seiner Mündung zu einem stattlichen See, dem "Breitling", erweitert, zog sich auf einmal in einen Wasserfaden zusammen, und die kleinen, spitzgiebeligen Häuser von Warnemünde, die bis ans Meer neben ihm her gehen, wuchsen heran. Johann Ohlerich sah die Wellen seines Dampfers gegen das Bollwerk ziehen, die alten Lootsen vor den Hausthüren auf den Bänken sitzen und ihre Pfeife rauchen, die Kinder am Wasser spielen, die Frauen mit übereinandergelegten Händen nach dem Dampfschiff sehn; es wurde ihm heimathlich und weich zu Muth. Nun kam auch sein Häuschen hervor, das nicht weit von dem des Schwiegervaters in der langen Uferreihe lag, und er spähte, ob er seine Liesbeth nicht entdecken werde. Doch außer einigen Geraniumtöpfen an den Fenstern und einem neuen Anstrich der Thür und der Bank war nichts Hübsches zu sehen. Nur seinen kleinen Jungen glaubte er herzhaft, mit der bekannten Ohlerich'schen Stimme, schreien zu hören; das that ihm wohl. Sie dampften nun auch am Haus des Schwiegervaters vorbei; hier war Alles leer und still. Das Schiff legte an, Johann Ohlerich stieg aus, mit dem etwas unsicheren Seemannsgang, der an künstlichere Aufgaben für das Gleichgewicht gewöhnt ist. Er grüßte hier und dort, ohne still zu stehen, und in der warmen Sonne und gelinder Auflegung hinträumend, wanderte er dem Wiedersehen zu. Das Haus seines Schwiegervaters kam zuerst, eines der Kühe, langgestreckte Dörfer zogen vorbei, die Tannen am flachen Lande schienen hinter einander fort zu gehen, die weißen Möven flogen darüber hin, — und so im Gefühl der allgemeinen Bewegung, die seine Ungeduld dämpfte, stand er am Bugspriet, ohne sich zu rühren, wie für das Gallion aus Holz geschnitzt, und suchte sich gleichzeitig vorzustellen, daß seine Frau ihm treu sei, und daß er sie gleichwohl mit dem Herrn Julius finden und diesen Jüngling mit einem Faustschlag niederstrecken werde. Die kurze Fahrt ging mittlerweile ihrem Ende zu; der Fluß, der sich vor seiner Mündung zu einem stattlichen See, dem „Breitling“, erweitert, zog sich auf einmal in einen Wasserfaden zusammen, und die kleinen, spitzgiebeligen Häuser von Warnemünde, die bis ans Meer neben ihm her gehen, wuchsen heran. Johann Ohlerich sah die Wellen seines Dampfers gegen das Bollwerk ziehen, die alten Lootsen vor den Hausthüren auf den Bänken sitzen und ihre Pfeife rauchen, die Kinder am Wasser spielen, die Frauen mit übereinandergelegten Händen nach dem Dampfschiff sehn; es wurde ihm heimathlich und weich zu Muth. Nun kam auch sein Häuschen hervor, das nicht weit von dem des Schwiegervaters in der langen Uferreihe lag, und er spähte, ob er seine Liesbeth nicht entdecken werde. Doch außer einigen Geraniumtöpfen an den Fenstern und einem neuen Anstrich der Thür und der Bank war nichts Hübsches zu sehen. Nur seinen kleinen Jungen glaubte er herzhaft, mit der bekannten Ohlerich'schen Stimme, schreien zu hören; das that ihm wohl. Sie dampften nun auch am Haus des Schwiegervaters vorbei; hier war Alles leer und still. Das Schiff legte an, Johann Ohlerich stieg aus, mit dem etwas unsicheren Seemannsgang, der an künstlichere Aufgaben für das Gleichgewicht gewöhnt ist. Er grüßte hier und dort, ohne still zu stehen, und in der warmen Sonne und gelinder Auflegung hinträumend, wanderte er dem Wiedersehen zu. 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Johann Ohlerich sah die Wellen seines Dampfers gegen das Bollwerk ziehen, die alten Lootsen vor den Hausthüren auf den Bänken sitzen und ihre Pfeife rauchen, die Kinder am Wasser spielen, die Frauen mit übereinandergelegten Händen nach dem Dampfschiff sehn; es wurde ihm heimathlich und weich zu Muth. Nun kam auch sein Häuschen hervor, das nicht weit von dem des Schwiegervaters in der langen Uferreihe lag, und er spähte, ob er seine Liesbeth nicht entdecken werde. Doch außer einigen Geraniumtöpfen an den Fenstern und einem neuen Anstrich der Thür und der Bank war nichts Hübsches zu sehen. Nur seinen kleinen Jungen glaubte er herzhaft, mit der bekannten Ohlerich'schen Stimme, schreien zu hören; das that ihm wohl. Sie dampften nun auch am Haus des Schwiegervaters vorbei; hier war Alles leer und still. Das Schiff legte an, Johann Ohlerich stieg aus, mit dem etwas unsicheren Seemannsgang, der an künstlichere Aufgaben für das Gleichgewicht gewöhnt ist. 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Kühe, langgestreckte Dörfer zogen vorbei, die Tannen am flachen Lande schienen hinter einander fort zu gehen, die weißen Möven flogen darüber hin, — und so im Gefühl der allgemeinen Bewegung, die seine Ungeduld dämpfte, stand er am Bugspriet, ohne sich zu rühren, wie für das Gallion aus Holz geschnitzt, und suchte sich gleichzeitig vorzustellen, daß seine Frau ihm treu sei, und daß er sie gleichwohl mit dem Herrn Julius finden und diesen Jüngling mit einem Faustschlag niederstrecken werde.
Die kurze Fahrt ging mittlerweile ihrem Ende zu; der Fluß, der sich vor seiner Mündung zu einem stattlichen See, dem „Breitling“, erweitert, zog sich auf einmal in einen Wasserfaden zusammen, und die kleinen, spitzgiebeligen Häuser von Warnemünde, die bis ans Meer neben ihm her gehen, wuchsen heran. Johann Ohlerich sah die Wellen seines Dampfers gegen das Bollwerk ziehen, die alten Lootsen vor den Hausthüren auf den Bänken sitzen und ihre Pfeife rauchen, die Kinder am Wasser spielen, die Frauen mit übereinandergelegten Händen nach dem Dampfschiff sehn; es wurde ihm heimathlich und weich zu Muth. Nun kam auch sein Häuschen hervor, das nicht weit von dem des Schwiegervaters in der langen Uferreihe lag, und er spähte, ob er seine Liesbeth nicht entdecken werde. Doch außer einigen Geraniumtöpfen an den Fenstern und einem neuen Anstrich der Thür und der Bank war nichts Hübsches zu sehen. Nur seinen kleinen Jungen glaubte er herzhaft, mit der bekannten Ohlerich'schen Stimme, schreien zu hören; das that ihm wohl. Sie dampften nun auch am Haus des Schwiegervaters vorbei; hier war Alles leer und still. Das Schiff legte an, Johann Ohlerich stieg aus, mit dem etwas unsicheren Seemannsgang, der an künstlichere Aufgaben für das Gleichgewicht gewöhnt ist. Er grüßte hier und dort, ohne still zu stehen, und in der warmen Sonne und gelinder Auflegung hinträumend, wanderte er dem Wiedersehen zu.
Das Haus seines Schwiegervaters kam zuerst, eines der
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/13>, abgerufen am 05.07.2024. |