Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Das leben des Euripides. nicht denkbar 72). auch von Sophokles sind mindestens Phineus und Tereusdurch die nordischen kleruchien in der färbung bestimmt. die sagen der übrigen Reichsstädte treten dagegen ganz auffallend zurück 73): man be- denke, Chios Samos Miletos Kolophon Kos Rhodos Naxos Keos Euboia, jeder ort hatte mindestens so viel zum teil altberühmte sagen zu bieten wie Athen. aber die Athener hören lieber von Theben Argos Korinth Sparta; Ionien sollte in Athen aufgehen, das Reich nur die empfindungen seines hauptes mit und nachfühlen. von den ruhmvolleren gegnern nahm man vorab ihren alten stolzen sagenschatz: der politische anschluss sollte folgen. Mit dem stoffe ist dem dichter oft recht wenig gegeben, und oft be- 72) Es ist die erwerbung der landschaft Phyllis am untern Strymon durch Herakles. die sage selbst ist aber schwerlich dort gewachsen, da Suleus ein redender name ist, der neben dem bruder Dikaios in einer thessalischen sage (Konon 17) wiederkehrt; der inhalt aber ist derselbe in dem volksliede der schnitter vom Lyder Lityerses. Herakles zeigt, dass Athener die Syleussage nicht gebildet haben; vor ihnen waren ja auch Nesioten in jener gegend, und die bewohner der Chalki- dike und der insel Thasos verehren Herakles als gründer ihrer cultur; in Amphi- polis wohnten sehr viele Akanthier. die attische sage, die nachher die Syleussage verdrängt hat, ist die von der eponymen heroine Phyllis und einem Theseus- sohn. sie ist aber erst im 4. jahrhundert nachweisbar, gehört also der zweiten besetzung von Amphipolis an. die Syleussage tritt gleichzeitig mit dem euripidei- schen drama in der vasenmalerei auf (Annali 1878 C): sollte sie im 6. jahrhundert schon dargestellt sein, so erhöhte das bedeutend die bedeutung der damaligen ver- bindung von Athen mit Thrakien (Jahrbuch des Arch. Inst. II 229). es leuchtet ein, dass Euripides nach dem verlust von Amphipolis 424 den Syleus nicht mehr schreiben konnte, und lange vor der gründung (438) ist es mindestens recht unwahrscheinlich. so haben wir für ein satyrspiel ein annäherndes datum. 73) Aischylos mag die Europa aus Milet, Sophokles den Kedalion aus Chios haben. die Perseussage, die auf Seriphos spielt, ist alles andere eher als seriphisch. denn für sie ist die insel das gottverlassene elende felseneiland, das sie, wie die tributlisten lehren, zur zeit des Reiches nicht war. in dem rufe stand sie freilich auch damals (Kratinos Seriphier, Aristoph. Ach. 542. Plat. Staat 330a), aber das war aus der alten sage geerbt; schon 479 ist Seriphos trotz seines gerechten an- spruches (Herod. VIII 46) nicht in den Hellenenbund aufgenommen. 74) Die stellen bei Hiller in der satura Sauppiana 73. ganz sicher ist es nicht,
dass Hieronymos die sache richtig aufgefasst hat, aber wahrscheinlich. Das leben des Euripides. nicht denkbar 72). auch von Sophokles sind mindestens Phineus und Tereusdurch die nordischen kleruchien in der färbung bestimmt. die sagen der übrigen Reichsstädte treten dagegen ganz auffallend zurück 73): man be- denke, Chios Samos Miletos Kolophon Kos Rhodos Naxos Keos Euboia, jeder ort hatte mindestens so viel zum teil altberühmte sagen zu bieten wie Athen. aber die Athener hören lieber von Theben Argos Korinth Sparta; Ionien sollte in Athen aufgehen, das Reich nur die empfindungen seines hauptes mit und nachfühlen. von den ruhmvolleren gegnern nahm man vorab ihren alten stolzen sagenschatz: der politische anschluſs sollte folgen. Mit dem stoffe ist dem dichter oft recht wenig gegeben, und oft be- 72) Es ist die erwerbung der landschaft Phyllis am untern Strymon durch Herakles. die sage selbst ist aber schwerlich dort gewachsen, da Συλεύς ein redender name ist, der neben dem bruder Δίκαιος in einer thessalischen sage (Konon 17) wiederkehrt; der inhalt aber ist derselbe in dem volksliede der schnitter vom Lyder Lityerses. Herakles zeigt, daſs Athener die Syleussage nicht gebildet haben; vor ihnen waren ja auch Nesioten in jener gegend, und die bewohner der Chalki- dike und der insel Thasos verehren Herakles als gründer ihrer cultur; in Amphi- polis wohnten sehr viele Akanthier. die attische sage, die nachher die Syleussage verdrängt hat, ist die von der eponymen heroine Phyllis und einem Theseus- sohn. sie ist aber erst im 4. jahrhundert nachweisbar, gehört also der zweiten besetzung von Amphipolis an. die Syleussage tritt gleichzeitig mit dem euripidei- schen drama in der vasenmalerei auf (Annali 1878 C): sollte sie im 6. jahrhundert schon dargestellt sein, so erhöhte das bedeutend die bedeutung der damaligen ver- bindung von Athen mit Thrakien (Jahrbuch des Arch. Inst. II 229). es leuchtet ein, daſs Euripides nach dem verlust von Amphipolis 424 den Syleus nicht mehr schreiben konnte, und lange vor der gründung (438) ist es mindestens recht unwahrscheinlich. so haben wir für ein satyrspiel ein annäherndes datum. 73) Aischylos mag die Europa aus Milet, Sophokles den Kedalion aus Chios haben. die Perseussage, die auf Seriphos spielt, ist alles andere eher als seriphisch. denn für sie ist die insel das gottverlassene elende felseneiland, das sie, wie die tributlisten lehren, zur zeit des Reiches nicht war. in dem rufe stand sie freilich auch damals (Kratinos Seriphier, Aristoph. Ach. 542. Plat. Staat 330a), aber das war aus der alten sage geerbt; schon 479 ist Seriphos trotz seines gerechten an- spruches (Herod. VIII 46) nicht in den Hellenenbund aufgenommen. 74) Die stellen bei Hiller in der satura Sauppiana 73. ganz sicher ist es nicht,
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Das leben des Euripides.
nicht denkbar 72). auch von Sophokles sind mindestens Phineus und Tereus
durch die nordischen kleruchien in der färbung bestimmt. die sagen der
übrigen Reichsstädte treten dagegen ganz auffallend zurück 73): man be-
denke, Chios Samos Miletos Kolophon Kos Rhodos Naxos Keos Euboia,
jeder ort hatte mindestens so viel zum teil altberühmte sagen zu bieten
wie Athen. aber die Athener hören lieber von Theben Argos Korinth
Sparta; Ionien sollte in Athen aufgehen, das Reich nur die empfindungen
seines hauptes mit und nachfühlen. von den ruhmvolleren gegnern
nahm man vorab ihren alten stolzen sagenschatz: der politische anschluſs
sollte folgen.
Mit dem stoffe ist dem dichter oft recht wenig gegeben, und oft be-
währt er sich an ihm als dichter schon ehe die ausgestaltung beginnt.
manches mal wird vorgekommen sein, was wir dank dem sonst wenig
erfreulichen peripatetiker Hieronymos von dem euripideischen Phoinix
wissen, daſs ein fruchtbares motiv irgendwo in unscheinbarer localsage auf-
gegriffen aber auf einen altberühmten heroischen namen übertragen ward 74).
dem steht nahe, daſs der dichter um einer dürftigen fabel fülle zu geben,
72) Es ist die erwerbung der landschaft Phyllis am untern Strymon durch
Herakles. die sage selbst ist aber schwerlich dort gewachsen, da Συλεύς ein redender
name ist, der neben dem bruder Δίκαιος in einer thessalischen sage (Konon 17)
wiederkehrt; der inhalt aber ist derselbe in dem volksliede der schnitter vom Lyder
Lityerses. Herakles zeigt, daſs Athener die Syleussage nicht gebildet haben; vor
ihnen waren ja auch Nesioten in jener gegend, und die bewohner der Chalki-
dike und der insel Thasos verehren Herakles als gründer ihrer cultur; in Amphi-
polis wohnten sehr viele Akanthier. die attische sage, die nachher die Syleussage
verdrängt hat, ist die von der eponymen heroine Phyllis und einem Theseus-
sohn. sie ist aber erst im 4. jahrhundert nachweisbar, gehört also der zweiten
besetzung von Amphipolis an. die Syleussage tritt gleichzeitig mit dem euripidei-
schen drama in der vasenmalerei auf (Annali 1878 C): sollte sie im 6. jahrhundert
schon dargestellt sein, so erhöhte das bedeutend die bedeutung der damaligen ver-
bindung von Athen mit Thrakien (Jahrbuch des Arch. Inst. II 229). es leuchtet ein,
daſs Euripides nach dem verlust von Amphipolis 424 den Syleus nicht mehr schreiben
konnte, und lange vor der gründung (438) ist es mindestens recht unwahrscheinlich.
so haben wir für ein satyrspiel ein annäherndes datum.
73) Aischylos mag die Europa aus Milet, Sophokles den Kedalion aus Chios
haben. die Perseussage, die auf Seriphos spielt, ist alles andere eher als seriphisch.
denn für sie ist die insel das gottverlassene elende felseneiland, das sie, wie die
tributlisten lehren, zur zeit des Reiches nicht war. in dem rufe stand sie freilich
auch damals (Kratinos Seriphier, Aristoph. Ach. 542. Plat. Staat 330a), aber das
war aus der alten sage geerbt; schon 479 ist Seriphos trotz seines gerechten an-
spruches (Herod. VIII 46) nicht in den Hellenenbund aufgenommen.
74) Die stellen bei Hiller in der satura Sauppiana 73. ganz sicher ist es nicht,
daſs Hieronymos die sache richtig aufgefaſst hat, aber wahrscheinlich.
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