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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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Der Herakles des Euripides.
jeder gelegenheit einschärft, dass 'wir', die herrschaft und sie selbst,
also belieben.

Lyssa unterscheidet sich nur im namen von den andern verderben und
tod bringenden dämonen, welche in der archaischen kunst besonders zahl-
reich sind, auch auf der bühne der grossen zeit eingebürgert, wenn auch
vielleicht nicht so häufig, wie in der späteren effecthaschenden zeit 48).
wie die mythischen genealogien dieser wesen wechseln, so auch ihr name,
zumal da den späteren die alte erhabene bedeutung der Erinys schwand,
so dass diese sich auch mit anderen höllenwesen vermischte und als der
bekannteste der allgemeine name ward. so heisst denn der dämon des
euripideischen Herakles selbst bei einem berichterstatter Erinys; Euri-
pides redet neben ihr von Poinai, ein name der auch sonst vorkommt,
Assteas (oben s. 324) lässt dem kindermorde Mania zuschauen, u. s. w.
es kommt auf den namen also wenig an. aber Lyssa selbst war unter
diesem namen von Aischylos in der dramatisirung der Pentheussage ein-
geführt 49), und da sie auf einem vasenbilde der edelsten malerei in
ionischer, nicht attischer form Lus(s)a heisst 50), so war sie dem maler
aus der litteratur bekannt. auch Euripides selbst hatte zwar nicht Lyssa,
aber eine wahnsinn sendende Erinys in dem drama eingeführt, welches
man am liebsten mit diesen scenen des Herakles vergleichen möchte, das
aber bisher ganz unklar ist, dem Alkmeon 51), den er 438 mit Telephos

48) Die Armut des aristophanischen Plutos wird für eine Erinus ek tragodias
gehalten, 422. Poinai en tais tragodiais Aischin. 1, 190. im costüm einer Erinys
läuft der s. g. kynische philosoph Menedemos herum, Diogen. Laert. 6, 102. eine
ganze reihe solcher personificationen führt das verzeichnis der masken für das repertoir
der hellenistischen zeit an, das bei Pollux IV 141 steht; auch Lyssa ist darunter
u. dgl. m. eine anzahl von darstellungen auf vasen verzeichnet Körte, über die dar-
stellung psychologischer affecte in der vasenmalerei.
49) In den Xantrien 163. es sind worte, die Lussa epitheiazousa tais Bakkhais
sprach. doch bleibt die möglichkeit, dass sie nur in einer botenrede standen. eine
sichere herstellung des inhaltes der aischyleischen Pentheusdramen ist noch nicht
gelungen.
50) Ann. dell' instit. 1885.
51) Tatian 24 o kata ton Euripiden mainomenos kai ten Alkmaionos metro-
ktonian apaggellon, o mede to oikeion prosesti skhema, kekhenen de mega kai
xiphos peripherei kai kekragos pimpratai kai phorei stolen apanthropon. der
bericht des seine vorlage plump wiedergebenden rhetors lässt unklar, welche rolle
der schauspieler gab, der den muttermord erzählt; man denkt zunächst an Alkmeon
selbst, aber dass er im wahnsinn eine besondere maske getragen hätte, ist unglaub-
lich, und eher dürfte das costüm der Erinys zu grunde liegen, und der verkehrte
und unverständliche ausdruck 'er brennt schreiend' auf die fackeln der göttin in
der quelle bezogen sein. dass sie vorkam, hatte ich längst geschlossen, ehe ich auf

Der Herakles des Euripides.
jeder gelegenheit einschärft, daſs ‘wir’, die herrschaft und sie selbst,
also belieben.

Lyssa unterscheidet sich nur im namen von den andern verderben und
tod bringenden dämonen, welche in der archaischen kunst besonders zahl-
reich sind, auch auf der bühne der groſsen zeit eingebürgert, wenn auch
vielleicht nicht so häufig, wie in der späteren effecthaschenden zeit 48).
wie die mythischen genealogien dieser wesen wechseln, so auch ihr name,
zumal da den späteren die alte erhabene bedeutung der Erinys schwand,
so daſs diese sich auch mit anderen höllenwesen vermischte und als der
bekannteste der allgemeine name ward. so heiſst denn der dämon des
euripideischen Herakles selbst bei einem berichterstatter Erinys; Euri-
pides redet neben ihr von Ποιναί, ein name der auch sonst vorkommt,
Assteas (oben s. 324) läſst dem kindermorde Μανία zuschauen, u. s. w.
es kommt auf den namen also wenig an. aber Lyssa selbst war unter
diesem namen von Aischylos in der dramatisirung der Pentheussage ein-
geführt 49), und da sie auf einem vasenbilde der edelsten malerei in
ionischer, nicht attischer form Λύσ(σ)α heiſst 50), so war sie dem maler
aus der litteratur bekannt. auch Euripides selbst hatte zwar nicht Lyssa,
aber eine wahnsinn sendende Erinys in dem drama eingeführt, welches
man am liebsten mit diesen scenen des Herakles vergleichen möchte, das
aber bisher ganz unklar ist, dem Alkmeon 51), den er 438 mit Telephos

48) Die Armut des aristophanischen Plutos wird für eine Ἐρινὺς ἐκ τραγῳδίας
gehalten, 422. Ποιναὶ ἐν ταῖς τραγῳδίαις Aischin. 1, 190. im costüm einer Erinys
läuft der s. g. kynische philosoph Menedemos herum, Diogen. Laert. 6, 102. eine
ganze reihe solcher personificationen führt das verzeichnis der masken für das repertoir
der hellenistischen zeit an, das bei Pollux IV 141 steht; auch Lyssa ist darunter
u. dgl. m. eine anzahl von darstellungen auf vasen verzeichnet Körte, über die dar-
stellung psychologischer affecte in der vasenmalerei.
49) In den Xantrien 163. es sind worte, die Λύσσα ἐπιϑειάζουσα ταῖς Βάκχαις
sprach. doch bleibt die möglichkeit, daſs sie nur in einer botenrede standen. eine
sichere herstellung des inhaltes der aischyleischen Pentheusdramen ist noch nicht
gelungen.
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51) Tatian 24 ὁ κατὰ τὸν Εὐριπίδην μαινόμενος καὶ τὴν Ἀλκμαίονος μητρο-
κτονίαν ἀπαγγέλλων, ᾧ μηδὲ τὸ οἰκεῖον πρόσεστι σχῆμα, κέχηνεν δὲ μέγα καὶ
ξίφος περιφέρει καὶ κεκραγὼς πίμπραται καὶ φορεῖ στολὴν ἀπάνϑρωπον. der
bericht des seine vorlage plump wiedergebenden rhetors läſst unklar, welche rolle
der schauspieler gab, der den muttermord erzählt; man denkt zunächst an Alkmeon
selbst, aber daſs er im wahnsinn eine besondere maske getragen hätte, ist unglaub-
lich, und eher dürfte das costüm der Erinys zu grunde liegen, und der verkehrte
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[370/0390] Der Herakles des Euripides. jeder gelegenheit einschärft, daſs ‘wir’, die herrschaft und sie selbst, also belieben. Lyssa unterscheidet sich nur im namen von den andern verderben und tod bringenden dämonen, welche in der archaischen kunst besonders zahl- reich sind, auch auf der bühne der groſsen zeit eingebürgert, wenn auch vielleicht nicht so häufig, wie in der späteren effecthaschenden zeit 48). wie die mythischen genealogien dieser wesen wechseln, so auch ihr name, zumal da den späteren die alte erhabene bedeutung der Erinys schwand, so daſs diese sich auch mit anderen höllenwesen vermischte und als der bekannteste der allgemeine name ward. so heiſst denn der dämon des euripideischen Herakles selbst bei einem berichterstatter Erinys; Euri- pides redet neben ihr von Ποιναί, ein name der auch sonst vorkommt, Assteas (oben s. 324) läſst dem kindermorde Μανία zuschauen, u. s. w. es kommt auf den namen also wenig an. aber Lyssa selbst war unter diesem namen von Aischylos in der dramatisirung der Pentheussage ein- geführt 49), und da sie auf einem vasenbilde der edelsten malerei in ionischer, nicht attischer form Λύσ(σ)α heiſst 50), so war sie dem maler aus der litteratur bekannt. auch Euripides selbst hatte zwar nicht Lyssa, aber eine wahnsinn sendende Erinys in dem drama eingeführt, welches man am liebsten mit diesen scenen des Herakles vergleichen möchte, das aber bisher ganz unklar ist, dem Alkmeon 51), den er 438 mit Telephos 48) Die Armut des aristophanischen Plutos wird für eine Ἐρινὺς ἐκ τραγῳδίας gehalten, 422. Ποιναὶ ἐν ταῖς τραγῳδίαις Aischin. 1, 190. im costüm einer Erinys läuft der s. g. kynische philosoph Menedemos herum, Diogen. Laert. 6, 102. eine ganze reihe solcher personificationen führt das verzeichnis der masken für das repertoir der hellenistischen zeit an, das bei Pollux IV 141 steht; auch Lyssa ist darunter u. dgl. m. eine anzahl von darstellungen auf vasen verzeichnet Körte, über die dar- stellung psychologischer affecte in der vasenmalerei. 49) In den Xantrien 163. es sind worte, die Λύσσα ἐπιϑειάζουσα ταῖς Βάκχαις sprach. doch bleibt die möglichkeit, daſs sie nur in einer botenrede standen. eine sichere herstellung des inhaltes der aischyleischen Pentheusdramen ist noch nicht gelungen. 50) Ann. dell’ instit. 1885. 51) Tatian 24 ὁ κατὰ τὸν Εὐριπίδην μαινόμενος καὶ τὴν Ἀλκμαίονος μητρο- κτονίαν ἀπαγγέλλων, ᾧ μηδὲ τὸ οἰκεῖον πρόσεστι σχῆμα, κέχηνεν δὲ μέγα καὶ ξίφος περιφέρει καὶ κεκραγὼς πίμπραται καὶ φορεῖ στολὴν ἀπάνϑρωπον. der bericht des seine vorlage plump wiedergebenden rhetors läſst unklar, welche rolle der schauspieler gab, der den muttermord erzählt; man denkt zunächst an Alkmeon selbst, aber daſs er im wahnsinn eine besondere maske getragen hätte, ist unglaub- lich, und eher dürfte das costüm der Erinys zu grunde liegen, und der verkehrte und unverständliche ausdruck ‘er brennt schreiend’ auf die fackeln der göttin in der quelle bezogen sein. daſs sie vorkam, hatte ich längst geschlossen, ehe ich auf

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/390>, abgerufen am 25.11.2024.