die seligen himmelsherrn einen platz auf ihren bänken und bieten dir zum willkomm die schale, in der der himmelstrank des ewigen lebens schäumt. für die arete, manneskraft und ehre, bist du geboren: sie sollst du erwerben. feil ist sie nur um das leben: aber wer diesen preis einsetzt, hat sich das ewige leben gewonnen.
Ein volk das diesen glauben im herzen hat, ist jugendfrisch und jugendstark. wenn Michel Angelos Adam aufgesprungen sein wird und eignes blut in seinen adern spüren wird, dann wird er also empfinden. der mann, der dieses selbstvertrauen im busen hat, wird unwiderstehlich sein -- vor seinem anblick würde Faust auch in den staub sinken, und doch würde er in ihm seinen bruder erkennen, dem das evangelium der tat noch nicht verkümmert ist. nicht mit dem kümmerlichen stecken der pflicht, der in jede hand gleich gut passt, wird er die flache heerstrasse des lebens hinab ziehen, einer unter vielen, null unter nullen, niemand zu schaden, niemand zu frommen, sondern die keule wird er sich brechen, die kein anderer heben kann, und in den wilden wald sich stürzen, zu bezwingen die drachen und löwen, zu überwinden tod und teufel: der ehre gehorchend, die ihm im busen wohnt, und deren gebote ihm allein gelten, weil er allein sie erfüllen kann. ein freier mann wird er sein, das haupt vor niemandem beugend und die sclavenseelen verachtend: aber seine kraft wird er ein- stellen in den dienst des allgemeinen, in den dienst der gesittung und des rechtes, in den dienst gottes, auch dies nicht als knecht, sondern als der sohn, an dem der vater ein wolgefallen hat. und so sind sie hervorgetreten aus ihren wäldern, die jugendfrohen Heraklesverehrer, und haben sich mit kräftigen schlägen die besten plätze am tische des hel- lenischen lebens gesucht. als wir sie kennen lernen, ist die schöne jugendfrische zeit vorüber; die ehre, der sie als höchster sittlichkeits- norm nachleben, beginnt schon die conventionelle standesehre zu werden, der eingeborne adel zu dem gemeinen adel, in welchem arete pateron die eigene arete ersetzt, und der selbstherrliche mann geht selten mehr den schmalen pfad, fordert vielmehr den vortritt auf dem breiten wege zu gütern und genüssen. die schatten sind tief geworden; es verletzt den beschauenden, dass dieser glaube für das weib keine stätte hat, dass die seelenkräfte nur nach der seite des willens, nicht nach der des ver- standes ausgebildet werden: aber die alten züge trägt auch jetzt noch das volk, und der alte adel verleugnet sich nicht in ihnen. das reine Hellenentum, das Homer und Sappho, Archilochos und Solon, Herakleitos und Xenophanes hervorgebracht hat, ist ein anderes, reicheres, weiterhin wirkendes, menschlicheres: aber die kraft und erhabenheit des Herakles-
Der Herakles der sage.
die seligen himmelsherrn einen platz auf ihren bänken und bieten dir zum willkomm die schale, in der der himmelstrank des ewigen lebens schäumt. für die ἀρετή, manneskraft und ehre, bist du geboren: sie sollst du erwerben. feil ist sie nur um das leben: aber wer diesen preis einsetzt, hat sich das ewige leben gewonnen.
Ein volk das diesen glauben im herzen hat, ist jugendfrisch und jugendstark. wenn Michel Angelos Adam aufgesprungen sein wird und eignes blut in seinen adern spüren wird, dann wird er also empfinden. der mann, der dieses selbstvertrauen im busen hat, wird unwiderstehlich sein — vor seinem anblick würde Faust auch in den staub sinken, und doch würde er in ihm seinen bruder erkennen, dem das evangelium der tat noch nicht verkümmert ist. nicht mit dem kümmerlichen stecken der pflicht, der in jede hand gleich gut paſst, wird er die flache heerstraſse des lebens hinab ziehen, einer unter vielen, null unter nullen, niemand zu schaden, niemand zu frommen, sondern die keule wird er sich brechen, die kein anderer heben kann, und in den wilden wald sich stürzen, zu bezwingen die drachen und löwen, zu überwinden tod und teufel: der ehre gehorchend, die ihm im busen wohnt, und deren gebote ihm allein gelten, weil er allein sie erfüllen kann. ein freier mann wird er sein, das haupt vor niemandem beugend und die sclavenseelen verachtend: aber seine kraft wird er ein- stellen in den dienst des allgemeinen, in den dienst der gesittung und des rechtes, in den dienst gottes, auch dies nicht als knecht, sondern als der sohn, an dem der vater ein wolgefallen hat. und so sind sie hervorgetreten aus ihren wäldern, die jugendfrohen Heraklesverehrer, und haben sich mit kräftigen schlägen die besten plätze am tische des hel- lenischen lebens gesucht. als wir sie kennen lernen, ist die schöne jugendfrische zeit vorüber; die ehre, der sie als höchster sittlichkeits- norm nachleben, beginnt schon die conventionelle standesehre zu werden, der eingeborne adel zu dem gemeinen adel, in welchem ἀρετὴ πατέρων die eigene ἀρετή ersetzt, und der selbstherrliche mann geht selten mehr den schmalen pfad, fordert vielmehr den vortritt auf dem breiten wege zu gütern und genüssen. die schatten sind tief geworden; es verletzt den beschauenden, daſs dieser glaube für das weib keine stätte hat, daſs die seelenkräfte nur nach der seite des willens, nicht nach der des ver- standes ausgebildet werden: aber die alten züge trägt auch jetzt noch das volk, und der alte adel verleugnet sich nicht in ihnen. das reine Hellenentum, das Homer und Sappho, Archilochos und Solon, Herakleitos und Xenophanes hervorgebracht hat, ist ein anderes, reicheres, weiterhin wirkendes, menschlicheres: aber die kraft und erhabenheit des Herakles-
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Der Herakles der sage.
die seligen himmelsherrn einen platz auf ihren bänken und bieten dir
zum willkomm die schale, in der der himmelstrank des ewigen lebens
schäumt. für die ἀρετή, manneskraft und ehre, bist du geboren: sie
sollst du erwerben. feil ist sie nur um das leben: aber wer diesen preis
einsetzt, hat sich das ewige leben gewonnen.
Ein volk das diesen glauben im herzen hat, ist jugendfrisch und
jugendstark. wenn Michel Angelos Adam aufgesprungen sein wird und
eignes blut in seinen adern spüren wird, dann wird er also empfinden. der
mann, der dieses selbstvertrauen im busen hat, wird unwiderstehlich sein
— vor seinem anblick würde Faust auch in den staub sinken, und doch
würde er in ihm seinen bruder erkennen, dem das evangelium der tat noch
nicht verkümmert ist. nicht mit dem kümmerlichen stecken der pflicht,
der in jede hand gleich gut paſst, wird er die flache heerstraſse des lebens
hinab ziehen, einer unter vielen, null unter nullen, niemand zu schaden,
niemand zu frommen, sondern die keule wird er sich brechen, die kein
anderer heben kann, und in den wilden wald sich stürzen, zu bezwingen
die drachen und löwen, zu überwinden tod und teufel: der ehre gehorchend,
die ihm im busen wohnt, und deren gebote ihm allein gelten, weil er allein
sie erfüllen kann. ein freier mann wird er sein, das haupt vor niemandem
beugend und die sclavenseelen verachtend: aber seine kraft wird er ein-
stellen in den dienst des allgemeinen, in den dienst der gesittung und
des rechtes, in den dienst gottes, auch dies nicht als knecht, sondern
als der sohn, an dem der vater ein wolgefallen hat. und so sind sie
hervorgetreten aus ihren wäldern, die jugendfrohen Heraklesverehrer, und
haben sich mit kräftigen schlägen die besten plätze am tische des hel-
lenischen lebens gesucht. als wir sie kennen lernen, ist die schöne
jugendfrische zeit vorüber; die ehre, der sie als höchster sittlichkeits-
norm nachleben, beginnt schon die conventionelle standesehre zu werden,
der eingeborne adel zu dem gemeinen adel, in welchem ἀρετὴ πατέρων
die eigene ἀρετή ersetzt, und der selbstherrliche mann geht selten mehr
den schmalen pfad, fordert vielmehr den vortritt auf dem breiten wege
zu gütern und genüssen. die schatten sind tief geworden; es verletzt
den beschauenden, daſs dieser glaube für das weib keine stätte hat, daſs
die seelenkräfte nur nach der seite des willens, nicht nach der des ver-
standes ausgebildet werden: aber die alten züge trägt auch jetzt noch
das volk, und der alte adel verleugnet sich nicht in ihnen. das reine
Hellenentum, das Homer und Sappho, Archilochos und Solon, Herakleitos
und Xenophanes hervorgebracht hat, ist ein anderes, reicheres, weiterhin
wirkendes, menschlicheres: aber die kraft und erhabenheit des Herakles-
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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