Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte des tragikertextes.
wol um 100 n. Chr., denn wenn ihn auch erst Herodian citirt, so ist
doch der erfolg seiner auswahl schon in den rhetorischen lexicis des
2. jahrhunderts zu spüren, die demgemäss die betreffenden stücke be-
vorzugen 112). Symmachos bezieht sich in seinem commentar häufig auf
früher von ihm behandelte stellen, so dass die reihenfolge der erklärten
dramen ganz feststeht, übrigens auch in der Byzantinerzeit nicht ver-
gessen worden ist. Es folgen auf einander Plutos Wolken Frösche Ritter
Acharner Wespen Frieden Vögel Thesmophoriazusen Ekklesiazusen Ly-
sistrate 113). die reihe war damit ohne zweifel nicht abgeschlossen 114);
Symmachos hat auch Kratinos erklärt und wird da wol ebenso verfahren
sein 115). die rücksichten der schule sind einleuchtend. der Plutos ist
weitaus am einfachsten, Wolken Frösche Ritter zu kennen forderte die
allgemeine bildung mit rücksicht auf die angegriffenen berühmtheiten
Sokrates Euripides Kleon. für die folgenden stücke ist es besser nichts
zu vermuten. Symmachos ist nun ein schriftsteller noch von der alten

zeigt sich als zusatz (Fried. 916; sonst noch ein par mal zu Wesp.). dieser ist deipno-
sophist bei Athenaeus, was nur zeigt, dass er eine berühmtheit wie Galen Rufus
Plutarch Ulpian war. und als vaterland hat ihm Athenaeus nach Plat. Phaidr. 261d
Elea gegeben: woraus nach jenen analogien folgt, dass er nicht daher war. inter-
polirt hat Suidas oder ein vorgänger dies in den kargen biographischen artikel, aus
dem abzuleiten ist, dass er bei Dionys und Philon nicht vorkam, d. h. nach 140
blühte. auch Symmachos fehlt bei Suidas, aber ein schluss e silentio ist mislich
und die gänzliche vermeidung von schriftstellern des 2. jahrhunderts spricht für
etwas höheres alter.
112) Man kann das leicht sehen, wenn man die indices zu Nabers Photius
mustert. auf welchen umwegen auch immer hineingelangt, die quellen dieses lexi-
cons gehören dem 2. jahrhundert an. damit man nicht irre, bemerke ich, dass die
atticistischen glossen im Hesych nicht Diogenian sind. selbst bei Lukian sind die
erhaltenen komödien stark bevorzugt, P. Schultze quae ratio inter Lucianum et
comicos intercedat
. Berlin 1883.
113) Die sehr zahlreichen belege führe ich nicht an. die nummern 1--4, 10, 11
wird niemand bezweifeln. für die reihenfolge Ach. Wesp. vgl. Wesp. 1195, 1206.
1407. Wesp. Fried. vgl. Wesp. 1446 Fr. 1048 (zielt auf Wesp. 718). Fried. Vög. vgl.
Vög. 822 (zielt auf Fried. 928). Thesm. 162 en to pro toutou dramati tois Ornisi;
Lysistr. 801 auf Ekkl. 303, jetzt fast verschwunden. damit erledigt sich die an-
sicht, dass die auswahl von 7 stücken im Venetus erhalten wäre; sie ist auch an
sich verkehrt, denn diese gelehrteste handschrift repräsentirt keine verkürzung der
auswahl.
114) Nach der häufigkeit der citate wären Daitales Babylonier Tagenisten etwa
gefolgt.
115) Herodian II 945 Lentz (p. mon. lex. 39). es wird sich für Kratinos schwer-
lich ermitteln lassen, welche dramen noch länger behandelt wurden. wol aber ist
der versuch für Menander nicht aussichtslos.

Geschichte des tragikertextes.
wol um 100 n. Chr., denn wenn ihn auch erst Herodian citirt, so ist
doch der erfolg seiner auswahl schon in den rhetorischen lexicis des
2. jahrhunderts zu spüren, die demgemäſs die betreffenden stücke be-
vorzugen 112). Symmachos bezieht sich in seinem commentar häufig auf
früher von ihm behandelte stellen, so daſs die reihenfolge der erklärten
dramen ganz feststeht, übrigens auch in der Byzantinerzeit nicht ver-
gessen worden ist. Es folgen auf einander Plutos Wolken Frösche Ritter
Acharner Wespen Frieden Vögel Thesmophoriazusen Ekklesiazusen Ly-
sistrate 113). die reihe war damit ohne zweifel nicht abgeschlossen 114);
Symmachos hat auch Kratinos erklärt und wird da wol ebenso verfahren
sein 115). die rücksichten der schule sind einleuchtend. der Plutos ist
weitaus am einfachsten, Wolken Frösche Ritter zu kennen forderte die
allgemeine bildung mit rücksicht auf die angegriffenen berühmtheiten
Sokrates Euripides Kleon. für die folgenden stücke ist es besser nichts
zu vermuten. Symmachos ist nun ein schriftsteller noch von der alten

zeigt sich als zusatz (Fried. 916; sonst noch ein par mal zu Wesp.). dieser ist deipno-
sophist bei Athenaeus, was nur zeigt, daſs er eine berühmtheit wie Galen Rufus
Plutarch Ulpian war. und als vaterland hat ihm Athenaeus nach Plat. Phaidr. 261d
Elea gegeben: woraus nach jenen analogien folgt, daſs er nicht daher war. inter-
polirt hat Suidas oder ein vorgänger dies in den kargen biographischen artikel, aus
dem abzuleiten ist, daſs er bei Dionys und Philon nicht vorkam, d. h. nach 140
blühte. auch Symmachos fehlt bei Suidas, aber ein schluſs e silentio ist mislich
und die gänzliche vermeidung von schriftstellern des 2. jahrhunderts spricht für
etwas höheres alter.
112) Man kann das leicht sehen, wenn man die indices zu Nabers Photius
mustert. auf welchen umwegen auch immer hineingelangt, die quellen dieses lexi-
cons gehören dem 2. jahrhundert an. damit man nicht irre, bemerke ich, daſs die
atticistischen glossen im Hesych nicht Diogenian sind. selbst bei Lukian sind die
erhaltenen komödien stark bevorzugt, P. Schultze quae ratio inter Lucianum et
comicos intercedat
. Berlin 1883.
113) Die sehr zahlreichen belege führe ich nicht an. die nummern 1—4, 10, 11
wird niemand bezweifeln. für die reihenfolge Ach. Wesp. vgl. Wesp. 1195, 1206.
1407. Wesp. Fried. vgl. Wesp. 1446 Fr. 1048 (zielt auf Wesp. 718). Fried. Vög. vgl.
Vög. 822 (zielt auf Fried. 928). Thesm. 162 ἐν τῷ πρὸ τούτου δράματι τοῖς Ὄρνισι·
Lysistr. 801 auf Ekkl. 303, jetzt fast verschwunden. damit erledigt sich die an-
sicht, daſs die auswahl von 7 stücken im Venetus erhalten wäre; sie ist auch an
sich verkehrt, denn diese gelehrteste handschrift repräsentirt keine verkürzung der
auswahl.
114) Nach der häufigkeit der citate wären Daitales Babylonier Tagenisten etwa
gefolgt.
115) Herodian II 945 Lentz (π. μον. λέξ. 39). es wird sich für Kratinos schwer-
lich ermitteln lassen, welche dramen noch länger behandelt wurden. wol aber ist
der versuch für Menander nicht aussichtslos.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0200" n="180"/><fw place="top" type="header">Geschichte des tragikertextes.</fw><lb/>
wol um 100 n. Chr., denn wenn ihn auch erst Herodian citirt, so ist<lb/>
doch der erfolg seiner auswahl schon in den rhetorischen lexicis des<lb/>
2. jahrhunderts zu spüren, die demgemä&#x017F;s die betreffenden stücke be-<lb/>
vorzugen <note place="foot" n="112)">Man kann das leicht sehen, wenn man die indices zu Nabers Photius<lb/>
mustert. auf welchen umwegen auch immer hineingelangt, die quellen dieses lexi-<lb/>
cons gehören dem 2. jahrhundert an. damit man nicht irre, bemerke ich, da&#x017F;s die<lb/>
atticistischen glossen im Hesych nicht Diogenian sind. selbst bei Lukian sind die<lb/>
erhaltenen komödien stark bevorzugt, P. Schultze <hi rendition="#i">quae ratio inter Lucianum et<lb/>
comicos intercedat</hi>. Berlin 1883.</note>. Symmachos bezieht sich in seinem commentar häufig auf<lb/>
früher von ihm behandelte stellen, so da&#x017F;s die reihenfolge der erklärten<lb/>
dramen ganz feststeht, übrigens auch in der Byzantinerzeit nicht ver-<lb/>
gessen worden ist. Es folgen auf einander Plutos Wolken Frösche Ritter<lb/>
Acharner Wespen Frieden Vögel Thesmophoriazusen Ekklesiazusen Ly-<lb/>
sistrate <note place="foot" n="113)">Die sehr zahlreichen belege führe ich nicht an. die nummern 1&#x2014;4, 10, 11<lb/>
wird niemand bezweifeln. für die reihenfolge Ach. Wesp. vgl. Wesp. 1195, 1206.<lb/>
1407. Wesp. Fried. vgl. Wesp. 1446 Fr. 1048 (zielt auf Wesp. 718). Fried. Vög. vgl.<lb/>
Vög. 822 (zielt auf Fried. 928). Thesm. 162 &#x1F10;&#x03BD; &#x03C4;&#x1FF7; &#x03C0;&#x03C1;&#x1F78; &#x03C4;&#x03BF;&#x03CD;&#x03C4;&#x03BF;&#x03C5; &#x03B4;&#x03C1;&#x03AC;&#x03BC;&#x03B1;&#x03C4;&#x03B9; &#x03C4;&#x03BF;&#x1FD6;&#x03C2; &#x1F4C;&#x03C1;&#x03BD;&#x03B9;&#x03C3;&#x03B9;&#x0387;<lb/>
Lysistr. 801 auf Ekkl. 303, jetzt fast verschwunden. damit erledigt sich die an-<lb/>
sicht, da&#x017F;s die auswahl von 7 stücken im Venetus erhalten wäre; sie ist auch an<lb/>
sich verkehrt, denn diese gelehrteste handschrift repräsentirt keine verkürzung der<lb/>
auswahl.</note>. die reihe war damit ohne zweifel nicht abgeschlossen <note place="foot" n="114)">Nach der häufigkeit der citate wären Daitales Babylonier Tagenisten etwa<lb/>
gefolgt.</note>;<lb/>
Symmachos hat auch Kratinos erklärt und wird da wol ebenso verfahren<lb/>
sein <note place="foot" n="115)">Herodian II 945 Lentz (&#x03C0;. &#x03BC;&#x03BF;&#x03BD;. &#x03BB;&#x03AD;&#x03BE;. 39). es wird sich für Kratinos schwer-<lb/>
lich ermitteln lassen, welche dramen noch länger behandelt wurden. wol aber ist<lb/>
der versuch für Menander nicht aussichtslos.</note>. die rücksichten der schule sind einleuchtend. der Plutos ist<lb/>
weitaus am einfachsten, Wolken Frösche Ritter zu kennen forderte die<lb/>
allgemeine bildung mit rücksicht auf die angegriffenen berühmtheiten<lb/>
Sokrates Euripides Kleon. für die folgenden stücke ist es besser nichts<lb/>
zu vermuten. Symmachos ist nun ein schriftsteller noch von der alten<lb/><note xml:id="note-0200" prev="#note-0199" place="foot" n="111)">zeigt sich als zusatz (Fried. 916; sonst noch ein par mal zu Wesp.). dieser ist deipno-<lb/>
sophist bei Athenaeus, was nur zeigt, da&#x017F;s er eine berühmtheit wie Galen Rufus<lb/>
Plutarch Ulpian war. und als vaterland hat ihm Athenaeus nach Plat. Phaidr. 261<hi rendition="#sup">d</hi><lb/>
Elea gegeben: woraus nach jenen analogien folgt, da&#x017F;s er nicht daher war. inter-<lb/>
polirt hat Suidas oder ein vorgänger dies in den kargen biographischen artikel, aus<lb/>
dem abzuleiten ist, da&#x017F;s er bei Dionys und Philon nicht vorkam, d. h. nach 140<lb/>
blühte. auch Symmachos fehlt bei Suidas, aber ein schlu&#x017F;s e silentio ist mislich<lb/>
und die gänzliche vermeidung von schriftstellern des 2. jahrhunderts spricht für<lb/>
etwas höheres alter.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0200] Geschichte des tragikertextes. wol um 100 n. Chr., denn wenn ihn auch erst Herodian citirt, so ist doch der erfolg seiner auswahl schon in den rhetorischen lexicis des 2. jahrhunderts zu spüren, die demgemäſs die betreffenden stücke be- vorzugen 112). Symmachos bezieht sich in seinem commentar häufig auf früher von ihm behandelte stellen, so daſs die reihenfolge der erklärten dramen ganz feststeht, übrigens auch in der Byzantinerzeit nicht ver- gessen worden ist. Es folgen auf einander Plutos Wolken Frösche Ritter Acharner Wespen Frieden Vögel Thesmophoriazusen Ekklesiazusen Ly- sistrate 113). die reihe war damit ohne zweifel nicht abgeschlossen 114); Symmachos hat auch Kratinos erklärt und wird da wol ebenso verfahren sein 115). die rücksichten der schule sind einleuchtend. der Plutos ist weitaus am einfachsten, Wolken Frösche Ritter zu kennen forderte die allgemeine bildung mit rücksicht auf die angegriffenen berühmtheiten Sokrates Euripides Kleon. für die folgenden stücke ist es besser nichts zu vermuten. Symmachos ist nun ein schriftsteller noch von der alten 111) 112) Man kann das leicht sehen, wenn man die indices zu Nabers Photius mustert. auf welchen umwegen auch immer hineingelangt, die quellen dieses lexi- cons gehören dem 2. jahrhundert an. damit man nicht irre, bemerke ich, daſs die atticistischen glossen im Hesych nicht Diogenian sind. selbst bei Lukian sind die erhaltenen komödien stark bevorzugt, P. Schultze quae ratio inter Lucianum et comicos intercedat. Berlin 1883. 113) Die sehr zahlreichen belege führe ich nicht an. die nummern 1—4, 10, 11 wird niemand bezweifeln. für die reihenfolge Ach. Wesp. vgl. Wesp. 1195, 1206. 1407. Wesp. Fried. vgl. Wesp. 1446 Fr. 1048 (zielt auf Wesp. 718). Fried. Vög. vgl. Vög. 822 (zielt auf Fried. 928). Thesm. 162 ἐν τῷ πρὸ τούτου δράματι τοῖς Ὄρνισι· Lysistr. 801 auf Ekkl. 303, jetzt fast verschwunden. damit erledigt sich die an- sicht, daſs die auswahl von 7 stücken im Venetus erhalten wäre; sie ist auch an sich verkehrt, denn diese gelehrteste handschrift repräsentirt keine verkürzung der auswahl. 114) Nach der häufigkeit der citate wären Daitales Babylonier Tagenisten etwa gefolgt. 115) Herodian II 945 Lentz (π. μον. λέξ. 39). es wird sich für Kratinos schwer- lich ermitteln lassen, welche dramen noch länger behandelt wurden. wol aber ist der versuch für Menander nicht aussichtslos. 111) zeigt sich als zusatz (Fried. 916; sonst noch ein par mal zu Wesp.). dieser ist deipno- sophist bei Athenaeus, was nur zeigt, daſs er eine berühmtheit wie Galen Rufus Plutarch Ulpian war. und als vaterland hat ihm Athenaeus nach Plat. Phaidr. 261d Elea gegeben: woraus nach jenen analogien folgt, daſs er nicht daher war. inter- polirt hat Suidas oder ein vorgänger dies in den kargen biographischen artikel, aus dem abzuleiten ist, daſs er bei Dionys und Philon nicht vorkam, d. h. nach 140 blühte. auch Symmachos fehlt bei Suidas, aber ein schluſs e silentio ist mislich und die gänzliche vermeidung von schriftstellern des 2. jahrhunderts spricht für etwas höheres alter.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/200
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/200>, abgerufen am 24.11.2024.