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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.

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die böcke. bockschöre.
begreiflich, dass man da des ursprungs rasch vergass. wir aber müssen
die heimat des satyrspiels da suchen, wo die böcke zu hause sind.

Auch diese antwort ist aus den monumenten bereits gegeben. im
Peloponnes, dessen künstlerischer vorort Korinth ist, gibt es keine satyrn
in pferdegestalt. freilich bisher auch keine böcke: aber es steht doch
die tatsache fest, dass dieser typus um 500 auf einen peloponnesischen
gott übertragen worden ist, der in seiner heimat und seiner echten be-
deutung nach ein weit vornehmerer herr war, aber als er aus dem un-
civilisirten hirtenlande in die städte der hochentwickelten cultur hinabstieg,
die gestalt und bald auch die geltung eines vertreters der ungesitteten
und unverkünstelten elementargewaltigen bergeswildnis annahm: Pan, der
ein bock geblieben ist. 47) es bleibt der archaeologie die schöne aufgabe,
zu zeigen, wie eine spätere zeit die künstlerische bildung der satyrn
vom bocke aus doch noch versucht und wunderbar geleistet hat, so dass
die ältere pferdegestalt in den hintergrund trat: es liegt auf der hand,
dass den anstoss Peloponnesier gegeben haben müssen. geschehen ist
das erst, als das satyrdrama zu gunsten der tragödie verkümmert war,
und diese eine spur ihrer herkunft von den böcken nur noch in dem
namen trug, den man nicht mehr verstand.

Das führt zu dem postulate, dass es im Peloponnes einen bockschorbocks-
chöre.

gegeben habe. und wirklich, einen bockschor nennt uns Herodot (V 64) in
Sikyon zur zeit des Kleisthenes; wir lernen dabei dass derselbe keines-
weges bloss zu ehren des Dionysos auftreten konnte, dass aber dem be-
richterstatter des Herodotos dies als eine anomalie erschien, die er sich
nur als willkür eines tyrannen zu denken vermochte. wir werden anders
urteilen, denn dass die böcke des Peloponnes ihrer natur nach lediglich
ein gefolge des Dionysos bildeten, ist weder erweislich noch glaublich.
wir haben eben alles was die ionischen wesen, die pferdewesen, angeht
von ihnen fern zu halten; Pan ist später auch ein genosse des thiasos
geworden, aber von ihm wissen wir sehr genau, dass er das weder seiner
natur nach war, noch in den jahrhunderten 6--3, wo sein cultus sich

einmal angeredet 539, gleich als ob das sein eigenname wäre. sein aussehen lehrt
die Neapler vase mit dem siegesfest eines satyrchors. er hat noch nichts von der
späteren schweinenatur des papposilens.
47) In der im kerne hochaltertümlichen argolischen sage, die ursprünglich dem
eponymen Argos, nicht dem panoptes gehörte, Apollod. 2, 1, 2, erschlägt Argos den
arkadischen stier, die Echidna und den Satyros, der die herden der Arkader raubte:
das ist erfunden, ehe Argos dorisch war, wenn auch in nachbildung des dorischen
Herakles. stier und hydra, tochter Echidnas, sind deutlich: Saturos entspricht den
Kentauren.
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die böcke. bockschöre.
begreiflich, daſs man da des ursprungs rasch vergaſs. wir aber müssen
die heimat des satyrspiels da suchen, wo die böcke zu hause sind.

Auch diese antwort ist aus den monumenten bereits gegeben. im
Peloponnes, dessen künstlerischer vorort Korinth ist, gibt es keine satyrn
in pferdegestalt. freilich bisher auch keine böcke: aber es steht doch
die tatsache fest, daſs dieser typus um 500 auf einen peloponnesischen
gott übertragen worden ist, der in seiner heimat und seiner echten be-
deutung nach ein weit vornehmerer herr war, aber als er aus dem un-
civilisirten hirtenlande in die städte der hochentwickelten cultur hinabstieg,
die gestalt und bald auch die geltung eines vertreters der ungesitteten
und unverkünstelten elementargewaltigen bergeswildnis annahm: Pan, der
ein bock geblieben ist. 47) es bleibt der archaeologie die schöne aufgabe,
zu zeigen, wie eine spätere zeit die künstlerische bildung der satyrn
vom bocke aus doch noch versucht und wunderbar geleistet hat, so daſs
die ältere pferdegestalt in den hintergrund trat: es liegt auf der hand,
daſs den anstoſs Peloponnesier gegeben haben müssen. geschehen ist
das erst, als das satyrdrama zu gunsten der tragödie verkümmert war,
und diese eine spur ihrer herkunft von den böcken nur noch in dem
namen trug, den man nicht mehr verstand.

Das führt zu dem postulate, daſs es im Peloponnes einen bockschorbocks-
chöre.

gegeben habe. und wirklich, einen bockschor nennt uns Herodot (V 64) in
Sikyon zur zeit des Kleisthenes; wir lernen dabei daſs derselbe keines-
weges bloſs zu ehren des Dionysos auftreten konnte, daſs aber dem be-
richterstatter des Herodotos dies als eine anomalie erschien, die er sich
nur als willkür eines tyrannen zu denken vermochte. wir werden anders
urteilen, denn daſs die böcke des Peloponnes ihrer natur nach lediglich
ein gefolge des Dionysos bildeten, ist weder erweislich noch glaublich.
wir haben eben alles was die ionischen wesen, die pferdewesen, angeht
von ihnen fern zu halten; Pan ist später auch ein genosse des thiasos
geworden, aber von ihm wissen wir sehr genau, daſs er das weder seiner
natur nach war, noch in den jahrhunderten 6—3, wo sein cultus sich

einmal angeredet 539, gleich als ob das sein eigenname wäre. sein aussehen lehrt
die Neapler vase mit dem siegesfest eines satyrchors. er hat noch nichts von der
späteren schweinenatur des papposilens.
47) In der im kerne hochaltertümlichen argolischen sage, die ursprünglich dem
eponymen Argos, nicht dem πανὀπτης gehörte, Apollod. 2, 1, 2, erschlägt Argos den
arkadischen stier, die Echidna und den Satyros, der die herden der Arkader raubte:
das ist erfunden, ehe Argos dorisch war, wenn auch in nachbildung des dorischen
Herakles. stier und hydra, tochter Echidnas, sind deutlich: Σάτυρος entspricht den
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[83/0103] die böcke. bockschöre. begreiflich, daſs man da des ursprungs rasch vergaſs. wir aber müssen die heimat des satyrspiels da suchen, wo die böcke zu hause sind. Auch diese antwort ist aus den monumenten bereits gegeben. im Peloponnes, dessen künstlerischer vorort Korinth ist, gibt es keine satyrn in pferdegestalt. freilich bisher auch keine böcke: aber es steht doch die tatsache fest, daſs dieser typus um 500 auf einen peloponnesischen gott übertragen worden ist, der in seiner heimat und seiner echten be- deutung nach ein weit vornehmerer herr war, aber als er aus dem un- civilisirten hirtenlande in die städte der hochentwickelten cultur hinabstieg, die gestalt und bald auch die geltung eines vertreters der ungesitteten und unverkünstelten elementargewaltigen bergeswildnis annahm: Pan, der ein bock geblieben ist. 47) es bleibt der archaeologie die schöne aufgabe, zu zeigen, wie eine spätere zeit die künstlerische bildung der satyrn vom bocke aus doch noch versucht und wunderbar geleistet hat, so daſs die ältere pferdegestalt in den hintergrund trat: es liegt auf der hand, daſs den anstoſs Peloponnesier gegeben haben müssen. geschehen ist das erst, als das satyrdrama zu gunsten der tragödie verkümmert war, und diese eine spur ihrer herkunft von den böcken nur noch in dem namen trug, den man nicht mehr verstand. Das führt zu dem postulate, daſs es im Peloponnes einen bockschor gegeben habe. und wirklich, einen bockschor nennt uns Herodot (V 64) in Sikyon zur zeit des Kleisthenes; wir lernen dabei daſs derselbe keines- weges bloſs zu ehren des Dionysos auftreten konnte, daſs aber dem be- richterstatter des Herodotos dies als eine anomalie erschien, die er sich nur als willkür eines tyrannen zu denken vermochte. wir werden anders urteilen, denn daſs die böcke des Peloponnes ihrer natur nach lediglich ein gefolge des Dionysos bildeten, ist weder erweislich noch glaublich. wir haben eben alles was die ionischen wesen, die pferdewesen, angeht von ihnen fern zu halten; Pan ist später auch ein genosse des thiasos geworden, aber von ihm wissen wir sehr genau, daſs er das weder seiner natur nach war, noch in den jahrhunderten 6—3, wo sein cultus sich 46) bocks- chöre. 47) In der im kerne hochaltertümlichen argolischen sage, die ursprünglich dem eponymen Argos, nicht dem πανὀπτης gehörte, Apollod. 2, 1, 2, erschlägt Argos den arkadischen stier, die Echidna und den Satyros, der die herden der Arkader raubte: das ist erfunden, ehe Argos dorisch war, wenn auch in nachbildung des dorischen Herakles. stier und hydra, tochter Echidnas, sind deutlich: Σάτυρος entspricht den Kentauren. 46) einmal angeredet 539, gleich als ob das sein eigenname wäre. sein aussehen lehrt die Neapler vase mit dem siegesfest eines satyrchors. er hat noch nichts von der späteren schweinenatur des papposilens. 6*

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_tragoedie_1889/103>, abgerufen am 27.11.2024.