Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes. die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im interesse ihres see-handels zu begrüssen und gönnten den Aegineten den hader mit Athen, das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten. es kann keinem zweifel unterliegen, dass Athen aus dieser neuen und viel schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, dass es in den peloponnesischen bund eintrat.10) erst so wird verständlich, dass die ge- schädigten nachbarn ihm ruhe liessen. wie viele jahre diese consolidirung der neuen demokratie nach aussen gedauert hat, ist unbekannt. für die innere ist das jahr des Hermokreon (wahrscheinlich 501/0) der abschluss, in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifel die aus- drückliche verpflichtung auf die demokratie und die verfluchung der tyrannis, wahrscheinlich auch des anschlusses an Persien enthielt. gleich- zeitig beschloss man auch in dem collegium der strategen die volksver- tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heisst das, dass die bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des volkes erst jetzt eingeführt ward. es war das eine sehr bedeutende stärkung der demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr, wie sie in richtiger wiedergabe der alten zeit Euripides einführt, son- dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat- terem abglanze in den leichenreden: aber schon unsere berichte über die schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos der atthidograph hat die besonderen verdienste der Aiantis bei Marathon und Plataiai so stark hervorgehoben, dass man annehmen muss, er hat kriegführung. daran schliesst Herodot die übersiedelung des Hippias nach Sigeion und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählung von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502/1 war. 10) Ich habe das früher aus den tatsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen
auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis mehr. Thukydides lässt den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) emeis ... Pelo- ponnesiois ... eskepsametha oto tropo ekista upakousometha. kai meta ta Me- dika naus ktesamenoi tes men Lakedaimonion arkhes kai egemonias apellagemen, und er setzt dies verhältnis dem gleich, in das die Ionier zu Athen traten. bei- läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139: deshalb ist dieser zum sprecher in Sicilien ausersehn. übrigens ist er von Anti- sthenes (Athen 220d) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt. II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes. die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im interesse ihres see-handels zu begrüſsen und gönnten den Aegineten den hader mit Athen, das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten. es kann keinem zweifel unterliegen, daſs Athen aus dieser neuen und viel schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, daſs es in den peloponnesischen bund eintrat.10) erst so wird verständlich, daſs die ge- schädigten nachbarn ihm ruhe lieſsen. wie viele jahre diese consolidirung der neuen demokratie nach auſsen gedauert hat, ist unbekannt. für die innere ist das jahr des Hermokreon (wahrscheinlich 501/0) der abschluſs, in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifel die aus- drückliche verpflichtung auf die demokratie und die verfluchung der tyrannis, wahrscheinlich auch des anschlusses an Persien enthielt. gleich- zeitig beschloſs man auch in dem collegium der strategen die volksver- tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heiſst das, daſs die bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des volkes erst jetzt eingeführt ward. es war das eine sehr bedeutende stärkung der demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr, wie sie in richtiger wiedergabe der alten zeit Euripides einführt, son- dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat- terem abglanze in den leichenreden: aber schon unsere berichte über die schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos der atthidograph hat die besonderen verdienste der Aiantis bei Marathon und Plataiai so stark hervorgehoben, daſs man annehmen muſs, er hat kriegführung. daran schlieſst Herodot die übersiedelung des Hippias nach Sigeion und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählung von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502/1 war. 10) Ich habe das früher aus den tatsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen
auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis mehr. Thukydides läſst den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) ἡμεῖς … Πελο- ποννησίοις … ἐσκεψάμεϑα ὅτῳ τϱόπῳ ἥκιστα ὑπακουσόμεϑα. καὶ μετὰ τὰ Μη- δικὰ ναῦς κτησάμενοι τῆς μὲν Λακεδαιμονίων ἀϱχῆς καὶ ἡγεμονίας ἀπηλλάγημεν, und er setzt dies verhältnis dem gleich, in das die Ionier zu Athen traten. bei- läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139: deshalb ist dieser zum sprecher in Sicilien ausersehn. übrigens ist er von Anti- sthenes (Athen 220d) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0088" n="78"/><fw place="top" type="header">II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.</fw><lb/> die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im interesse ihres see-<lb/> handels zu begrüſsen und gönnten den Aegineten den hader mit Athen,<lb/> das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes<lb/> hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten. es<lb/> kann keinem zweifel unterliegen, daſs Athen aus dieser neuen und viel<lb/> schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, daſs es in den<lb/> peloponnesischen bund eintrat.<note place="foot" n="10)">Ich habe das früher aus den tatsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen<lb/> auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis<lb/> mehr. Thukydides läſst den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) ἡμεῖς … Πελο-<lb/> ποννησίοις … ἐσκεψάμεϑα ὅτῳ τϱόπῳ ἥκιστα ὑπακουσόμεϑα. καὶ μετὰ τὰ Μη-<lb/> δικὰ ναῦς κτησάμενοι τῆς μὲν Λακεδαιμονίων ἀϱχῆς καὶ ἡγεμονίας ἀπηλλάγημεν,<lb/> und er setzt dies verhältnis dem gleich, in das die Ionier zu Athen traten. bei-<lb/> läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139:<lb/> deshalb ist dieser zum sprecher in Sicilien ausersehn. übrigens ist er von Anti-<lb/> sthenes (Athen 220<hi rendition="#sup">d</hi>) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt.</note> erst so wird verständlich, daſs die ge-<lb/> schädigten nachbarn ihm ruhe lieſsen. wie viele jahre diese consolidirung<lb/> der neuen demokratie nach auſsen gedauert hat, ist unbekannt. für die<lb/> innere ist das jahr des Hermokreon (wahrscheinlich 501/0) der abschluſs,<lb/> in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifel die aus-<lb/> drückliche verpflichtung auf die demokratie und die verfluchung der<lb/> tyrannis, wahrscheinlich <choice><sic>anch</sic><corr>auch</corr></choice> des anschlusses an Persien enthielt. gleich-<lb/> zeitig beschloſs man auch in dem collegium der strategen die volksver-<lb/> tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer<lb/> noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen<lb/> blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heiſst das, daſs die<lb/> bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des volkes erst<lb/> jetzt eingeführt ward. es war das eine sehr bedeutende stärkung der<lb/> demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr,<lb/> wie sie in richtiger wiedergabe der alten zeit Euripides einführt, son-<lb/> dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer<lb/> mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch<lb/> erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat-<lb/> terem abglanze in den leichenreden: aber schon unsere berichte über<lb/> die schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos<lb/> der atthidograph hat die besonderen verdienste der Aiantis bei Marathon<lb/> und Plataiai so stark hervorgehoben, daſs man annehmen muſs, er hat<lb/><note xml:id="note-0088" prev="#note-0087" place="foot" n="9)">kriegführung. daran schlieſst Herodot die übersiedelung des Hippias nach Sigeion<lb/> und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählung<lb/> von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502/1 war.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0088]
II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
die beseitigung von Chalkis als selbständige macht im interesse ihres see-
handels zu begrüſsen und gönnten den Aegineten den hader mit Athen,
das ihnen in seiner schwäche zur see vorläufig noch gleichsam als eignes
hinterland erschien, dessen erzeugnisse sie zu verfrachten hätten. es
kann keinem zweifel unterliegen, daſs Athen aus dieser neuen und viel
schwereren gefahr nur so hat gerettet werden können, daſs es in den
peloponnesischen bund eintrat. 10) erst so wird verständlich, daſs die ge-
schädigten nachbarn ihm ruhe lieſsen. wie viele jahre diese consolidirung
der neuen demokratie nach auſsen gedauert hat, ist unbekannt. für die
innere ist das jahr des Hermokreon (wahrscheinlich 501/0) der abschluſs,
in dem die formel des ratseides festgestellt ward, die ohne zweifel die aus-
drückliche verpflichtung auf die demokratie und die verfluchung der
tyrannis, wahrscheinlich auch des anschlusses an Persien enthielt. gleich-
zeitig beschloſs man auch in dem collegium der strategen die volksver-
tretung nach den neuen phylen durchzuführen; da die feldherrn immer
noch regimentscommandeure unter dem commando des polemarchen
blieben, die aushebung immer besorgt haben, so heiſst das, daſs die
bildung des heerbannes nach der neuen gliederung des volkes erst
jetzt eingeführt ward. es war das eine sehr bedeutende stärkung der
demokratie. nun gab es keine kriegsgenossenschaft der Paraler mehr,
wie sie in richtiger wiedergabe der alten zeit Euripides einführt, son-
dern der Eleusinier diente mit dem Dekeleer zusammen, der Aphidnaeer
mit dem Phalereer. das gemeingefühl der neuen regimenter ist rasch
erwachsen; es lebt in den leichensteinen des Kerameikos und in mat-
terem abglanze in den leichenreden: aber schon unsere berichte über
die schlacht von Marathon unterscheiden die regimenter und Kleidemos
der atthidograph hat die besonderen verdienste der Aiantis bei Marathon
und Plataiai so stark hervorgehoben, daſs man annehmen muſs, er hat
9)
10) Ich habe das früher aus den tatsachen geschlossen (Kyd. 115) und lege ihnen
auch jetzt allein das entscheidende gewicht bei. aber manchem imponirt ein zeugnis
mehr. Thukydides läſst den Euphemos in Kamarina sagen (6, 82) ἡμεῖς … Πελο-
ποννησίοις … ἐσκεψάμεϑα ὅτῳ τϱόπῳ ἥκιστα ὑπακουσόμεϑα. καὶ μετὰ τὰ Μη-
δικὰ ναῦς κτησάμενοι τῆς μὲν Λακεδαιμονίων ἀϱχῆς καὶ ἡγεμονίας ἀπηλλάγημεν,
und er setzt dies verhältnis dem gleich, in das die Ionier zu Athen traten. bei-
läufig, ein Euphemos stellt 453 ein amendement zu gunsten der Egestaeer CIA IV 139:
deshalb ist dieser zum sprecher in Sicilien ausersehn. übrigens ist er von Anti-
sthenes (Athen 220d) unter die üblen genossen der Periklessöhne eingerückt.
9) kriegführung. daran schlieſst Herodot die übersiedelung des Hippias nach Sigeion
und die definitive abwendung Athens von den Persern und lenkt in seine erzählung
von der reise des Aristagoras durch Hellas wieder ein, die etwa 502/1 war.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |