Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.Die reform von 683. die naukrarien. sogar die ratsstellen besetzte. für den hieromnemon29), der nach Del-phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä- rischen chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden. das neugeschaffene amt der 6 'rechtssetzer' war vielleicht ursprünglich als ein collegium gedacht, das unter vorsitz eines der drei oberbeamten das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen, sonst würde ihre zahl ungerade sein. die forderung, dass der einzelne magistrat nur unter zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen ver- waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise befriedigt. das collegium der elf für die aburteilung manifester todes- würdiger verbrechen, die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen- könige unter vorsitz des königs, wol schon die beiden 'beisitzer' der drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr grosser schritt vor- wärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshöfe Palladion und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht- bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stande gehörigen. die zahl ist ungerade: der vorsitzende könig stimmte also nicht mehr mit. es kann nicht bezweifelt werden, dass auch die civile judicatur der neun beamten schon im siebenten jahrhundert an die zuziehung von geschwornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansicht der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte. der ausbildung einer mächtigen magistratur war das standesinteresse der aristokratie gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst starken beteiligung aller. Den eigentlichen anstoss zur sprengung der ständischen vorrechteDie nau- tes klerotes agagon dunameos (692). so selbstverständlich ist für ihn das los im besten staate. er weiss, dass die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann. 29) Die delphischen urkunden kennen nur ieromnemones; dagegen Herodot
(8, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla- goren aber werden direct vom volke erwählt. erlost ist schon Hyperbolos zum hiero- mnemon (Ar. Wolk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgend wie durch eine prokrisis corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge- wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte. Die reform von 683. die naukrarien. sogar die ratsstellen besetzte. für den hieromnemon29), der nach Del-phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä- rischen chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden. das neugeschaffene amt der 6 ‘rechtssetzer’ war vielleicht ursprünglich als ein collegium gedacht, das unter vorsitz eines der drei oberbeamten das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen, sonst würde ihre zahl ungerade sein. die forderung, daſs der einzelne magistrat nur unter zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen ver- waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise befriedigt. das collegium der elf für die aburteilung manifester todes- würdiger verbrechen, die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen- könige unter vorsitz des königs, wol schon die beiden ‘beisitzer’ der drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr groſser schritt vor- wärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshöfe Palladion und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht- bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stande gehörigen. die zahl ist ungerade: der vorsitzende könig stimmte also nicht mehr mit. es kann nicht bezweifelt werden, daſs auch die civile judicatur der neun beamten schon im siebenten jahrhundert an die zuziehung von geschwornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansicht der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte. der ausbildung einer mächtigen magistratur war das standesinteresse der aristokratie gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst starken beteiligung aller. Den eigentlichen anstoſs zur sprengung der ständischen vorrechteDie nau- τῆς κληϱωτῆς ἀγαγὼν δυνάμεως (692). so selbstverständlich ist für ihn das los im besten staate. er weiſs, daſs die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann. 29) Die delphischen urkunden kennen nur ἱεϱομνήμονες; dagegen Herodot
(8, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla- goren aber werden direct vom volke erwählt. erlost ist schon Hyperbolos zum hiero- mnemon (Ar. Wolk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgend wie durch eine πϱόκϱισις corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge- wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0063" n="53"/><fw place="top" type="header">Die reform von 683. die naukrarien.</fw><lb/> sogar die ratsstellen besetzte. für den hieromnemon<note place="foot" n="29)">Die delphischen urkunden kennen nur ἱεϱομνήμονες; dagegen Herodot<lb/> (8, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer<lb/> zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla-<lb/> goren aber werden direct vom volke erwählt. erlost ist schon Hyperbolos zum hiero-<lb/> mnemon (Ar. Wolk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war<lb/> also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgend wie durch eine<lb/> πϱόκϱισις corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge-<lb/> wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte.</note>, der nach Del-<lb/> phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä-<lb/> rischen chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden.<lb/> das neugeschaffene amt der 6 ‘rechtssetzer’ war vielleicht ursprünglich<lb/> als ein collegium gedacht, das unter vorsitz eines der drei oberbeamten<lb/> das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen,<lb/> sonst würde ihre zahl ungerade sein. die forderung, daſs der einzelne<lb/> magistrat nur unter zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die<lb/> perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen ver-<lb/> waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise<lb/> befriedigt. das collegium der elf für die aburteilung manifester todes-<lb/> würdiger verbrechen, die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen-<lb/> könige unter vorsitz des königs, wol schon die beiden ‘beisitzer’ der<lb/> drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr groſser schritt vor-<lb/> wärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshöfe Palladion<lb/> und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht-<lb/> bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stande gehörigen.<lb/> die zahl ist ungerade: der vorsitzende könig stimmte also nicht mehr<lb/> mit. es kann nicht bezweifelt werden, daſs auch die civile judicatur<lb/> der neun beamten schon im siebenten jahrhundert an die zuziehung<lb/> von geschwornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansicht<lb/> der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte. der ausbildung<lb/> einer mächtigen magistratur war das standesinteresse der aristokratie<lb/> gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst<lb/> starken beteiligung aller.</p><lb/> <p>Den eigentlichen anstoſs zur sprengung der ständischen vorrechte<note place="right">Die nau-<lb/> krarien.</note><lb/> gab die örtliche verwaltung Attikas, das für das bloſse hinterland der<lb/> hauptstadt zu groſs war. die stadt muſste wol der sitz der regierung<lb/> sein, und wer beamter ward, also in den rat auf lebenszeit trat, konnte<lb/><note xml:id="note-0063" prev="#note-0062" place="foot" n="28)">τῆς κληϱωτῆς ἀγαγὼν δυνάμεως (692). so selbstverständlich ist für ihn das los<lb/> im besten staate. er weiſs, daſs die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen<lb/> den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [53/0063]
Die reform von 683. die naukrarien.
sogar die ratsstellen besetzte. für den hieromnemon 29), der nach Del-
phi gieng, eine repraesentation Athens im auslande, und für die militä-
rischen chargen ist die directe volkswahl wol schon früher geübt worden.
das neugeschaffene amt der 6 ‘rechtssetzer’ war vielleicht ursprünglich
als ein collegium gedacht, das unter vorsitz eines der drei oberbeamten
das recht fände: selbst collegialisch zu richten sind sie nicht geschaffen,
sonst würde ihre zahl ungerade sein. die forderung, daſs der einzelne
magistrat nur unter zuziehung eines beirates das urteil fällte, also die
perhorrescirung des einzelrichters und die bindung des einzelnen ver-
waltungsbeamten, war sehr alt und schon vielfach in verschiedener weise
befriedigt. das collegium der elf für die aburteilung manifester todes-
würdiger verbrechen, die blutgerichtsbarkeit des rates und der phylen-
könige unter vorsitz des königs, wol schon die beiden ‘beisitzer’ der
drei oberbeamten dienen dieser tendenz. ein sehr groſser schritt vor-
wärts war die berufung der 51 epheten an die blutgerichtshöfe Palladion
und Delphinion, von denen der eine auch für jeden mord eines nicht-
bürgers competent war, also vielleicht jedes nicht zum stande gehörigen.
die zahl ist ungerade: der vorsitzende könig stimmte also nicht mehr
mit. es kann nicht bezweifelt werden, daſs auch die civile judicatur
der neun beamten schon im siebenten jahrhundert an die zuziehung
von geschwornen teils wirklich gebunden ward, teils nach der ansicht
der vorwärts drängenden partei gebunden werden sollte. der ausbildung
einer mächtigen magistratur war das standesinteresse der aristokratie
gleich wenig geneigt wie das demokratische streben nach einer möglichst
starken beteiligung aller.
Den eigentlichen anstoſs zur sprengung der ständischen vorrechte
gab die örtliche verwaltung Attikas, das für das bloſse hinterland der
hauptstadt zu groſs war. die stadt muſste wol der sitz der regierung
sein, und wer beamter ward, also in den rat auf lebenszeit trat, konnte
28)
Die nau-
krarien.
29) Die delphischen urkunden kennen nur ἱεϱομνήμονες; dagegen Herodot
(8, 213) Plutarch (Them. 20) Strabon (IX 420) nur pylagoren. in demosthenischer
zeit wird in Athen ein hieromnemon erlost, auf den nichts ankommt, die drei pyla-
goren aber werden direct vom volke erwählt. erlost ist schon Hyperbolos zum hiero-
mnemon (Ar. Wolk. 623), aber damals erstrebte ein demagoge das amt: es war
also nicht bedeutungslos, und er erreichte es: das los war also irgend wie durch eine
πϱόκϱισις corrigirt. das ursprüngliche wird demnach ein erwählter hieromnemon ge-
wesen sein, der an der pylaia das wort selbst führte.
28) τῆς κληϱωτῆς ἀγαγὼν δυνάμεως (692). so selbstverständlich ist für ihn das los
im besten staate. er weiſs, daſs die ephoren nicht erlost sind, aber sie entsprechen
den losbeamten Athens, unter denen er nur an die archonten denken kann.
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