Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

Bild:
<< vorherige Seite
15.
DIE GEDICHTE DES ARISTOTELES.


Die entrüstung über die verräterei Memnons von Rhodos, der sein
freund Hermias zum opfer fiel, hat dem Aristoteles zwei gedichte ent-
lockt, die wir der biographie des Hermippos verdanken. denn dass auf
diesen die darstellung des Athenaeus zurückgeht, über irgend eine musi-
kalische schrift, die z. b. den Polemon citirte, wird klar durch das citat
696 f., und anders wird man auch den bericht des Diogenes (V 6)
nicht beurteilen 1), so viele mittelglieder auch zwischen dem originale
und dem letzten ausschreiber liegen. für die kritik ist also massgebend,
dass alles worin Athenaeus und Diogenes stimmen ohne weiteres Her-
mippos ist. was wir gegen beide gewährsmänner ändern, ändern wir
gegen einen zeugen des dritten jahrhunderts. vor Hermippos hatten die
gedichte berücksichtigung gefunden in der von diesem selbst bezweifelten
verteidigungsrede des Aristoteles (Ath. 697a), bei dem falschen Aristippos
(Diog. V 4) und vielleicht dem Pythagoreer Lykon von Iasos (Aristokles
bei Euseb. pr. ev. XV 792), denen man wol so viel glauben kann, dass
der schurke, der den Aristoteles wegen religionsfrevels belangte, nicht
sowol die gedichte als die tatsache ihrer existenz misbraucht hatte. sie
sind denn auch dem pedantismus nicht zum opfer gefallen, der dem
Platon seine zum teil eben so gut bezeugten epigramme abstreitet.

Das epigramm auf Hermias stand unter einer statue desselben in
Delphi; eine prosaische inschrift muss die namen des geweihten und
des weihenden getragen haben. andere weihungen von statuen verordnet
das testament des Aristoteles. das gedicht lautet:


1) Diogenes schiebt seinerseits eine scheinbare variante aus Favorin ein, den
namen des anklägers Demophilos statt Eurymedon, den er einem capitel über die
ankläger berühmter philosophen entnahm (epist. ad Maass. 145): er hatte eben nicht
mehr den ganzen Hermippos, bei dem er gefunden haben würde, dass Demophilos
das vorgeschobene werkzeug des Eurymedon war; so Athenaeus.
26*
15.
DIE GEDICHTE DES ARISTOTELES.


Die entrüstung über die verräterei Memnons von Rhodos, der sein
freund Hermias zum opfer fiel, hat dem Aristoteles zwei gedichte ent-
lockt, die wir der biographie des Hermippos verdanken. denn daſs auf
diesen die darstellung des Athenaeus zurückgeht, über irgend eine musi-
kalische schrift, die z. b. den Polemon citirte, wird klar durch das citat
696 f., und anders wird man auch den bericht des Diogenes (V 6)
nicht beurteilen 1), so viele mittelglieder auch zwischen dem originale
und dem letzten ausschreiber liegen. für die kritik ist also maſsgebend,
daſs alles worin Athenaeus und Diogenes stimmen ohne weiteres Her-
mippos ist. was wir gegen beide gewährsmänner ändern, ändern wir
gegen einen zeugen des dritten jahrhunderts. vor Hermippos hatten die
gedichte berücksichtigung gefunden in der von diesem selbst bezweifelten
verteidigungsrede des Aristoteles (Ath. 697a), bei dem falschen Aristippos
(Diog. V 4) und vielleicht dem Pythagoreer Lykon von Iasos (Aristokles
bei Euseb. pr. ev. XV 792), denen man wol so viel glauben kann, daſs
der schurke, der den Aristoteles wegen religionsfrevels belangte, nicht
sowol die gedichte als die tatsache ihrer existenz misbraucht hatte. sie
sind denn auch dem pedantismus nicht zum opfer gefallen, der dem
Platon seine zum teil eben so gut bezeugten epigramme abstreitet.

Das epigramm auf Hermias stand unter einer statue desselben in
Delphi; eine prosaische inschrift muſs die namen des geweihten und
des weihenden getragen haben. andere weihungen von statuen verordnet
das testament des Aristoteles. das gedicht lautet:


1) Diogenes schiebt seinerseits eine scheinbare variante aus Favorin ein, den
namen des anklägers Demophilos statt Eurymedon, den er einem capitel über die
ankläger berühmter philosophen entnahm (epist. ad Maass. 145): er hatte eben nicht
mehr den ganzen Hermippos, bei dem er gefunden haben würde, daſs Demophilos
das vorgeschobene werkzeug des Eurymedon war; so Athenaeus.
26*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0413" n="[403]"/>
        <div n="2">
          <head>15.<lb/><hi rendition="#b">DIE GEDICHTE DES ARISTOTELES.</hi></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p>Die entrüstung über die verräterei Memnons von Rhodos, der sein<lb/>
freund Hermias zum opfer fiel, hat dem Aristoteles zwei gedichte ent-<lb/>
lockt, die wir der biographie des Hermippos verdanken. denn da&#x017F;s auf<lb/>
diesen die darstellung des Athenaeus zurückgeht, über irgend eine musi-<lb/>
kalische schrift, die z. b. den Polemon citirte, wird klar durch das citat<lb/>
696 f., und anders wird man auch den bericht des Diogenes (V 6)<lb/>
nicht beurteilen <note place="foot" n="1)">Diogenes schiebt seinerseits eine scheinbare variante aus Favorin ein, den<lb/>
namen des anklägers Demophilos statt Eurymedon, den er einem capitel über die<lb/>
ankläger berühmter philosophen entnahm (<hi rendition="#i">epist. ad Maass.</hi> 145): er hatte eben nicht<lb/>
mehr den ganzen Hermippos, bei dem er gefunden haben würde, da&#x017F;s Demophilos<lb/>
das vorgeschobene werkzeug des Eurymedon war; so Athenaeus.</note>, so viele mittelglieder auch zwischen dem originale<lb/>
und dem letzten ausschreiber liegen. für die kritik ist also ma&#x017F;sgebend,<lb/>
da&#x017F;s alles worin Athenaeus und Diogenes stimmen ohne weiteres Her-<lb/>
mippos ist. was wir gegen beide gewährsmänner ändern, ändern wir<lb/>
gegen einen zeugen des dritten jahrhunderts. vor Hermippos hatten die<lb/>
gedichte berücksichtigung gefunden in der von diesem selbst bezweifelten<lb/>
verteidigungsrede des Aristoteles (Ath. 697<hi rendition="#sup">a</hi>), bei dem falschen Aristippos<lb/>
(Diog. V 4) und vielleicht dem Pythagoreer Lykon von Iasos (Aristokles<lb/>
bei Euseb. pr. ev. XV 792), denen man wol so viel glauben kann, da&#x017F;s<lb/>
der schurke, der den Aristoteles wegen religionsfrevels belangte, nicht<lb/>
sowol die gedichte als die tatsache ihrer existenz misbraucht hatte. sie<lb/>
sind denn auch dem pedantismus nicht zum opfer gefallen, der dem<lb/>
Platon seine zum teil eben so gut bezeugten epigramme abstreitet.</p><lb/>
          <p>Das epigramm auf Hermias stand unter einer statue desselben in<lb/>
Delphi; eine prosaische inschrift mu&#x017F;s die namen des geweihten und<lb/>
des weihenden getragen haben. andere weihungen von statuen verordnet<lb/>
das testament des Aristoteles. das gedicht lautet:</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">26*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[403]/0413] 15. DIE GEDICHTE DES ARISTOTELES. Die entrüstung über die verräterei Memnons von Rhodos, der sein freund Hermias zum opfer fiel, hat dem Aristoteles zwei gedichte ent- lockt, die wir der biographie des Hermippos verdanken. denn daſs auf diesen die darstellung des Athenaeus zurückgeht, über irgend eine musi- kalische schrift, die z. b. den Polemon citirte, wird klar durch das citat 696 f., und anders wird man auch den bericht des Diogenes (V 6) nicht beurteilen 1), so viele mittelglieder auch zwischen dem originale und dem letzten ausschreiber liegen. für die kritik ist also maſsgebend, daſs alles worin Athenaeus und Diogenes stimmen ohne weiteres Her- mippos ist. was wir gegen beide gewährsmänner ändern, ändern wir gegen einen zeugen des dritten jahrhunderts. vor Hermippos hatten die gedichte berücksichtigung gefunden in der von diesem selbst bezweifelten verteidigungsrede des Aristoteles (Ath. 697a), bei dem falschen Aristippos (Diog. V 4) und vielleicht dem Pythagoreer Lykon von Iasos (Aristokles bei Euseb. pr. ev. XV 792), denen man wol so viel glauben kann, daſs der schurke, der den Aristoteles wegen religionsfrevels belangte, nicht sowol die gedichte als die tatsache ihrer existenz misbraucht hatte. sie sind denn auch dem pedantismus nicht zum opfer gefallen, der dem Platon seine zum teil eben so gut bezeugten epigramme abstreitet. Das epigramm auf Hermias stand unter einer statue desselben in Delphi; eine prosaische inschrift muſs die namen des geweihten und des weihenden getragen haben. andere weihungen von statuen verordnet das testament des Aristoteles. das gedicht lautet: 1) Diogenes schiebt seinerseits eine scheinbare variante aus Favorin ein, den namen des anklägers Demophilos statt Eurymedon, den er einem capitel über die ankläger berühmter philosophen entnahm (epist. ad Maass. 145): er hatte eben nicht mehr den ganzen Hermippos, bei dem er gefunden haben würde, daſs Demophilos das vorgeschobene werkzeug des Eurymedon war; so Athenaeus. 26*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/413
Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. [403]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/413>, abgerufen am 22.12.2024.