Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.III. 12. Isokrates Panegyrikos 100--114. urteils. es ist dieselbe ehedem notwendige jetzt nicht mehr existenz-berechtigte enge des horizonts, die für Demosthenes in einer abstracten moralischen bewunderung erstarb, in Isokrates aber nur den schönredner sah. der advocat und parlamentarier wird moralisch verlieren, der publicist an bedeutung gewinnen: dagegen der rednergrösse beider wird kein abbruch getan, wenn wir die menschen menschlich, die Hellenen hellenisch sehen. Veran- 3) Er hat es sogar bis zum ratsherrn gebracht, denn ich sehe nicht ab, warum
wir einen gleichnamigen verwandten in dem prytanen Aristophanes Kudathenaieus sehen sollen, CIA II 865. die überlieferung des steines lässt allerdings kein sicheres urteil über sein alter zu. III. 12. Isokrates Panegyrikos 100—114. urteils. es ist dieselbe ehedem notwendige jetzt nicht mehr existenz-berechtigte enge des horizonts, die für Demosthenes in einer abstracten moralischen bewunderung erstarb, in Isokrates aber nur den schönredner sah. der advocat und parlamentarier wird moralisch verlieren, der publicist an bedeutung gewinnen: dagegen der rednergröſse beider wird kein abbruch getan, wenn wir die menschen menschlich, die Hellenen hellenisch sehen. Veran- 3) Er hat es sogar bis zum ratsherrn gebracht, denn ich sehe nicht ab, warum
wir einen gleichnamigen verwandten in dem prytanen Ἀϱιστοφάνης Κυδαϑηναιεύς sehen sollen, CIA II 865. die überlieferung des steines läſst allerdings kein sicheres urteil über sein alter zu. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0392" n="382"/><fw place="top" type="header">III. 12. Isokrates Panegyrikos 100—114.</fw><lb/> urteils. es ist dieselbe ehedem notwendige jetzt nicht mehr existenz-<lb/> berechtigte enge des horizonts, die für Demosthenes in einer abstracten<lb/> moralischen bewunderung erstarb, in Isokrates aber nur den schönredner<lb/> sah. der advocat und parlamentarier wird moralisch verlieren, der<lb/> publicist an bedeutung gewinnen: dagegen der rednergröſse beider wird<lb/> kein abbruch getan, wenn wir die menschen menschlich, die Hellenen<lb/> hellenisch sehen.</p><lb/> <p><note place="left">Veran-<lb/> lassung der<lb/> rede.</note>Thrasybulos von Steiria hatte es 390 versucht, das Reich zu er-<lb/> neuern, mit unzulänglichen mitteln und in demselben braven aber be-<lb/> schränkten glauben, daſs in der demokratischen reichspolitik des fünften<lb/> jahrhunderts das alleinige heil läge, in dem er seiner meinung nach<lb/> das vaterland 403 gerettet hatte. und wirklich machte es einen ge-<lb/> waltigen eindruck, als endlich einmal wieder eine athenische flotte in<lb/> den gewässern erschien, die sie einst beherrscht hatte. aber wenn<lb/> Thrasybulos an die zeiten vor 412 anknüpfte, so beschwor er damit<lb/> selbst die coalition zwischen Persien und Sparta herauf, und ein wirklicher<lb/> staatsmann hätte für diesen fall gerüstet sein müssen; sein plötzlicher<lb/> tod vor dem feinde war für Thrasybulos ein glück. zu hause hatte man<lb/> sich den ausschweifendsten hoffnungen hingegeben, und 388 führte<lb/> Aristophanes, der alt und ehrbar geworden war<note place="foot" n="3)">Er hat es sogar bis zum ratsherrn gebracht, denn ich sehe nicht ab, warum<lb/> wir einen gleichnamigen verwandten in dem prytanen Ἀϱιστοφάνης Κυδαϑηναιεύς<lb/> sehen sollen, CIA II 865. die überlieferung des steines läſst allerdings kein sicheres<lb/> urteil über sein alter zu.</note>, einen alten schwank<lb/> wieder auf, der die wiederkehr des Reichtums sehr verfrüht feierte.<lb/> wenn der gott Plutos gekommen wäre und hätte nur dies aristophanische<lb/> gesindel in Athen gefunden, das an den eigenen geldbeutel und nicht<lb/> an den schatz der burg denkt, so würde er es nicht lange auf erden<lb/> ausgehalten haben. aber er kam nicht. an den Olympien desselben<lb/> jahres erlaubte sich der sophist Lysias die törichte demonstration, den<lb/> seit jahren einander bekriegenden Hellenen eine gemeinsame intervention<lb/> zu gunsten der befreiung Siciliens von dem joche des Dionysios vor-<lb/> zuschlagen, des mannes, ohne dessen energie Sicilien längst karthagisch<lb/> gewesen wäre. Lysias war syrakusanischer herkunft und seit 403, so<lb/> weit die advocatur ihn nicht bestimmte andere töne anzuschlagen, mit<lb/> der radicalen partei in Athen eng verbunden, ohne doch je eine per-<lb/> sönliche geltung zu gewinnen. in wie weit er mit dieser rede be-<lb/> stellte arbeit lieferte, mag dahinstehn: Dionysios hatte jedenfalls das<lb/> recht, die leitende radicale partei Athens für diese tactlosigkeit ver-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [382/0392]
III. 12. Isokrates Panegyrikos 100—114.
urteils. es ist dieselbe ehedem notwendige jetzt nicht mehr existenz-
berechtigte enge des horizonts, die für Demosthenes in einer abstracten
moralischen bewunderung erstarb, in Isokrates aber nur den schönredner
sah. der advocat und parlamentarier wird moralisch verlieren, der
publicist an bedeutung gewinnen: dagegen der rednergröſse beider wird
kein abbruch getan, wenn wir die menschen menschlich, die Hellenen
hellenisch sehen.
Thrasybulos von Steiria hatte es 390 versucht, das Reich zu er-
neuern, mit unzulänglichen mitteln und in demselben braven aber be-
schränkten glauben, daſs in der demokratischen reichspolitik des fünften
jahrhunderts das alleinige heil läge, in dem er seiner meinung nach
das vaterland 403 gerettet hatte. und wirklich machte es einen ge-
waltigen eindruck, als endlich einmal wieder eine athenische flotte in
den gewässern erschien, die sie einst beherrscht hatte. aber wenn
Thrasybulos an die zeiten vor 412 anknüpfte, so beschwor er damit
selbst die coalition zwischen Persien und Sparta herauf, und ein wirklicher
staatsmann hätte für diesen fall gerüstet sein müssen; sein plötzlicher
tod vor dem feinde war für Thrasybulos ein glück. zu hause hatte man
sich den ausschweifendsten hoffnungen hingegeben, und 388 führte
Aristophanes, der alt und ehrbar geworden war 3), einen alten schwank
wieder auf, der die wiederkehr des Reichtums sehr verfrüht feierte.
wenn der gott Plutos gekommen wäre und hätte nur dies aristophanische
gesindel in Athen gefunden, das an den eigenen geldbeutel und nicht
an den schatz der burg denkt, so würde er es nicht lange auf erden
ausgehalten haben. aber er kam nicht. an den Olympien desselben
jahres erlaubte sich der sophist Lysias die törichte demonstration, den
seit jahren einander bekriegenden Hellenen eine gemeinsame intervention
zu gunsten der befreiung Siciliens von dem joche des Dionysios vor-
zuschlagen, des mannes, ohne dessen energie Sicilien längst karthagisch
gewesen wäre. Lysias war syrakusanischer herkunft und seit 403, so
weit die advocatur ihn nicht bestimmte andere töne anzuschlagen, mit
der radicalen partei in Athen eng verbunden, ohne doch je eine per-
sönliche geltung zu gewinnen. in wie weit er mit dieser rede be-
stellte arbeit lieferte, mag dahinstehn: Dionysios hatte jedenfalls das
recht, die leitende radicale partei Athens für diese tactlosigkeit ver-
Veran-
lassung der
rede.
3) Er hat es sogar bis zum ratsherrn gebracht, denn ich sehe nicht ab, warum
wir einen gleichnamigen verwandten in dem prytanen Ἀϱιστοφάνης Κυδαϑηναιεύς
sehen sollen, CIA II 865. die überlieferung des steines läſst allerdings kein sicheres
urteil über sein alter zu.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |