Dass wir eine sammlung vor uns haben, planmässig angelegt, so dass sogar verschiedene fassungen vorkommen, ist klar. solcher sammlungen gab es mehr, wie die auf Praxilla getaufte lehrt. wir kennen ja auch aus der komoedie noch eine anzahl anderer skolien, und Aristophanes lässt in den Ekklesiazusen neue improvisiren. die gedichte gehören dem sechsten und fünften jahrhundert an; nicht viel länger hat die mode die skolien festgehalten. aber kein späterer gelehrter hat die sammlung gemacht; wo sollte er denn die lieder finden? das bedürfnis hat sie erzeugt: es ist wirklich ein attisches commersbuch, bestimmt für solche teilnehmer, die sich's nicht zutrauten einen vers zu machen. so ist ja auch die home- rische hymnensammlung (und die orphische nicht minder) ein hilfsbuch für einen rhapsoden; die grammatiker sind daran ganz unschuldig. die bücher sind nur in späterer zeit nicht mehr zu praktischem gebrauche, sondern zur lecture vervielfältigt. und erst in diesem stadium sind die beiden nummern aus der Politie des Aristoteles hineingekommen, jetzt als 23 und 24 vor dem letzten asklepiadeischen distichon eingelegt. wer die ordnung überschaut, die sonst herrscht, wird daran nicht zweifeln, zumal so das politische gedicht von den politischen, dieser einzige spruch im gewöhnlichen skolienmasse von der ganzen reihe desselben tones ge- trennt ist.
III. 5. Die attische skoliensammlung.
Daſs wir eine sammlung vor uns haben, planmäſsig angelegt, so daſs sogar verschiedene fassungen vorkommen, ist klar. solcher sammlungen gab es mehr, wie die auf Praxilla getaufte lehrt. wir kennen ja auch aus der komoedie noch eine anzahl anderer skolien, und Aristophanes läſst in den Ekklesiazusen neue improvisiren. die gedichte gehören dem sechsten und fünften jahrhundert an; nicht viel länger hat die mode die skolien festgehalten. aber kein späterer gelehrter hat die sammlung gemacht; wo sollte er denn die lieder finden? das bedürfnis hat sie erzeugt: es ist wirklich ein attisches commersbuch, bestimmt für solche teilnehmer, die sich’s nicht zutrauten einen vers zu machen. so ist ja auch die home- rische hymnensammlung (und die orphische nicht minder) ein hilfsbuch für einen rhapsoden; die grammatiker sind daran ganz unschuldig. die bücher sind nur in späterer zeit nicht mehr zu praktischem gebrauche, sondern zur lecture vervielfältigt. und erst in diesem stadium sind die beiden nummern aus der Politie des Aristoteles hineingekommen, jetzt als 23 und 24 vor dem letzten asklepiadeischen distichon eingelegt. wer die ordnung überschaut, die sonst herrscht, wird daran nicht zweifeln, zumal so das politische gedicht von den politischen, dieser einzige spruch im gewöhnlichen skolienmaſse von der ganzen reihe desselben tones ge- trennt ist.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0332"n="322"/><fwplace="top"type="header">III. 5. Die attische skoliensammlung.</fw><lb/><p>Daſs wir eine sammlung vor uns haben, planmäſsig angelegt, so daſs<lb/>
sogar verschiedene fassungen vorkommen, ist klar. solcher sammlungen<lb/>
gab es mehr, wie die auf Praxilla getaufte lehrt. wir kennen ja auch aus<lb/>
der komoedie noch eine anzahl anderer skolien, und Aristophanes läſst in<lb/>
den Ekklesiazusen neue improvisiren. die gedichte gehören dem sechsten<lb/>
und fünften jahrhundert an; nicht viel länger hat die mode die skolien<lb/>
festgehalten. aber kein späterer gelehrter hat die sammlung gemacht; wo<lb/>
sollte er denn die lieder finden? das bedürfnis hat sie erzeugt: es ist<lb/>
wirklich ein attisches commersbuch, bestimmt für solche teilnehmer, die<lb/>
sich’s nicht zutrauten einen vers zu machen. so ist ja auch die home-<lb/>
rische hymnensammlung (und die orphische nicht minder) ein hilfsbuch<lb/>
für einen rhapsoden; die grammatiker sind daran ganz unschuldig. die<lb/>
bücher sind nur in späterer zeit nicht mehr zu praktischem gebrauche,<lb/>
sondern zur lecture vervielfältigt. und erst in diesem stadium sind die<lb/>
beiden nummern aus der Politie des Aristoteles hineingekommen, jetzt als<lb/>
23 und 24 vor dem letzten asklepiadeischen distichon eingelegt. wer die<lb/>
ordnung überschaut, die sonst herrscht, wird daran nicht zweifeln, zumal<lb/>
so das politische gedicht von den politischen, dieser einzige spruch im<lb/>
gewöhnlichen skolienmaſse von der ganzen reihe desselben tones ge-<lb/>
trennt ist.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[322/0332]
III. 5. Die attische skoliensammlung.
Daſs wir eine sammlung vor uns haben, planmäſsig angelegt, so daſs
sogar verschiedene fassungen vorkommen, ist klar. solcher sammlungen
gab es mehr, wie die auf Praxilla getaufte lehrt. wir kennen ja auch aus
der komoedie noch eine anzahl anderer skolien, und Aristophanes läſst in
den Ekklesiazusen neue improvisiren. die gedichte gehören dem sechsten
und fünften jahrhundert an; nicht viel länger hat die mode die skolien
festgehalten. aber kein späterer gelehrter hat die sammlung gemacht; wo
sollte er denn die lieder finden? das bedürfnis hat sie erzeugt: es ist
wirklich ein attisches commersbuch, bestimmt für solche teilnehmer, die
sich’s nicht zutrauten einen vers zu machen. so ist ja auch die home-
rische hymnensammlung (und die orphische nicht minder) ein hilfsbuch
für einen rhapsoden; die grammatiker sind daran ganz unschuldig. die
bücher sind nur in späterer zeit nicht mehr zu praktischem gebrauche,
sondern zur lecture vervielfältigt. und erst in diesem stadium sind die
beiden nummern aus der Politie des Aristoteles hineingekommen, jetzt als
23 und 24 vor dem letzten asklepiadeischen distichon eingelegt. wer die
ordnung überschaut, die sonst herrscht, wird daran nicht zweifeln, zumal
so das politische gedicht von den politischen, dieser einzige spruch im
gewöhnlichen skolienmaſse von der ganzen reihe desselben tones ge-
trennt ist.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/332>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.