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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Elis. Korinth.
durch die urkunden des tempels musste Olympia für alle Hellenen,
insbesondere die Peloponnesier, eine schatzkammer der wertvollsten über-
lieferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die
chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der
städtischen jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine
zählung statt einer benennung der jahre ermöglichte, und darum hat
sie Eratosthenes befolgt. im übrigen hat diese einführung einer rech-
nung, die strenggenommen statt des jahres das quadriennium als einheit
einführt, die chronologie mehr verwirrt als vereinfacht.20)

Eine ähnliche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechendSikyon
wesentlich musischen inhaltes, besass Sikyon, und sie ist schon vor Ari-
stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene königsliste
zeigt, dass eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der
reichen novellistischen überlieferung, die Herodotos wiedergibt, scheint
nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein.

Auch für Korinth bezeugen die listen der könige, die stemmata derKorinth
Bakchiaden, treffliche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen
der Kypseliden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine
familie hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar
angesetzt. nachdrücklich hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides)
das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die
Herodotos gibt, in schutz genommen, und wir werden ihm zu glauben
verpflichtet sein.21) aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie
sie die kunstwerke des sechsten jahrhunderts lehren, entspricht, steht
das fehlen jeder korinthischen schrift aus den jahrhunderten 5--3 schroff
gegenüber.22) es war eine reiche grosse stadt der krämer und der huren.

20) Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen
chronik auf stein publicirt (CIA II 978), erst eine übersicht der kampfspiele, nach
der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die olym-
piaden genannt, keine synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht
gewirkt.
21) Sprüchwörter wie Dios Korinthos, Megareon dakrua, dekhetai kai bolon
Aletes sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk-
lich aus korinthischer tradition.
22) Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer
prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes
oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos Korinthiaka von Diodoros und
schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher.
ein weisser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge-
dächtnis ausschliesslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö.) erhalten ist.

Elis. Korinth.
durch die urkunden des tempels muſste Olympia für alle Hellenen,
insbesondere die Peloponnesier, eine schatzkammer der wertvollsten über-
lieferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die
chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der
städtischen jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine
zählung statt einer benennung der jahre ermöglichte, und darum hat
sie Eratosthenes befolgt. im übrigen hat diese einführung einer rech-
nung, die strenggenommen statt des jahres das quadriennium als einheit
einführt, die chronologie mehr verwirrt als vereinfacht.20)

Eine ähnliche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechendSikyon
wesentlich musischen inhaltes, besaſs Sikyon, und sie ist schon vor Ari-
stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene königsliste
zeigt, daſs eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der
reichen novellistischen überlieferung, die Herodotos wiedergibt, scheint
nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein.

Auch für Korinth bezeugen die listen der könige, die stemmata derKorinth
Bakchiaden, treffliche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen
der Kypseliden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine
familie hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar
angesetzt. nachdrücklich hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides)
das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die
Herodotos gibt, in schutz genommen, und wir werden ihm zu glauben
verpflichtet sein.21) aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie
sie die kunstwerke des sechsten jahrhunderts lehren, entspricht, steht
das fehlen jeder korinthischen schrift aus den jahrhunderten 5—3 schroff
gegenüber.22) es war eine reiche groſse stadt der krämer und der huren.

20) Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen
chronik auf stein publicirt (CIA II 978), erst eine übersicht der kampfspiele, nach
der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die olym-
piaden genannt, keine synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht
gewirkt.
21) Sprüchwörter wie Διὸς Κόϱινϑος, Μεγαϱέων δάκϱυα, δέχεται καὶ βῶλον
Ἀλήτης sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk-
lich aus korinthischer tradition.
22) Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer
prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes
oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos Κοϱινϑιακά von Diodoros und
schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher.
ein weiſser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge-
dächtnis ausschlieſslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö.) erhalten ist.
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[23/0033] Elis. Korinth. durch die urkunden des tempels muſste Olympia für alle Hellenen, insbesondere die Peloponnesier, eine schatzkammer der wertvollsten über- lieferung sein, aus der nur leider zu wenig auf uns gerettet ist. die chronik der Olympioniken, die Timaios mit recht zur controlle der städtischen jahrzählungen heranzog, empfahl sich, weil sie überhaupt eine zählung statt einer benennung der jahre ermöglichte, und darum hat sie Eratosthenes befolgt. im übrigen hat diese einführung einer rech- nung, die strenggenommen statt des jahres das quadriennium als einheit einführt, die chronologie mehr verwirrt als vereinfacht. 20) Eine ähnliche festchronik, des dortigen Pythions und dem entsprechend wesentlich musischen inhaltes, besaſs Sikyon, und sie ist schon vor Ari- stoteles publicirt. die wenn auch erst bei späteren erhaltene königsliste zeigt, daſs eine wirkliche chronik mit ihr verbunden war. aber von der reichen novellistischen überlieferung, die Herodotos wiedergibt, scheint nichts weiter aufgezeichnet worden zu sein. Sikyon Auch für Korinth bezeugen die listen der könige, die stemmata der Bakchiaden, treffliche daten von koloniegründungen, herrschaftszahlen der Kypseliden, eine reiche alte tradition, und an Periandros und seine familie hat sich eine fülle von novellen ganz den ionischen vergleichbar angesetzt. nachdrücklich hat Aristoteles (im auszuge des Herakleides) das andenken des Periandros wider die fabeln von dem tyrannen, die Herodotos gibt, in schutz genommen, und wir werden ihm zu glauben verpflichtet sein. 21) aber dieser fülle, die der bedeutung Korinths, wie sie die kunstwerke des sechsten jahrhunderts lehren, entspricht, steht das fehlen jeder korinthischen schrift aus den jahrhunderten 5—3 schroff gegenüber. 22) es war eine reiche groſse stadt der krämer und der huren. Korinth 20) Als Timaios ein greis war, ist in Athen ein auszug aus der olympischen chronik auf stein publicirt (CIA II 978), erst eine übersicht der kampfspiele, nach der zeit ihrer einführung geordnet, dann die attischen sieger. es sind nur die olym- piaden genannt, keine synchronismen gegeben, also hat hierauf Timaios noch nicht gewirkt. 21) Sprüchwörter wie Διὸς Κόϱινϑος, Μεγαϱέων δάκϱυα, δέχεται καὶ βῶλον Ἀλήτης sind in aller munde, zum teil schon in sehr früher zeit, und stammen wirk- lich aus korinthischer tradition. 22) Den namen Eumelos, den das korinthische epos trug, hat man auch einer prosaischen schrift gegeben, die zum teil paraphrase des epos war, wie Pherekydes oft den Hesiodos paraphrasirt. ein hellenistisches epos Κοϱινϑιακά von Diodoros und schriften der dichter Euphorion und Musaios über die Isthmien gehören nicht hierher. ein weiſser rabe ist der skeptische philosoph Xeniades von Korinth, dessen ge- dächtnis ausschlieſslich durch Demokritos (Sextus 201 Bekk. u. ö.) erhalten ist.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/33>, abgerufen am 23.11.2024.