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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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III. 5. Die attische skoliensammlung.
schätze des erdinnern willen euphemistisch Plouton nennt. -- dann kommt
Apollon, der Delier, auf dessen insel Artemis eigentlich nicht geboren ist,
so dass etikte paida Lato (E) besser ist als tekna L. (A); an den
bruder schliesst sich Artemis, wie sie die Athener verehren, als jägerin,
und noch mehr als herrin des weiblichen geschlechtes (Aisch. Hik. 676).
das lied taugt nicht viel, da es erzählend anhebt und so seine herkunft
aus der elegie, die weiter ausholen kann (Theogn. 1--14), verrät. -- der
vierte ist Pan, noch kein Athener, sondern mit den dionysischen nymphen
im arkadischen gebirge schwärmend. er soll sich nur am liede freuen,
das so lustig ist wie er, der den himmlischen komos führt. die fremden
formen (medon kleennas) und die merkwürdige tatsache, dass die ver-
dorbene überlieferung durch ein cultlied geheilt werden konnte, das
600 jahre später in Oberaegypten aufgezeichnet ist, beweisen die ab-
leitung dieses spruches aus den chorischen gesängen des eigentlichen
gottesdienstes; für den war das chorlied Pindars (fgm. 95. 96) bestimmt,
das vielleicht selbst dieses vorbild war. -- der fünfte spruch ist verstümmelt
und verdorben. er bildet bereits den übergang zu profanen gegenständen.
'wir haben gesiegt und die götter haben uns den sieg von der Pandrosos
her übergeben.' was sie von der hüterin des heiligen ölbaumes nahmen
ist entweder der ölzweig oder wol noch richtiger das öl: der trinkende
gedenkt des sieges, den er oder die seinen an den Panathenaeen er-
rungen haben.

Nun folgt eine reihe moralischer sprüche; an zwei hochberühmte
in demselben tone ist ein aus aeolischer poesie entlehnter in alkaischer
strophe und ein anderer auch aeolischer angereiht. diese vereinzelten
töne hat der ordner so lieber untergesteckt, weil sie doch nirgend pas-
sender standen. dass Athenaeus ein par citate über ugiainein aus eigner
lectüre beifügte, wird keinen seiner leser beirren. der wunsch, dem
menschen ins herz zu sehen, um zu erfahren, ob seine freundschaft
ächt sei, schickt sich für das lied im freundeskreise; Euripides citirt diesen
spruch Med. 516, Hipp. 926. -- das allbekannte ugiainein hat schon Epi-
charm citirt, und es war dem Simonides wegen fgm. 78 gegeben. was der
dichter damit meinte, darf man nicht aus den erläuterungen der philo-
sophen holen, sondern aus der situation, für die er es gemacht hat: er
will nur sagen "wir sind gesunde hübsche jungen und haben's dazu: lasst
uns drum lustig sein". der deutsche student pflegt beim weine (d. h. biere)
seinen verkehr mit dem leihhause und dem wucherer zu besingen; auch
wenn er in ehrlicher armut ehrenvoll sich durchschlägt, fingirt er die
verlumptheit. eine wirkliche lebensregel gibt die alkaische strophe, nicht

III. 5. Die attische skoliensammlung.
schätze des erdinnern willen euphemistisch Πλούτων nennt. — dann kommt
Apollon, der Delier, auf dessen insel Artemis eigentlich nicht geboren ist,
so daſs ἔτικτε παῖδα Λατώ (E) besser ist als τέκνα Λ. (A); an den
bruder schlieſst sich Artemis, wie sie die Athener verehren, als jägerin,
und noch mehr als herrin des weiblichen geschlechtes (Aisch. Hik. 676).
das lied taugt nicht viel, da es erzählend anhebt und so seine herkunft
aus der elegie, die weiter ausholen kann (Theogn. 1—14), verrät. — der
vierte ist Pan, noch kein Athener, sondern mit den dionysischen nymphen
im arkadischen gebirge schwärmend. er soll sich nur am liede freuen,
das so lustig ist wie er, der den himmlischen komos führt. die fremden
formen (μέδων κλεεννᾶς) und die merkwürdige tatsache, daſs die ver-
dorbene überlieferung durch ein cultlied geheilt werden konnte, das
600 jahre später in Oberaegypten aufgezeichnet ist, beweisen die ab-
leitung dieses spruches aus den chorischen gesängen des eigentlichen
gottesdienstes; für den war das chorlied Pindars (fgm. 95. 96) bestimmt,
das vielleicht selbst dieses vorbild war. — der fünfte spruch ist verstümmelt
und verdorben. er bildet bereits den übergang zu profanen gegenständen.
‘wir haben gesiegt und die götter haben uns den sieg von der Pandrosos
her übergeben.’ was sie von der hüterin des heiligen ölbaumes nahmen
ist entweder der ölzweig oder wol noch richtiger das öl: der trinkende
gedenkt des sieges, den er oder die seinen an den Panathenaeen er-
rungen haben.

Nun folgt eine reihe moralischer sprüche; an zwei hochberühmte
in demselben tone ist ein aus aeolischer poesie entlehnter in alkaischer
strophe und ein anderer auch aeolischer angereiht. diese vereinzelten
töne hat der ordner so lieber untergesteckt, weil sie doch nirgend pas-
sender standen. daſs Athenaeus ein par citate über ὑγιαίνειν aus eigner
lectüre beifügte, wird keinen seiner leser beirren. der wunsch, dem
menschen ins herz zu sehen, um zu erfahren, ob seine freundschaft
ächt sei, schickt sich für das lied im freundeskreise; Euripides citirt diesen
spruch Med. 516, Hipp. 926. — das allbekannte ὑγιαίνειν hat schon Epi-
charm citirt, und es war dem Simonides wegen fgm. 78 gegeben. was der
dichter damit meinte, darf man nicht aus den erläuterungen der philo-
sophen holen, sondern aus der situation, für die er es gemacht hat: er
will nur sagen “wir sind gesunde hübsche jungen und haben’s dazu: laſst
uns drum lustig sein”. der deutsche student pflegt beim weine (d. h. biere)
seinen verkehr mit dem leihhause und dem wucherer zu besingen; auch
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verlumptheit. eine wirkliche lebensregel gibt die alkaische strophe, nicht

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[318/0328] III. 5. Die attische skoliensammlung. schätze des erdinnern willen euphemistisch Πλούτων nennt. — dann kommt Apollon, der Delier, auf dessen insel Artemis eigentlich nicht geboren ist, so daſs ἔτικτε παῖδα Λατώ (E) besser ist als τέκνα Λ. (A); an den bruder schlieſst sich Artemis, wie sie die Athener verehren, als jägerin, und noch mehr als herrin des weiblichen geschlechtes (Aisch. Hik. 676). das lied taugt nicht viel, da es erzählend anhebt und so seine herkunft aus der elegie, die weiter ausholen kann (Theogn. 1—14), verrät. — der vierte ist Pan, noch kein Athener, sondern mit den dionysischen nymphen im arkadischen gebirge schwärmend. er soll sich nur am liede freuen, das so lustig ist wie er, der den himmlischen komos führt. die fremden formen (μέδων κλεεννᾶς) und die merkwürdige tatsache, daſs die ver- dorbene überlieferung durch ein cultlied geheilt werden konnte, das 600 jahre später in Oberaegypten aufgezeichnet ist, beweisen die ab- leitung dieses spruches aus den chorischen gesängen des eigentlichen gottesdienstes; für den war das chorlied Pindars (fgm. 95. 96) bestimmt, das vielleicht selbst dieses vorbild war. — der fünfte spruch ist verstümmelt und verdorben. er bildet bereits den übergang zu profanen gegenständen. ‘wir haben gesiegt und die götter haben uns den sieg von der Pandrosos her übergeben.’ was sie von der hüterin des heiligen ölbaumes nahmen ist entweder der ölzweig oder wol noch richtiger das öl: der trinkende gedenkt des sieges, den er oder die seinen an den Panathenaeen er- rungen haben. Nun folgt eine reihe moralischer sprüche; an zwei hochberühmte in demselben tone ist ein aus aeolischer poesie entlehnter in alkaischer strophe und ein anderer auch aeolischer angereiht. diese vereinzelten töne hat der ordner so lieber untergesteckt, weil sie doch nirgend pas- sender standen. daſs Athenaeus ein par citate über ὑγιαίνειν aus eigner lectüre beifügte, wird keinen seiner leser beirren. der wunsch, dem menschen ins herz zu sehen, um zu erfahren, ob seine freundschaft ächt sei, schickt sich für das lied im freundeskreise; Euripides citirt diesen spruch Med. 516, Hipp. 926. — das allbekannte ὑγιαίνειν hat schon Epi- charm citirt, und es war dem Simonides wegen fgm. 78 gegeben. was der dichter damit meinte, darf man nicht aus den erläuterungen der philo- sophen holen, sondern aus der situation, für die er es gemacht hat: er will nur sagen “wir sind gesunde hübsche jungen und haben’s dazu: laſst uns drum lustig sein”. der deutsche student pflegt beim weine (d. h. biere) seinen verkehr mit dem leihhause und dem wucherer zu besingen; auch wenn er in ehrlicher armut ehrenvoll sich durchschlägt, fingirt er die verlumptheit. eine wirkliche lebensregel gibt die alkaische strophe, nicht

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/328>, abgerufen am 24.11.2024.