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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Der dritte bericht des Herodotos. die halle der Athener in Delphi.
schichtliche überlieferung der Athener den miserfolg möglichst gering
dargestellt, während die sage, die ja nur ganz im allgemeinen eine nieder-
lage als hintergrund brauchte, das sagenmotiv des einen unglücksboten
forderte. so schob Herodot die kämpfe um Damia und Auxesia in un-
bestimmte ferne, half sich aber über die wiederholung so gut es gieng
weg, indem er den ausgang des kampfes unterdrückte. sein leser mag
sich denken, es geht nun der kleine krieg weiter: der ausgang ist
durch das orakel vorgezeichnet, wird auch erwähnt, ist übrigens in den
tatsächlichen verhältnissen, unter denen Herodot schreibt, von selbst ge-
geben. da er keine jahrbücher schreibt, lässt er den Themistokles die
flotte ruhig für denselben aeginetischen krieg gründen, den er, streng
interpretirt, 491/0 angesetzt hat: seine erzählung des themistokleischen
strategems (7, 144) ist eben ein ganz anderer selbständiger bericht, der
zu der wirklichen zeit, 483, vortrefflich passt (vgl. oben I 275).

Wie sich nach dieser analyse das was an geschichte bleibt in die
übrigen ereignisse einordnen lässt, ist oben s. 89 durch die tat gezeigt.

Danach haben ihre erfolge gegen Aegina den Athenern keine ver-Die halle
der Athener
in Delphi.

anlassung gegeben, dem Apollon in Delphi eine halle zu bauen, in der
sie waffen und schiffsschnäbel aufstellten und daran schrieben Athe-
naioi anethesan ten stoan kai ta hopla kai takroteria helontes
to~n polemion (IGA 3a). die schrift zeigt, dass die weihung älter als
die Perserkriege ist; die dedicationsform, dass die Athener frei sind:
ganz abgesehen davon, dass die Peisistratiden zu Delphi wahrlich kein
pietätsverhältnis hatten. ich habe die halle sofort, als sie gefunden ward,
auf den sieg am Euripos 504 bezogen, und da alle andern deutungen schiff-
bruch gelitten haben, bin ich darin nur sicherer geworden. von einer
seeschlacht steht nichts geschrieben: erbeutet müssen in Chalkis schiffe
genug sein. die Athener hätten vielleicht besser getan, sie zu einer
flottengründung zu verwenden als sie zu verbrennen und die ehernen
vorderteile dem gotte zu weihen. aber eben deshalb wird die weihung
in eine zeit fallen, wo der gedanke an eine eigene flotte ihnen noch
gänzlich fern lag. für Delphi aber kann die dankbarkeit nie lebhafter
gewesen sein, als nachdem der gott Athen erst zur freiheit, dann zur
gemeindeordnung verholfen hatte. da die übrigens wirklich recht dürf-
tige halle sich an das polygonale stylobat lehnt, muss dieses damals
schon fertig gewesen sein: der tempel nicht, und er ist es 506
nicht gewesen (vgl. oben I 35). aber man würde dann ja auch
nicht nötig gehabt haben, dies kleine ding anzukleben: wenn der tempel
fertig war, kamen die weihgeschenke eben in ihn hinein. seit es die

Der dritte bericht des Herodotos. die halle der Athener in Delphi.
schichtliche überlieferung der Athener den miserfolg möglichst gering
dargestellt, während die sage, die ja nur ganz im allgemeinen eine nieder-
lage als hintergrund brauchte, das sagenmotiv des einen unglücksboten
forderte. so schob Herodot die kämpfe um Damia und Auxesia in un-
bestimmte ferne, half sich aber über die wiederholung so gut es gieng
weg, indem er den ausgang des kampfes unterdrückte. sein leser mag
sich denken, es geht nun der kleine krieg weiter: der ausgang ist
durch das orakel vorgezeichnet, wird auch erwähnt, ist übrigens in den
tatsächlichen verhältnissen, unter denen Herodot schreibt, von selbst ge-
geben. da er keine jahrbücher schreibt, läſst er den Themistokles die
flotte ruhig für denselben aeginetischen krieg gründen, den er, streng
interpretirt, 491/0 angesetzt hat: seine erzählung des themistokleischen
strategems (7, 144) ist eben ein ganz anderer selbständiger bericht, der
zu der wirklichen zeit, 483, vortrefflich paſst (vgl. oben I 275).

Wie sich nach dieser analyse das was an geschichte bleibt in die
übrigen ereignisse einordnen läſst, ist oben s. 89 durch die tat gezeigt.

Danach haben ihre erfolge gegen Aegina den Athenern keine ver-Die halle
der Athener
in Delphi.

anlassung gegeben, dem Apollon in Delphi eine halle zu bauen, in der
sie waffen und schiffsschnäbel aufstellten und daran schrieben Ἀϑε-
ναῖοι ἀνέϑεσαν τὴν στοὰν καὶ τὰ hόπλα καὶ τἀκϱοτέϱια hελόντες
το῀ν πολεμίον (IGA 3a). die schrift zeigt, daſs die weihung älter als
die Perserkriege ist; die dedicationsform, daſs die Athener frei sind:
ganz abgesehen davon, daſs die Peisistratiden zu Delphi wahrlich kein
pietätsverhältnis hatten. ich habe die halle sofort, als sie gefunden ward,
auf den sieg am Euripos 504 bezogen, und da alle andern deutungen schiff-
bruch gelitten haben, bin ich darin nur sicherer geworden. von einer
seeschlacht steht nichts geschrieben: erbeutet müssen in Chalkis schiffe
genug sein. die Athener hätten vielleicht besser getan, sie zu einer
flottengründung zu verwenden als sie zu verbrennen und die ehernen
vorderteile dem gotte zu weihen. aber eben deshalb wird die weihung
in eine zeit fallen, wo der gedanke an eine eigene flotte ihnen noch
gänzlich fern lag. für Delphi aber kann die dankbarkeit nie lebhafter
gewesen sein, als nachdem der gott Athen erst zur freiheit, dann zur
gemeindeordnung verholfen hatte. da die übrigens wirklich recht dürf-
tige halle sich an das polygonale stylobat lehnt, muſs dieses damals
schon fertig gewesen sein: der tempel nicht, und er ist es 506
nicht gewesen (vgl. oben I 35). aber man würde dann ja auch
nicht nötig gehabt haben, dies kleine ding anzukleben: wenn der tempel
fertig war, kamen die weihgeschenke eben in ihn hinein. seit es die

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[287/0297] Der dritte bericht des Herodotos. die halle der Athener in Delphi. schichtliche überlieferung der Athener den miserfolg möglichst gering dargestellt, während die sage, die ja nur ganz im allgemeinen eine nieder- lage als hintergrund brauchte, das sagenmotiv des einen unglücksboten forderte. so schob Herodot die kämpfe um Damia und Auxesia in un- bestimmte ferne, half sich aber über die wiederholung so gut es gieng weg, indem er den ausgang des kampfes unterdrückte. sein leser mag sich denken, es geht nun der kleine krieg weiter: der ausgang ist durch das orakel vorgezeichnet, wird auch erwähnt, ist übrigens in den tatsächlichen verhältnissen, unter denen Herodot schreibt, von selbst ge- geben. da er keine jahrbücher schreibt, läſst er den Themistokles die flotte ruhig für denselben aeginetischen krieg gründen, den er, streng interpretirt, 491/0 angesetzt hat: seine erzählung des themistokleischen strategems (7, 144) ist eben ein ganz anderer selbständiger bericht, der zu der wirklichen zeit, 483, vortrefflich paſst (vgl. oben I 275). Wie sich nach dieser analyse das was an geschichte bleibt in die übrigen ereignisse einordnen läſst, ist oben s. 89 durch die tat gezeigt. Danach haben ihre erfolge gegen Aegina den Athenern keine ver- anlassung gegeben, dem Apollon in Delphi eine halle zu bauen, in der sie waffen und schiffsschnäbel aufstellten und daran schrieben Ἀϑε- ναῖοι ἀνέϑεσαν τὴν στοὰν καὶ τὰ hόπλα καὶ τἀκϱοτέϱια hελόντες το῀ν πολεμίον (IGA 3a). die schrift zeigt, daſs die weihung älter als die Perserkriege ist; die dedicationsform, daſs die Athener frei sind: ganz abgesehen davon, daſs die Peisistratiden zu Delphi wahrlich kein pietätsverhältnis hatten. ich habe die halle sofort, als sie gefunden ward, auf den sieg am Euripos 504 bezogen, und da alle andern deutungen schiff- bruch gelitten haben, bin ich darin nur sicherer geworden. von einer seeschlacht steht nichts geschrieben: erbeutet müssen in Chalkis schiffe genug sein. die Athener hätten vielleicht besser getan, sie zu einer flottengründung zu verwenden als sie zu verbrennen und die ehernen vorderteile dem gotte zu weihen. aber eben deshalb wird die weihung in eine zeit fallen, wo der gedanke an eine eigene flotte ihnen noch gänzlich fern lag. für Delphi aber kann die dankbarkeit nie lebhafter gewesen sein, als nachdem der gott Athen erst zur freiheit, dann zur gemeindeordnung verholfen hatte. da die übrigens wirklich recht dürf- tige halle sich an das polygonale stylobat lehnt, muſs dieses damals schon fertig gewesen sein: der tempel nicht, und er ist es 506 nicht gewesen (vgl. oben I 35). aber man würde dann ja auch nicht nötig gehabt haben, dies kleine ding anzukleben: wenn der tempel fertig war, kamen die weihgeschenke eben in ihn hinein. seit es die Die halle der Athener in Delphi.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/297>, abgerufen am 24.11.2024.