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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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Die bruderschaft im verhältnis zum staate.
einen vertreter als collegen des adlichen brudermeisters durchgesetzt hat.
denn so lange der bestand der mitglieder lediglich durch die adlichen
brüder controllirt ward, muss der vorsteher ihnen allein angehört haben:
so war es schwerlich zufällig bei den Demotioniden 396. viel länger
dürfte sich ein vorrang wie der des oikos Dekeleon im passiven wahl-
recht kaum irgendwo gehalten haben. Euxitheos von Halimus, ein mann
der niedersten lebensstellung, ist in seiner phratrie phratriarch gewesen;
ob an ihrer spitze einer oder mehrere standen, ist nicht deutlich. mit
der phratriarchie ist die vermögensverwaltung verbunden; indessen kann
auch jeder thiasos seine casse haben, und wir sahen schon in dem ge-
setze des Hierokles, wie die casse der gesamtheit (des koinon) sich an
die stelle der casse des oikos setzt. die Dyaleer verpachten die grund-
stücke ausschliesslich für das koinon. dass dieser name statt der phratria
erscheint, beweist am besten, dass ehedem eine kleinere unterabteilung
über das vermögen der gesamten phratrie verfügte.

Natürlich sind die priestertümer der phratrie erst recht ein vorrecht
der adlichen, und der priester der Demotioniden heisst geradezu der des
Dekeleerhauses. dieser cult ist nur der des persönlich gefassten rechts-
begriffes der gemeinschaft: als sich in ihr die rangunterschiede ver-
wischten, mag das priestertum, das zudem etwas einbrachte, allen brüdern
zugänglich geworden sein. im übrigen haben die von der phratrie um-
schlossenen gemeinschaften, geschlechter wie thiasen, ihre sonderculte,
und da ist es schon etwas, wenn die teilnahme an den sacra den brüdern
insgesamt verstattet wird: von da bis zur ausübung derselben, vom
iera dekhesthai zum dran, ist ein weiter schritt, der vielfach wol gar
nicht getan ist. die phratrie, der der Kothokide Aischines angehörte,
war berechtigt an dem geschlechtsculte der Eteobutaden teil zu nehmen;
aber dieser cult, des Poseidon Erechtheus, ist immer geschlechtscult ge-
blieben, und Aischines hätte sich nie einfallen lassen, auf das priestertum
ansprüche zu erheben. es hat denn auch dieses geschlecht und sein
priesterlicher vorrang die phratrie lange überdauert. aber auf diesem
gebiete müssten wir sehr viele einzelne concrete erscheinungen kennen,
um allgemeine schlüsse wagen zu dürfen.

Nun sehen wir klarer, nun wollen wir die phratrien im verhältnisDie bruder-
schaft im
verhältnis
zum staate.

zum staate und zur bürgerschaft betrachten, rückwärtsschauend auch
hier von der helleren zeit aus. Es ist selbstverständlich, dass jeder
Athener de iure einer phratrie angehören muss, deren jede also ein
zwölftel der bürgerschaft umfasste: ein wie unförmliches ding war also
das phratriakon grammateion. dass das recht wirklich so war, zeigt

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Die bruderschaft im verhältnis zum staate.
einen vertreter als collegen des adlichen brudermeisters durchgesetzt hat.
denn so lange der bestand der mitglieder lediglich durch die adlichen
brüder controllirt ward, muſs der vorsteher ihnen allein angehört haben:
so war es schwerlich zufällig bei den Demotioniden 396. viel länger
dürfte sich ein vorrang wie der des οἶκος Δεκελέων im passiven wahl-
recht kaum irgendwo gehalten haben. Euxitheos von Halimus, ein mann
der niedersten lebensstellung, ist in seiner phratrie phratriarch gewesen;
ob an ihrer spitze einer oder mehrere standen, ist nicht deutlich. mit
der phratriarchie ist die vermögensverwaltung verbunden; indessen kann
auch jeder thiasos seine casse haben, und wir sahen schon in dem ge-
setze des Hierokles, wie die casse der gesamtheit (des κοινόν) sich an
die stelle der casse des οἶκος setzt. die Dyaleer verpachten die grund-
stücke ausschlieſslich für das κοινόν. daſs dieser name statt der φϱατϱία
erscheint, beweist am besten, daſs ehedem eine kleinere unterabteilung
über das vermögen der gesamten phratrie verfügte.

Natürlich sind die priestertümer der phratrie erst recht ein vorrecht
der adlichen, und der priester der Demotioniden heiſst geradezu der des
Dekeleerhauses. dieser cult ist nur der des persönlich gefaſsten rechts-
begriffes der gemeinschaft: als sich in ihr die rangunterschiede ver-
wischten, mag das priestertum, das zudem etwas einbrachte, allen brüdern
zugänglich geworden sein. im übrigen haben die von der phratrie um-
schlossenen gemeinschaften, geschlechter wie thiasen, ihre sonderculte,
und da ist es schon etwas, wenn die teilnahme an den sacra den brüdern
insgesamt verstattet wird: von da bis zur ausübung derselben, vom
ἱεϱὰ δέχεσϑαι zum δϱᾶν, ist ein weiter schritt, der vielfach wol gar
nicht getan ist. die phratrie, der der Kothokide Aischines angehörte,
war berechtigt an dem geschlechtsculte der Eteobutaden teil zu nehmen;
aber dieser cult, des Poseidon Erechtheus, ist immer geschlechtscult ge-
blieben, und Aischines hätte sich nie einfallen lassen, auf das priestertum
ansprüche zu erheben. es hat denn auch dieses geschlecht und sein
priesterlicher vorrang die phratrie lange überdauert. aber auf diesem
gebiete müſsten wir sehr viele einzelne concrete erscheinungen kennen,
um allgemeine schlüsse wagen zu dürfen.

Nun sehen wir klarer, nun wollen wir die phratrien im verhältnisDie bruder-
schaft im
verhältnis
zum staate.

zum staate und zur bürgerschaft betrachten, rückwärtsschauend auch
hier von der helleren zeit aus. Es ist selbstverständlich, daſs jeder
Athener de iure einer phratrie angehören muſs, deren jede also ein
zwölftel der bürgerschaft umfaſste: ein wie unförmliches ding war also
das φϱατϱιακὸν γϱαμματεῖον. daſs das recht wirklich so war, zeigt

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[275/0285] Die bruderschaft im verhältnis zum staate. einen vertreter als collegen des adlichen brudermeisters durchgesetzt hat. denn so lange der bestand der mitglieder lediglich durch die adlichen brüder controllirt ward, muſs der vorsteher ihnen allein angehört haben: so war es schwerlich zufällig bei den Demotioniden 396. viel länger dürfte sich ein vorrang wie der des οἶκος Δεκελέων im passiven wahl- recht kaum irgendwo gehalten haben. Euxitheos von Halimus, ein mann der niedersten lebensstellung, ist in seiner phratrie phratriarch gewesen; ob an ihrer spitze einer oder mehrere standen, ist nicht deutlich. mit der phratriarchie ist die vermögensverwaltung verbunden; indessen kann auch jeder thiasos seine casse haben, und wir sahen schon in dem ge- setze des Hierokles, wie die casse der gesamtheit (des κοινόν) sich an die stelle der casse des οἶκος setzt. die Dyaleer verpachten die grund- stücke ausschlieſslich für das κοινόν. daſs dieser name statt der φϱατϱία erscheint, beweist am besten, daſs ehedem eine kleinere unterabteilung über das vermögen der gesamten phratrie verfügte. Natürlich sind die priestertümer der phratrie erst recht ein vorrecht der adlichen, und der priester der Demotioniden heiſst geradezu der des Dekeleerhauses. dieser cult ist nur der des persönlich gefaſsten rechts- begriffes der gemeinschaft: als sich in ihr die rangunterschiede ver- wischten, mag das priestertum, das zudem etwas einbrachte, allen brüdern zugänglich geworden sein. im übrigen haben die von der phratrie um- schlossenen gemeinschaften, geschlechter wie thiasen, ihre sonderculte, und da ist es schon etwas, wenn die teilnahme an den sacra den brüdern insgesamt verstattet wird: von da bis zur ausübung derselben, vom ἱεϱὰ δέχεσϑαι zum δϱᾶν, ist ein weiter schritt, der vielfach wol gar nicht getan ist. die phratrie, der der Kothokide Aischines angehörte, war berechtigt an dem geschlechtsculte der Eteobutaden teil zu nehmen; aber dieser cult, des Poseidon Erechtheus, ist immer geschlechtscult ge- blieben, und Aischines hätte sich nie einfallen lassen, auf das priestertum ansprüche zu erheben. es hat denn auch dieses geschlecht und sein priesterlicher vorrang die phratrie lange überdauert. aber auf diesem gebiete müſsten wir sehr viele einzelne concrete erscheinungen kennen, um allgemeine schlüsse wagen zu dürfen. Nun sehen wir klarer, nun wollen wir die phratrien im verhältnis zum staate und zur bürgerschaft betrachten, rückwärtsschauend auch hier von der helleren zeit aus. Es ist selbstverständlich, daſs jeder Athener de iure einer phratrie angehören muſs, deren jede also ein zwölftel der bürgerschaft umfaſste: ein wie unförmliches ding war also das φϱατϱιακὸν γϱαμματεῖον. daſs das recht wirklich so war, zeigt Die bruder- schaft im verhältnis zum staate. 18*

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/285>, abgerufen am 24.11.2024.