Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.II. 7. Der athenische name. Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich. Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durch schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hiess auch Skythinos. in den spätern
zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr rasch der attischen onomatologie anschliessen. da liest man z. b. Serambos II 1978, Emaphus, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jahre 333 heisst der sophronist der Kekropis Adeistos (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein Adeistos fremder oder sclave, und 2781 steht Adistos Amphipolites, den für einen Adistos zu halten die mundart von Amphipolis verhütet. der name wird also makedonisch sein, und zu ihm der makedonische kurzname Adaios mit dem femininum Adaia gehören; so hat die königin Eurydike wol eher geheissen als Adea, wie bei Photius bibl. 70b 6 steht. -- beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 Ato Arkhidamou in Ago: das ist nicht nötig, Ato ist kurzname zu dem paphlagonischen Atotos, das ich auch nicht accentuiren kann. II. 7. Der athenische name. Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich. Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durch schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hieſs auch Skythinos. in den spätern
zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr rasch der attischen onomatologie anschlieſsen. da liest man z. b. Σήϱαμβος II 1978, Ἐμαφυς, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jahre 333 heiſst der sophronist der Kekropis Ἄδειστος (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte des vierten jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein Ἄδειστος fremder oder sclave, und 2781 steht Ἄδιστος Ἀμφιπολίτης, den für einen Ἅδιστος zu halten die mundart von Amphipolis verhütet. der name wird also makedonisch sein, und zu ihm der makedonische kurzname Ἀδαῖος mit dem femininum Ἀδαία gehören; so hat die königin Eurydike wol eher geheiſsen als Ἀδέα, wie bei Photius bibl. 70b 6 steht. — beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 Ἀτὼ Ἀϱχιδάμου in Ἀγώ: das ist nicht nötig, Ἀτώ ist kurzname zu dem paphlagonischen Ἀτωτος, das ich auch nicht accentuiren kann. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0180" n="170"/> <fw place="top" type="header">II. 7. Der athenische name.</fw><lb/> <p>Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich.<lb/> der sclave kann keine ehe eingehen, also entbehrt der im hause geborene<lb/> des vaters und der aus der fremde eingeführte barbar erst recht. der<lb/> metöke genieſst in Athen des vorrechtes, in einem quasigentilicischen<lb/> verbande zu stehen und nach dem attischen familienrechte behandelt zu<lb/> werden, er hat also einen vater. aber das gilt eben erst seit Kleisthenes,<lb/> der die private clientel durch die des staates ersetzt hat. ich habe das<lb/> früher aufgeführt und gezeigt, daſs die officielle bezeichnung Δᾷος ἐν<lb/> Μελίτῃ οἰκῶν ist. das ist das genaue analogon zu Εὐϑύδομος Μελιτεύς,<lb/> und in der tat führen die metöken auch später officiell keinen vaters-<lb/> namen. bevor der attische staat die metöken in seine clientel nahm,<lb/> war für sie der patron was der herr für den sclaven und freigelassenen,<lb/> der vater für den bürger war. trat aber vollends der metöke oder auch<lb/> der peregrine, der noch ein anderes vaterland gehabt hatte, in die ge-<lb/> meinde der Athener, so verlor er damit notwendigerweise seine frühere<lb/> familienverbindung, er konnte also ihre bezeichnung entweder nicht mehr<lb/> führen, oder aber er muſste dem vater die bezeichnung seiner heimat<lb/> geben, also sein neubürgertum eingestehn. die römische analogie macht<lb/> das sofort deutlich. der freigelassene führt den namen des patrons, der<lb/> neubürger kann gar keinen vatersnamen führen, oder aber er gesteht seinen<lb/> stand ein, indem er den unrömischen vatersnamen einsetzt, was in der<lb/> griechischen welt nicht selten geschieht. Λεύκιος Σολπίκιος Λυσι-<lb/> μάχου υἱός auf Delos, <hi rendition="#i">L. Tarquinius Demarati f.</hi> in der legende, das ist<lb/> eine bezeichnung, die wirklich ἐξελέγχει τοὺς νεοπολίτας.</p><lb/> <p>Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durch<lb/> diese maſsregel ganz besonders sinnfällig. aber die hellenische sinnesart<lb/><note xml:id="note-0180" prev="#note-0179" place="foot" n="2)">schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hieſs auch Skythinos. in den spätern<lb/> zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr<lb/> rasch der attischen onomatologie anschlieſsen. da liest man z. b. Σήϱαμβος II 1978,<lb/> Ἐμαφυς, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jahre 333 heiſst der sophronist<lb/> der Kekropis Ἄδειστος (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu<lb/> verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte<lb/> des vierten jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein Ἄδειστος fremder oder<lb/> sclave, und 2781 steht Ἄδιστος Ἀμφιπολίτης, den für einen Ἅδιστος zu halten die<lb/> mundart von Amphipolis verhütet. der name wird also makedonisch sein, und zu<lb/> ihm der makedonische kurzname Ἀδαῖος mit dem femininum Ἀδαία gehören; so<lb/> hat die königin Eurydike wol eher geheiſsen als Ἀδέα, wie bei Photius bibl. 70<hi rendition="#sup">b</hi> 6<lb/> steht. — beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 Ἀτὼ Ἀϱχιδάμου<lb/> in Ἀγώ: das ist nicht nötig, Ἀτώ ist kurzname zu dem paphlagonischen Ἀτωτος,<lb/> das ich auch nicht accentuiren kann.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [170/0180]
II. 7. Der athenische name.
Das klingt befremdlich, aber die logik des rechtes ist unerbittlich.
der sclave kann keine ehe eingehen, also entbehrt der im hause geborene
des vaters und der aus der fremde eingeführte barbar erst recht. der
metöke genieſst in Athen des vorrechtes, in einem quasigentilicischen
verbande zu stehen und nach dem attischen familienrechte behandelt zu
werden, er hat also einen vater. aber das gilt eben erst seit Kleisthenes,
der die private clientel durch die des staates ersetzt hat. ich habe das
früher aufgeführt und gezeigt, daſs die officielle bezeichnung Δᾷος ἐν
Μελίτῃ οἰκῶν ist. das ist das genaue analogon zu Εὐϑύδομος Μελιτεύς,
und in der tat führen die metöken auch später officiell keinen vaters-
namen. bevor der attische staat die metöken in seine clientel nahm,
war für sie der patron was der herr für den sclaven und freigelassenen,
der vater für den bürger war. trat aber vollends der metöke oder auch
der peregrine, der noch ein anderes vaterland gehabt hatte, in die ge-
meinde der Athener, so verlor er damit notwendigerweise seine frühere
familienverbindung, er konnte also ihre bezeichnung entweder nicht mehr
führen, oder aber er muſste dem vater die bezeichnung seiner heimat
geben, also sein neubürgertum eingestehn. die römische analogie macht
das sofort deutlich. der freigelassene führt den namen des patrons, der
neubürger kann gar keinen vatersnamen führen, oder aber er gesteht seinen
stand ein, indem er den unrömischen vatersnamen einsetzt, was in der
griechischen welt nicht selten geschieht. Λεύκιος Σολπίκιος Λυσι-
μάχου υἱός auf Delos, L. Tarquinius Demarati f. in der legende, das ist
eine bezeichnung, die wirklich ἐξελέγχει τοὺς νεοπολίτας.
Wie radical Kleisthenes gegen den adel eingeschritten ist, wird durch
diese maſsregel ganz besonders sinnfällig. aber die hellenische sinnesart
2)
2) schämt sich also seiner nicht; Anakreons vater hieſs auch Skythinos. in den spätern
zeiten dringen natürlich fremdnamen ein, obwol die meisten ausländer sich sehr
rasch der attischen onomatologie anschlieſsen. da liest man z. b. Σήϱαμβος II 1978,
Ἐμαφυς, was ich nicht accentuiren kann, II 1844. im jahre 333 heiſst der sophronist
der Kekropis Ἄδειστος (Bull. Corr. Hell. 13, 255), ein name, den ich vergeblich zu
verstehen versuchte; ein anderer träger des namens ist bürger in der ersten hälfte
des vierten jahrhunderts II 945, 21. aber II 3440 ist ein Ἄδειστος fremder oder
sclave, und 2781 steht Ἄδιστος Ἀμφιπολίτης, den für einen Ἅδιστος zu halten die
mundart von Amphipolis verhütet. der name wird also makedonisch sein, und zu
ihm der makedonische kurzname Ἀδαῖος mit dem femininum Ἀδαία gehören; so
hat die königin Eurydike wol eher geheiſsen als Ἀδέα, wie bei Photius bibl. 70b 6
steht. — beiläufig, kurz vor dem Adeistos verbessert Köhler 3436 Ἀτὼ Ἀϱχιδάμου
in Ἀγώ: das ist nicht nötig, Ἀτώ ist kurzname zu dem paphlagonischen Ἀτωτος,
das ich auch nicht accentuiren kann.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |