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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
hat man die entsetzlichen verluste herbeigeführt, die Athen zwangen
mitten im siege zu hause inne zu halten, während doch schon selbst in
Sicilien sich günstige anknüpfungspunkte für fernere unternehmungen
zu bieten schienen. das athenische volk mochte sich freilich den eigent-
lichen grund des miserfolges nicht eingestehn, es vertraute sich noch
einmal dem Kimon an, als dieser nach ablauf des zehnjährigen bannes
heimkehrte. er war der alte geblieben. er sicherte sich notdürftig
den rücken durch ein abkommen mit Sparta, das neuerstarkt nur einen
waffenstillstand mit kurzer frist zugestand, segelte in das ferne kyprische
meer, schlug die Perser und erreichte doch nichts als einen nur äusser-
lich militärisch ruhmvollen abschluss seines lebens. trotzdem, dass mit
ihm die perserfeindliche politik zu grabe gieng, gelang es Athen nur
mit äusserster not und dank dem diplomatischen geschick des Perikles,
bei dem zusammenbrechen seiner festländischen herrschaft für diesen
verzicht die anerkennung des Reiches und der seeherrschaft zu sichern.

Perikles.Perikles, der führer der demokratie, hat die verantwortung für die
reformen der funfziger jahre zu tragen, auch die für das programm,
dem er vierzig jahre lang treu geblieben ist. an den unternehmungen
wider Persien hat er sich nie beteiligt, vielmehr, sobald Kimons tod ihm
freie hand liess, ein einvernehmen mit Artaxerxes herbeigeführt, das bis
zu dessen tode angehalten hat. es kann ihm nicht nachgewiesen werden,
dass er nach westen in abenteuerlicher weise überzugreifen jemals ge-
dacht hat, nicht einmal nach den dorischen inseln, Kreta oder Thera
und Melos, hat er die hand ausgestreckt. er hat nur das Reich mit be-
wusster consequenz als ein object der athenischen herrschaft behandelt,
nicht mit tyrannischer gewalt, aber mit energie. bedrückt hat er die
bundesgenossen nicht, aber zu untertanen hat er sie gemacht. es ist
ihm nie in den sinn gekommen, Athen in das Reich oder in Hellas auf-
gehn zu lassen. gerade nach den verlusten in Aegypten hat er das
attische bürgerrecht beschränkt, um das eindringen der halbschlächtigen
zu verhindern, das Peisistratos und Kleisthenes befördert hatten. er hat
nachdrücklich damit ernst gemacht, auf dem boden der bundesstädte
ausserhalb Asiens (wo ihn wol die rücksicht auf Persien band) athenische
gemeinden zu gründen und so dem vordringen des bürgerlichen pro-
letariats zu steuern. aber er hat sein volk, das über Rhodos und Mi-
letos gebot, allerdings zum herrn auch über Sparta und Korinth machen
wollen: die herrschaft in Hellas war sein programm 462; er hat es trotz
den zwischenstreichen der kimonischen politik und trotz dem schweren
frieden von 445 nicht geändert. ruhige überlegung, aber ohne furcht

II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
hat man die entsetzlichen verluste herbeigeführt, die Athen zwangen
mitten im siege zu hause inne zu halten, während doch schon selbst in
Sicilien sich günstige anknüpfungspunkte für fernere unternehmungen
zu bieten schienen. das athenische volk mochte sich freilich den eigent-
lichen grund des miserfolges nicht eingestehn, es vertraute sich noch
einmal dem Kimon an, als dieser nach ablauf des zehnjährigen bannes
heimkehrte. er war der alte geblieben. er sicherte sich notdürftig
den rücken durch ein abkommen mit Sparta, das neuerstarkt nur einen
waffenstillstand mit kurzer frist zugestand, segelte in das ferne kyprische
meer, schlug die Perser und erreichte doch nichts als einen nur äuſser-
lich militärisch ruhmvollen abschluſs seines lebens. trotzdem, daſs mit
ihm die perserfeindliche politik zu grabe gieng, gelang es Athen nur
mit äuſserster not und dank dem diplomatischen geschick des Perikles,
bei dem zusammenbrechen seiner festländischen herrschaft für diesen
verzicht die anerkennung des Reiches und der seeherrschaft zu sichern.

Perikles.Perikles, der führer der demokratie, hat die verantwortung für die
reformen der funfziger jahre zu tragen, auch die für das programm,
dem er vierzig jahre lang treu geblieben ist. an den unternehmungen
wider Persien hat er sich nie beteiligt, vielmehr, sobald Kimons tod ihm
freie hand lieſs, ein einvernehmen mit Artaxerxes herbeigeführt, das bis
zu dessen tode angehalten hat. es kann ihm nicht nachgewiesen werden,
daſs er nach westen in abenteuerlicher weise überzugreifen jemals ge-
dacht hat, nicht einmal nach den dorischen inseln, Kreta oder Thera
und Melos, hat er die hand ausgestreckt. er hat nur das Reich mit be-
wuſster consequenz als ein object der athenischen herrschaft behandelt,
nicht mit tyrannischer gewalt, aber mit energie. bedrückt hat er die
bundesgenossen nicht, aber zu untertanen hat er sie gemacht. es ist
ihm nie in den sinn gekommen, Athen in das Reich oder in Hellas auf-
gehn zu lassen. gerade nach den verlusten in Aegypten hat er das
attische bürgerrecht beschränkt, um das eindringen der halbschlächtigen
zu verhindern, das Peisistratos und Kleisthenes befördert hatten. er hat
nachdrücklich damit ernst gemacht, auf dem boden der bundesstädte
auſserhalb Asiens (wo ihn wol die rücksicht auf Persien band) athenische
gemeinden zu gründen und so dem vordringen des bürgerlichen pro-
letariats zu steuern. aber er hat sein volk, das über Rhodos und Mi-
letos gebot, allerdings zum herrn auch über Sparta und Korinth machen
wollen: die herrschaft in Hellas war sein programm 462; er hat es trotz
den zwischenstreichen der kimonischen politik und trotz dem schweren
frieden von 445 nicht geändert. ruhige überlegung, aber ohne furcht

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[98/0108] II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes. hat man die entsetzlichen verluste herbeigeführt, die Athen zwangen mitten im siege zu hause inne zu halten, während doch schon selbst in Sicilien sich günstige anknüpfungspunkte für fernere unternehmungen zu bieten schienen. das athenische volk mochte sich freilich den eigent- lichen grund des miserfolges nicht eingestehn, es vertraute sich noch einmal dem Kimon an, als dieser nach ablauf des zehnjährigen bannes heimkehrte. er war der alte geblieben. er sicherte sich notdürftig den rücken durch ein abkommen mit Sparta, das neuerstarkt nur einen waffenstillstand mit kurzer frist zugestand, segelte in das ferne kyprische meer, schlug die Perser und erreichte doch nichts als einen nur äuſser- lich militärisch ruhmvollen abschluſs seines lebens. trotzdem, daſs mit ihm die perserfeindliche politik zu grabe gieng, gelang es Athen nur mit äuſserster not und dank dem diplomatischen geschick des Perikles, bei dem zusammenbrechen seiner festländischen herrschaft für diesen verzicht die anerkennung des Reiches und der seeherrschaft zu sichern. Perikles, der führer der demokratie, hat die verantwortung für die reformen der funfziger jahre zu tragen, auch die für das programm, dem er vierzig jahre lang treu geblieben ist. an den unternehmungen wider Persien hat er sich nie beteiligt, vielmehr, sobald Kimons tod ihm freie hand lieſs, ein einvernehmen mit Artaxerxes herbeigeführt, das bis zu dessen tode angehalten hat. es kann ihm nicht nachgewiesen werden, daſs er nach westen in abenteuerlicher weise überzugreifen jemals ge- dacht hat, nicht einmal nach den dorischen inseln, Kreta oder Thera und Melos, hat er die hand ausgestreckt. er hat nur das Reich mit be- wuſster consequenz als ein object der athenischen herrschaft behandelt, nicht mit tyrannischer gewalt, aber mit energie. bedrückt hat er die bundesgenossen nicht, aber zu untertanen hat er sie gemacht. es ist ihm nie in den sinn gekommen, Athen in das Reich oder in Hellas auf- gehn zu lassen. gerade nach den verlusten in Aegypten hat er das attische bürgerrecht beschränkt, um das eindringen der halbschlächtigen zu verhindern, das Peisistratos und Kleisthenes befördert hatten. er hat nachdrücklich damit ernst gemacht, auf dem boden der bundesstädte auſserhalb Asiens (wo ihn wol die rücksicht auf Persien band) athenische gemeinden zu gründen und so dem vordringen des bürgerlichen pro- letariats zu steuern. aber er hat sein volk, das über Rhodos und Mi- letos gebot, allerdings zum herrn auch über Sparta und Korinth machen wollen: die herrschaft in Hellas war sein programm 462; er hat es trotz den zwischenstreichen der kimonischen politik und trotz dem schweren frieden von 445 nicht geändert. ruhige überlegung, aber ohne furcht Perikles.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/108>, abgerufen am 24.11.2024.