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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893.

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II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
rechtes sehr deutlich, denn wir müssen uns eingestehn, dass weder er-
sichtlich ist, wie einzelne Areopagiten staatsgelder zu verwalten hatten,
noch bei welcher gelegenheit und in welcher form sie von Ephialtes zur
rechenschaft gezogen wurden. wir müssen uns mit der allgemeinen
aufsicht des Areopages, wie sie später der rat ausübt, über den schatz
und die kolakretencasse begnügen; übrigens konnten die schuldigen
Areopagiten selbst noch finanzämter bekleiden, da der eintritt in diesen
rat nicht zu andern ämtern disqualificirte. genug, es gelang dem
Ephialtes das ansehen des regierenden rates zu erschüttern. dann machte
man sich an Kimon, als er wegen seines thasischen krieges rechnung
legte. das erneute scheitern der colonisation Thrakiens mag die bürger
schwer verstimmt haben, und es mag sein, dass der sohn einer thraki-
schen fürstentochter mit den barbaren des Pangaion zu sanft verfahren
war. aber die beschuldigung, dass er geld genommen hätte, war doch
zu absurd bei dem manne, der geld nicht bedurfte und auch in bösen
dingen kein Themistokles war. aber vielleicht hatten auch die ankläger
seine freisprechung vorausgesehen. jedenfalls erlitten sie dadurch keinen
rückschlag, vielmehr gieng unmittelbar darauf das gesetz des Ephialtes
durch, das den Areopag prinzipiell aller verwaltungsgeschäfte entkleidete.
und in dem processe selbst hatte sich in Perikles nicht ein gehässiger
ankläger compromittirt, sondern in durchaus vornehmen formen ein über-
legner staatsmann eine neue und klare politik entwickelt. der sohn des
Xanthippos und neffe des Megakles war der geborne gegner der Phila-
iden: der aber hier auftrat, wollte sein, was seine ahnen aus überzeugung
nie gewesen waren, prostates tou demou. er versprach dem volke
der jungen, die den Mederkrieg als etwas vergangenes, das Reich als
etwas gegebenes ansahen, ihre politischen forderungen zu erfüllen: ihm
gehörte die zukunft. das mochten sich viele sagen. dass aber der de-
mokratie schon im folgenden jahre die gegenwart zufallen würde, ge-
schah seltsamer weise eben dadurch, dass für einen augenblick Kimon
das übergewicht erlangte und die hilfe, um die die Spartaner flehentlich
baten, nach Ithome führen durfte. Sparta hat gewiss nichts weniger
gewünscht als die Athener zu brüskiren, aber ihre anwesenheit im Pelo-
ponnes war für sein prestige und die treue seiner bündner ungleich ge-
fährlicher als der aufstand der heloten. wir können auch glauben, dass
nur die athenische überlieferung die heimsendung Kimons als einen
schimpf darstellt, und Kimon selbst anders gedacht hat. für den erfolg
war das gleich. die spartanerfreundliche politik hatte abgewirtschaftet,
Kimon selbst verfiel dem scherbengericht, und nun nahmen die allzu-

II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes.
rechtes sehr deutlich, denn wir müssen uns eingestehn, daſs weder er-
sichtlich ist, wie einzelne Areopagiten staatsgelder zu verwalten hatten,
noch bei welcher gelegenheit und in welcher form sie von Ephialtes zur
rechenschaft gezogen wurden. wir müssen uns mit der allgemeinen
aufsicht des Areopages, wie sie später der rat ausübt, über den schatz
und die kolakretencasse begnügen; übrigens konnten die schuldigen
Areopagiten selbst noch finanzämter bekleiden, da der eintritt in diesen
rat nicht zu andern ämtern disqualificirte. genug, es gelang dem
Ephialtes das ansehen des regierenden rates zu erschüttern. dann machte
man sich an Kimon, als er wegen seines thasischen krieges rechnung
legte. das erneute scheitern der colonisation Thrakiens mag die bürger
schwer verstimmt haben, und es mag sein, daſs der sohn einer thraki-
schen fürstentochter mit den barbaren des Pangaion zu sanft verfahren
war. aber die beschuldigung, daſs er geld genommen hätte, war doch
zu absurd bei dem manne, der geld nicht bedurfte und auch in bösen
dingen kein Themistokles war. aber vielleicht hatten auch die ankläger
seine freisprechung vorausgesehen. jedenfalls erlitten sie dadurch keinen
rückschlag, vielmehr gieng unmittelbar darauf das gesetz des Ephialtes
durch, das den Areopag prinzipiell aller verwaltungsgeschäfte entkleidete.
und in dem processe selbst hatte sich in Perikles nicht ein gehässiger
ankläger compromittirt, sondern in durchaus vornehmen formen ein über-
legner staatsmann eine neue und klare politik entwickelt. der sohn des
Xanthippos und neffe des Megakles war der geborne gegner der Phila-
iden: der aber hier auftrat, wollte sein, was seine ahnen aus überzeugung
nie gewesen waren, πϱοστάτης τοῦ δήμου. er versprach dem volke
der jungen, die den Mederkrieg als etwas vergangenes, das Reich als
etwas gegebenes ansahen, ihre politischen forderungen zu erfüllen: ihm
gehörte die zukunft. das mochten sich viele sagen. daſs aber der de-
mokratie schon im folgenden jahre die gegenwart zufallen würde, ge-
schah seltsamer weise eben dadurch, daſs für einen augenblick Kimon
das übergewicht erlangte und die hilfe, um die die Spartaner flehentlich
baten, nach Ithome führen durfte. Sparta hat gewiſs nichts weniger
gewünscht als die Athener zu brüskiren, aber ihre anwesenheit im Pelo-
ponnes war für sein prestige und die treue seiner bündner ungleich ge-
fährlicher als der aufstand der heloten. wir können auch glauben, daſs
nur die athenische überlieferung die heimsendung Kimons als einen
schimpf darstellt, und Kimon selbst anders gedacht hat. für den erfolg
war das gleich. die spartanerfreundliche politik hatte abgewirtschaftet,
Kimon selbst verfiel dem scherbengericht, und nun nahmen die allzu-

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[94/0104] II. 3. Von Peisistratos bis Ephialtes. rechtes sehr deutlich, denn wir müssen uns eingestehn, daſs weder er- sichtlich ist, wie einzelne Areopagiten staatsgelder zu verwalten hatten, noch bei welcher gelegenheit und in welcher form sie von Ephialtes zur rechenschaft gezogen wurden. wir müssen uns mit der allgemeinen aufsicht des Areopages, wie sie später der rat ausübt, über den schatz und die kolakretencasse begnügen; übrigens konnten die schuldigen Areopagiten selbst noch finanzämter bekleiden, da der eintritt in diesen rat nicht zu andern ämtern disqualificirte. genug, es gelang dem Ephialtes das ansehen des regierenden rates zu erschüttern. dann machte man sich an Kimon, als er wegen seines thasischen krieges rechnung legte. das erneute scheitern der colonisation Thrakiens mag die bürger schwer verstimmt haben, und es mag sein, daſs der sohn einer thraki- schen fürstentochter mit den barbaren des Pangaion zu sanft verfahren war. aber die beschuldigung, daſs er geld genommen hätte, war doch zu absurd bei dem manne, der geld nicht bedurfte und auch in bösen dingen kein Themistokles war. aber vielleicht hatten auch die ankläger seine freisprechung vorausgesehen. jedenfalls erlitten sie dadurch keinen rückschlag, vielmehr gieng unmittelbar darauf das gesetz des Ephialtes durch, das den Areopag prinzipiell aller verwaltungsgeschäfte entkleidete. und in dem processe selbst hatte sich in Perikles nicht ein gehässiger ankläger compromittirt, sondern in durchaus vornehmen formen ein über- legner staatsmann eine neue und klare politik entwickelt. der sohn des Xanthippos und neffe des Megakles war der geborne gegner der Phila- iden: der aber hier auftrat, wollte sein, was seine ahnen aus überzeugung nie gewesen waren, πϱοστάτης τοῦ δήμου. er versprach dem volke der jungen, die den Mederkrieg als etwas vergangenes, das Reich als etwas gegebenes ansahen, ihre politischen forderungen zu erfüllen: ihm gehörte die zukunft. das mochten sich viele sagen. daſs aber der de- mokratie schon im folgenden jahre die gegenwart zufallen würde, ge- schah seltsamer weise eben dadurch, daſs für einen augenblick Kimon das übergewicht erlangte und die hilfe, um die die Spartaner flehentlich baten, nach Ithome führen durfte. Sparta hat gewiſs nichts weniger gewünscht als die Athener zu brüskiren, aber ihre anwesenheit im Pelo- ponnes war für sein prestige und die treue seiner bündner ungleich ge- fährlicher als der aufstand der heloten. wir können auch glauben, daſs nur die athenische überlieferung die heimsendung Kimons als einen schimpf darstellt, und Kimon selbst anders gedacht hat. für den erfolg war das gleich. die spartanerfreundliche politik hatte abgewirtschaftet, Kimon selbst verfiel dem scherbengericht, und nun nahmen die allzu-

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 2. Berlin, 1893, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles02_1893/104>, abgerufen am 24.11.2024.