Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Alter der classen. 500 scheffel den familien sein, die sich mit den tyrannen von Sikyonund Megara gleichberechtigt fühlten? daher zog der plutokratische ge- setzgeber einen scharfen strich und liess für das amt, das den zutritt zu der eigentlich regierenden behörde, dem Areopage, eröffnete, nur die grossgrundbesitzer zu, indem er ein schuldenfreies starkes vermögen verlangte; den gemeinen ritterbürtigen adel, dem die militärischen chargen nicht versagt werden konnten, grenzte eine ähnliche forderung ab: darunter aber ward nichts ausser der rüstung gefordert. das kann liberal scheinen, war auch vielleicht so gemeint. wer einen bauernhof hatte, der 600 medimnen eintrug, aber verschuldet war, hatte für sich nur 100; mochte er ehedem zur höchsten classe gesteuert haben, jetzt sank er in die dritte, behielt aber hier seinen platz, so lange er zur musterung als hoplit antrat. freilich mochte das, zumal wenn er, statt das feld zu bebauen, kriegsdienst tun musste, seine schuldenlast nur steigern: das ist ja eine zum glück häufige erscheinung, dass der verarmte adliche die standespflicht zu erfüllen fortfährt, auch wenn sie seinem vermögen nicht mehr entspricht. aber leider bestätigt die erfahrung auch, dass er da- durch nur schneller dem wirtschaftlichen ruin verfällt. die drakontische verfassung hat ja auch den conflict tatsächlich nur verschärft. auf das trefflichste also passt ihre classeneinteilung in die entwickelung hinein. Solon aber, der volksfreund, schaffte einfach diese neuerung ab, und die alten classen traten wieder hervor. die hypotheken hatte er durch einen gewaltstreich beseitigt. jener bauer, mit dem ich exemplificirte, hatte nun wieder 600 scheffel und gehörte zu dem höchsten stande. wie gewaltig diese revolutionäre massregel ist, misst man am besten an solchen consequenzen, die sie mit sich bringen musste. wie notwendig sie war, lehrt am besten die plutokratische classenteilung Drakons. Der stand, zu dessen gunsten Drakon die verfassung gab, war Alter der classen. 500 scheffel den familien sein, die sich mit den tyrannen von Sikyonund Megara gleichberechtigt fühlten? daher zog der plutokratische ge- setzgeber einen scharfen strich und lieſs für das amt, das den zutritt zu der eigentlich regierenden behörde, dem Areopage, eröffnete, nur die groſsgrundbesitzer zu, indem er ein schuldenfreies starkes vermögen verlangte; den gemeinen ritterbürtigen adel, dem die militärischen chargen nicht versagt werden konnten, grenzte eine ähnliche forderung ab: darunter aber ward nichts auſser der rüstung gefordert. das kann liberal scheinen, war auch vielleicht so gemeint. wer einen bauernhof hatte, der 600 medimnen eintrug, aber verschuldet war, hatte für sich nur 100; mochte er ehedem zur höchsten classe gesteuert haben, jetzt sank er in die dritte, behielt aber hier seinen platz, so lange er zur musterung als hoplit antrat. freilich mochte das, zumal wenn er, statt das feld zu bebauen, kriegsdienst tun muſste, seine schuldenlast nur steigern: das ist ja eine zum glück häufige erscheinung, daſs der verarmte adliche die standespflicht zu erfüllen fortfährt, auch wenn sie seinem vermögen nicht mehr entspricht. aber leider bestätigt die erfahrung auch, daſs er da- durch nur schneller dem wirtschaftlichen ruin verfällt. die drakontische verfassung hat ja auch den conflict tatsächlich nur verschärft. auf das trefflichste also paſst ihre classeneinteilung in die entwickelung hinein. Solon aber, der volksfreund, schaffte einfach diese neuerung ab, und die alten classen traten wieder hervor. die hypotheken hatte er durch einen gewaltstreich beseitigt. jener bauer, mit dem ich exemplificirte, hatte nun wieder 600 scheffel und gehörte zu dem höchsten stande. wie gewaltig diese revolutionäre maſsregel ist, miſst man am besten an solchen consequenzen, die sie mit sich bringen muſste. wie notwendig sie war, lehrt am besten die plutokratische classenteilung Drakons. Der stand, zu dessen gunsten Drakon die verfassung gab, war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0099" n="85"/><fw place="top" type="header">Alter der classen.</fw><lb/> 500 scheffel den familien sein, die sich mit den tyrannen von Sikyon<lb/> und Megara gleichberechtigt fühlten? daher zog der plutokratische ge-<lb/> setzgeber einen scharfen strich und lieſs für das amt, das den zutritt zu<lb/> der eigentlich regierenden behörde, dem Areopage, eröffnete, nur die<lb/> groſsgrundbesitzer zu, indem er ein schuldenfreies starkes vermögen<lb/> verlangte; den gemeinen ritterbürtigen adel, dem die militärischen chargen<lb/> nicht versagt werden konnten, grenzte eine ähnliche forderung ab:<lb/> darunter aber ward nichts auſser der rüstung gefordert. das kann liberal<lb/> scheinen, war auch vielleicht so gemeint. wer einen bauernhof hatte,<lb/> der 600 medimnen eintrug, aber verschuldet war, hatte für sich nur 100;<lb/> mochte er ehedem zur höchsten classe gesteuert haben, jetzt sank er in<lb/> die dritte, behielt aber hier seinen platz, so lange er zur musterung als<lb/> hoplit antrat. freilich mochte das, zumal wenn er, statt das feld zu<lb/> bebauen, kriegsdienst tun muſste, seine schuldenlast nur steigern: das<lb/> ist ja eine zum glück häufige erscheinung, daſs der verarmte adliche die<lb/> standespflicht zu erfüllen fortfährt, auch wenn sie seinem vermögen nicht<lb/> mehr entspricht. aber leider bestätigt die erfahrung auch, daſs er da-<lb/> durch nur schneller dem wirtschaftlichen ruin verfällt. die drakontische<lb/> verfassung hat ja auch den conflict tatsächlich nur verschärft. auf das<lb/> trefflichste also paſst ihre classeneinteilung in die entwickelung hinein.<lb/> Solon aber, der volksfreund, schaffte einfach diese neuerung ab, und die<lb/> alten classen traten wieder hervor. die hypotheken hatte er durch einen<lb/> gewaltstreich beseitigt. jener bauer, mit dem ich exemplificirte, hatte<lb/> nun wieder 600 scheffel und gehörte zu dem höchsten stande. wie<lb/> gewaltig diese revolutionäre maſsregel ist, miſst man am besten an solchen<lb/> consequenzen, die sie mit sich bringen muſste. wie notwendig sie war,<lb/> lehrt am besten die plutokratische classenteilung Drakons.</p><lb/> <p>Der stand, zu dessen gunsten Drakon die verfassung gab, war<lb/> keine geldaristokratie in unserem sinne, denn ihr reichtum beruhte im<lb/> grundbesitze oder in hypotheken auf grundstücken: aber χϱήματα<lb/> χϱήματ̕ ἀνήϱ sagt der adel in Athen, wie meist in Hellas um 600.<lb/> sie halten die formen des geschlechterstaates fest, aber es kommt<lb/> ihnen auf Geleonten und Hopleten, ja selbst auf eupatriden und geomoren<lb/> wenig an. der grundbesitz ist der einzige maſsstab, und die reichsten<lb/> grundbesitzer regieren in wahrheit allein. denn sie kommen allein<lb/> auf den Areopag, und dieser rat hat die controlle aller beamten, übt<lb/> die allgemeine censur und ist die beschwerdeinstanz wider die beamten-<lb/> willkür. gefährlich können natürlich die militärischen ämter werden,<lb/> die unmöglich nach dem reichtume vergeben werden konnten. da<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [85/0099]
Alter der classen.
500 scheffel den familien sein, die sich mit den tyrannen von Sikyon
und Megara gleichberechtigt fühlten? daher zog der plutokratische ge-
setzgeber einen scharfen strich und lieſs für das amt, das den zutritt zu
der eigentlich regierenden behörde, dem Areopage, eröffnete, nur die
groſsgrundbesitzer zu, indem er ein schuldenfreies starkes vermögen
verlangte; den gemeinen ritterbürtigen adel, dem die militärischen chargen
nicht versagt werden konnten, grenzte eine ähnliche forderung ab:
darunter aber ward nichts auſser der rüstung gefordert. das kann liberal
scheinen, war auch vielleicht so gemeint. wer einen bauernhof hatte,
der 600 medimnen eintrug, aber verschuldet war, hatte für sich nur 100;
mochte er ehedem zur höchsten classe gesteuert haben, jetzt sank er in
die dritte, behielt aber hier seinen platz, so lange er zur musterung als
hoplit antrat. freilich mochte das, zumal wenn er, statt das feld zu
bebauen, kriegsdienst tun muſste, seine schuldenlast nur steigern: das
ist ja eine zum glück häufige erscheinung, daſs der verarmte adliche die
standespflicht zu erfüllen fortfährt, auch wenn sie seinem vermögen nicht
mehr entspricht. aber leider bestätigt die erfahrung auch, daſs er da-
durch nur schneller dem wirtschaftlichen ruin verfällt. die drakontische
verfassung hat ja auch den conflict tatsächlich nur verschärft. auf das
trefflichste also paſst ihre classeneinteilung in die entwickelung hinein.
Solon aber, der volksfreund, schaffte einfach diese neuerung ab, und die
alten classen traten wieder hervor. die hypotheken hatte er durch einen
gewaltstreich beseitigt. jener bauer, mit dem ich exemplificirte, hatte
nun wieder 600 scheffel und gehörte zu dem höchsten stande. wie
gewaltig diese revolutionäre maſsregel ist, miſst man am besten an solchen
consequenzen, die sie mit sich bringen muſste. wie notwendig sie war,
lehrt am besten die plutokratische classenteilung Drakons.
Der stand, zu dessen gunsten Drakon die verfassung gab, war
keine geldaristokratie in unserem sinne, denn ihr reichtum beruhte im
grundbesitze oder in hypotheken auf grundstücken: aber χϱήματα
χϱήματ̕ ἀνήϱ sagt der adel in Athen, wie meist in Hellas um 600.
sie halten die formen des geschlechterstaates fest, aber es kommt
ihnen auf Geleonten und Hopleten, ja selbst auf eupatriden und geomoren
wenig an. der grundbesitz ist der einzige maſsstab, und die reichsten
grundbesitzer regieren in wahrheit allein. denn sie kommen allein
auf den Areopag, und dieser rat hat die controlle aller beamten, übt
die allgemeine censur und ist die beschwerdeinstanz wider die beamten-
willkür. gefährlich können natürlich die militärischen ämter werden,
die unmöglich nach dem reichtume vergeben werden konnten. da
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |