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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 4. Drakons verfassung.
opla parekhomenoi die terminologie der 400; sie brauchen wir Drakon
nicht zuzutrauen. aber die sache, die vielleicht gar nicht als seine
neuerung gelten soll, ist beinahe selbstverständlich. denn das passive
wahlrecht und damit die staatsverwaltung ziemlich ganz und gar hat auch
Solon den bürgern der drei oberen classen bewahrt, auf welche auch
der kriegsdienst mit der waffe beschränkt ist. dass er den theten die
beteiligung an der volksversammlung und den geschwornenstellen er-
öffnet, ist eben seine neuerung. und dass Drakon sie von der activen
wahl ausgeschlossen hat, so weit diese etwa nach ihm in anwendung
kam, ist keineswegs ganz sicher. wie notwendig jedem Athener diese
begriffsbestimmung für die metekhontes tes politeias in einem guten
staate erschien, lehrt am besten, dass Platon in den Gesetzen 753 von
ihr ausgeht. man wird vielleicht bei Drakon nicht bloss den census,
sondern auch den adel als bedingung für die teilnahme an der staats-
verwaltung erwähnt wünschen. allein die zugehörigkeit zu einer der
vier adelsphylen, also auch zu einer phratrie, liegt zwar in dem be-
griffe des damaligen bürgers, aber sie schliesst längst nicht mehr
den wirklichen adel ein. in den curien sind die plebejer mit: das
soll man nie vergessen. vielleicht erwartet man noch mehr die gliederung
in die drei stände erwähnt zu finden, die doch noch 581 in dem archonten-
collegium vertretung gefunden haben. allein schon unter könig Theseus,
der doch adel bauern und handwerker schied und dem adel die ämter
und die gesetzeskenntnis vorbehielt, ist in allem übrigen die bürgerliche
gleichheit durchgeführt (fgm. 2). und in des Aristoteles 'ältester ver-
fassung' geschieht die besetzung der ämter nach adel und reichtum (3, 6).
darauf folgt passend die berücksichtigung des census allein und die ab-
stufung der berechtigung nach dem gelde. so ist es bei Solon, wie wir
wussten. dass etliche jahre vorher Drakon dasselbe verordnet hatte, ist
für uns neu: aber wie sollte es undenkbar oder auch nur unwahrschein-
lich sein?

Die classen.Solon hat die qualification zur bekleidung der ämter nach dem
census abgestuft. wir wissen genauer nur, dass für die schatzmeister

stand vor Drakon schon bestand; das hat zwar Aristoteles nicht gesagt, aber er
fügt hier ja etwas fremdes ein und könnte die einarbeitung nicht vollendet haben.
indessen ist das praeteritum des perfectstammes sehr wol geeignet, wenn für die
vergangenheit geschildert wird, was für die gegenwart apodedotai lauten würde.
'plusquamperfectum' trifft eben für diesen gebrauch nicht zu. wenn es ein gesetz
war, so hiess es ja apodedosthai, nicht apodidosthai. also ist diese auffassung,
die dem Aristoteles nichts zumutet, vorzuziehn.

I. 4. Drakons verfassung.
ὅπλα παϱεχόμενοι die terminologie der 400; sie brauchen wir Drakon
nicht zuzutrauen. aber die sache, die vielleicht gar nicht als seine
neuerung gelten soll, ist beinahe selbstverständlich. denn das passive
wahlrecht und damit die staatsverwaltung ziemlich ganz und gar hat auch
Solon den bürgern der drei oberen classen bewahrt, auf welche auch
der kriegsdienst mit der waffe beschränkt ist. daſs er den theten die
beteiligung an der volksversammlung und den geschwornenstellen er-
öffnet, ist eben seine neuerung. und daſs Drakon sie von der activen
wahl ausgeschlossen hat, so weit diese etwa nach ihm in anwendung
kam, ist keineswegs ganz sicher. wie notwendig jedem Athener diese
begriffsbestimmung für die μετέχοντες τῆς πολιτείας in einem guten
staate erschien, lehrt am besten, daſs Platon in den Gesetzen 753 von
ihr ausgeht. man wird vielleicht bei Drakon nicht bloſs den census,
sondern auch den adel als bedingung für die teilnahme an der staats-
verwaltung erwähnt wünschen. allein die zugehörigkeit zu einer der
vier adelsphylen, also auch zu einer phratrie, liegt zwar in dem be-
griffe des damaligen bürgers, aber sie schlieſst längst nicht mehr
den wirklichen adel ein. in den curien sind die plebejer mit: das
soll man nie vergessen. vielleicht erwartet man noch mehr die gliederung
in die drei stände erwähnt zu finden, die doch noch 581 in dem archonten-
collegium vertretung gefunden haben. allein schon unter könig Theseus,
der doch adel bauern und handwerker schied und dem adel die ämter
und die gesetzeskenntnis vorbehielt, ist in allem übrigen die bürgerliche
gleichheit durchgeführt (fgm. 2). und in des Aristoteles ‘ältester ver-
fassung’ geschieht die besetzung der ämter nach adel und reichtum (3, 6).
darauf folgt passend die berücksichtigung des census allein und die ab-
stufung der berechtigung nach dem gelde. so ist es bei Solon, wie wir
wuſsten. daſs etliche jahre vorher Drakon dasselbe verordnet hatte, ist
für uns neu: aber wie sollte es undenkbar oder auch nur unwahrschein-
lich sein?

Die classen.Solon hat die qualification zur bekleidung der ämter nach dem
census abgestuft. wir wissen genauer nur, daſs für die schatzmeister

stand vor Drakon schon bestand; das hat zwar Aristoteles nicht gesagt, aber er
fügt hier ja etwas fremdes ein und könnte die einarbeitung nicht vollendet haben.
indessen ist das praeteritum des perfectstammes sehr wol geeignet, wenn für die
vergangenheit geschildert wird, was für die gegenwart ἀποδέδοται lauten würde.
‘plusquamperfectum’ trifft eben für diesen gebrauch nicht zu. wenn es ein gesetz
war, so hieſs es ja ἀποδεδόσϑαι, nicht ἀποδίδοσϑαι. also ist diese auffassung,
die dem Aristoteles nichts zumutet, vorzuziehn.
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[78/0092] I. 4. Drakons verfassung. ὅπλα παϱεχόμενοι die terminologie der 400; sie brauchen wir Drakon nicht zuzutrauen. aber die sache, die vielleicht gar nicht als seine neuerung gelten soll, ist beinahe selbstverständlich. denn das passive wahlrecht und damit die staatsverwaltung ziemlich ganz und gar hat auch Solon den bürgern der drei oberen classen bewahrt, auf welche auch der kriegsdienst mit der waffe beschränkt ist. daſs er den theten die beteiligung an der volksversammlung und den geschwornenstellen er- öffnet, ist eben seine neuerung. und daſs Drakon sie von der activen wahl ausgeschlossen hat, so weit diese etwa nach ihm in anwendung kam, ist keineswegs ganz sicher. wie notwendig jedem Athener diese begriffsbestimmung für die μετέχοντες τῆς πολιτείας in einem guten staate erschien, lehrt am besten, daſs Platon in den Gesetzen 753 von ihr ausgeht. man wird vielleicht bei Drakon nicht bloſs den census, sondern auch den adel als bedingung für die teilnahme an der staats- verwaltung erwähnt wünschen. allein die zugehörigkeit zu einer der vier adelsphylen, also auch zu einer phratrie, liegt zwar in dem be- griffe des damaligen bürgers, aber sie schlieſst längst nicht mehr den wirklichen adel ein. in den curien sind die plebejer mit: das soll man nie vergessen. vielleicht erwartet man noch mehr die gliederung in die drei stände erwähnt zu finden, die doch noch 581 in dem archonten- collegium vertretung gefunden haben. allein schon unter könig Theseus, der doch adel bauern und handwerker schied und dem adel die ämter und die gesetzeskenntnis vorbehielt, ist in allem übrigen die bürgerliche gleichheit durchgeführt (fgm. 2). und in des Aristoteles ‘ältester ver- fassung’ geschieht die besetzung der ämter nach adel und reichtum (3, 6). darauf folgt passend die berücksichtigung des census allein und die ab- stufung der berechtigung nach dem gelde. so ist es bei Solon, wie wir wuſsten. daſs etliche jahre vorher Drakon dasselbe verordnet hatte, ist für uns neu: aber wie sollte es undenkbar oder auch nur unwahrschein- lich sein? Solon hat die qualification zur bekleidung der ämter nach dem census abgestuft. wir wissen genauer nur, daſs für die schatzmeister 6) Die classen. 6) stand vor Drakon schon bestand; das hat zwar Aristoteles nicht gesagt, aber er fügt hier ja etwas fremdes ein und könnte die einarbeitung nicht vollendet haben. indessen ist das praeteritum des perfectstammes sehr wol geeignet, wenn für die vergangenheit geschildert wird, was für die gegenwart ἀποδέδοται lauten würde. ‘plusquamperfectum’ trifft eben für diesen gebrauch nicht zu. wenn es ein gesetz war, so hieſs es ja ἀποδεδόσϑαι, nicht ἀποδίδοσϑαι. also ist diese auffassung, die dem Aristoteles nichts zumutet, vorzuziehn.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/92>, abgerufen am 21.11.2024.