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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die verfassung.
denen sich die politischen rechte abstufen. das passive wahlrecht für
die zu erlosenden beamten kommt den drei oberen zu, den theten nur
die teilnahme an der volksversammlung und an den gerichten. darin
liegt ihr actives wahlrecht für die wahlbeamten, das in der volksversamm-
lung geübt wird, und die controlle der beamten, die von einem gerichte
geprüft, in jeder prytanie vom volke neubestätigt und nach ablauf des
amtes, falls eine beschwerde erhoben ist, vor gericht gestellt werden.14)
diese wichtigen sätze führt Aristoteles nicht aus, weil sie nach dem
geltenden allbekannten rechte implicite in der teilnahme der theten an
jenen beiden körperschaften einbegriffen sind. in bestem zusammen-
hange mit der behandlung der vier classen wird dann die art behandelt,
wie die beamten erlost werden, nämlich auf grund einer von den phylen
durch wahl festgestellten candidatenliste.

Das ist so weit ganz schön und gut, aber was soll die breite aus-
führung hier, da wir doch oben gehört haben, und Aristoteles auch hier
zugesteht, dass die classen schon zu Drakons zeiten bestanden? auch die an-
wendung des loses ist drakontisch, und man wundert sich etwas, dass Aristo-
teles hier erst nachträgt, wie die beamten in der ältesten zeit bestellt worden
sind15), während er dies oben nicht angemerkt hat, hier dagegen der
drakontischen ordnung vergisst. unsere verwunderung wächst, wenn wir
weiter vernehmen, dass es vier phylen und trittyen und naukrarien gab,
denn das hatte es alles von anbeginn gegeben, und abgesehen von den
naukrarien können wir noch jetzt nachweisen, dass alles auch bei Aristo-
teles schon vorgekommen war.16) vom rate gibt er nichts an als die zahl:

ist, in die man setzen könnte was einem beliebt, zeigt die oben gegebene analyse
des zusammenhanges.
14) Es ist irrelevant, in wie weit diese praxis wirklich solonisch war, wenn
nur Aristoteles wie seine leser sie dafür hielt. eine arge verkehrheit ist es, hier
die euthuna zu vermissen und in euthunen tous amartanontas kurios, was 8, 4 als
recht des Areopages steht, sie zu finden und so einen widerspruch mit der Politik
zu erzeugen. amartanein zeigt, dass kein adikein verstanden ist, sondern ein ver-
stoss contra bonos mores; die beamten kann man nur hineinphantasiren, und euthunen
heisst, was es seiner bedeutung nach ursprünglich heisst 'rectificiren'. der Areopag
hat discretionäre strafgewalt wie die ephoren in Sparta.
15) Wir haben eine interpolation beseitigt: wer sie stehn lässt, erträgt einen
unsinn, denn vorher hat Aristoteles nicht von den archonten, sondern von den
schatzmeistern, exemplificatorisch für alle losbeamten, gehandelt. und noch ärger
ist es, dass hiernach vor Solon der Areopag nach gutdünken die archonten bestellt
hat, d. h. seine eigenen künftigen mitglieder cooptirt.
16) Über phylen und phylenkönige lehrt es 41, 2 und die epitome, über die
trittyen fgm. 3.
v. Wilamowitz, Aristoteles. 4

Die verfassung.
denen sich die politischen rechte abstufen. das passive wahlrecht für
die zu erlosenden beamten kommt den drei oberen zu, den theten nur
die teilnahme an der volksversammlung und an den gerichten. darin
liegt ihr actives wahlrecht für die wahlbeamten, das in der volksversamm-
lung geübt wird, und die controlle der beamten, die von einem gerichte
geprüft, in jeder prytanie vom volke neubestätigt und nach ablauf des
amtes, falls eine beschwerde erhoben ist, vor gericht gestellt werden.14)
diese wichtigen sätze führt Aristoteles nicht aus, weil sie nach dem
geltenden allbekannten rechte implicite in der teilnahme der theten an
jenen beiden körperschaften einbegriffen sind. in bestem zusammen-
hange mit der behandlung der vier classen wird dann die art behandelt,
wie die beamten erlost werden, nämlich auf grund einer von den phylen
durch wahl festgestellten candidatenliste.

Das ist so weit ganz schön und gut, aber was soll die breite aus-
führung hier, da wir doch oben gehört haben, und Aristoteles auch hier
zugesteht, daſs die classen schon zu Drakons zeiten bestanden? auch die an-
wendung des loses ist drakontisch, und man wundert sich etwas, daſs Aristo-
teles hier erst nachträgt, wie die beamten in der ältesten zeit bestellt worden
sind15), während er dies oben nicht angemerkt hat, hier dagegen der
drakontischen ordnung vergiſst. unsere verwunderung wächst, wenn wir
weiter vernehmen, daſs es vier phylen und trittyen und naukrarien gab,
denn das hatte es alles von anbeginn gegeben, und abgesehen von den
naukrarien können wir noch jetzt nachweisen, daſs alles auch bei Aristo-
teles schon vorgekommen war.16) vom rate gibt er nichts an als die zahl:

ist, in die man setzen könnte was einem beliebt, zeigt die oben gegebene analyse
des zusammenhanges.
14) Es ist irrelevant, in wie weit diese praxis wirklich solonisch war, wenn
nur Aristoteles wie seine leser sie dafür hielt. eine arge verkehrheit ist es, hier
die εὔϑυνα zu vermissen und in ηὔϑυνεν τοὺς ἁμαϱτάνοντας κυϱίως, was 8, 4 als
recht des Areopages steht, sie zu finden und so einen widerspruch mit der Politik
zu erzeugen. ἁμαϱτάνειν zeigt, daſs kein ἀδικεῖν verstanden ist, sondern ein ver-
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heiſst, was es seiner bedeutung nach ursprünglich heiſst ‘rectificiren’. der Areopag
hat discretionäre strafgewalt wie die ephoren in Sparta.
15) Wir haben eine interpolation beseitigt: wer sie stehn läſst, erträgt einen
unsinn, denn vorher hat Aristoteles nicht von den archonten, sondern von den
schatzmeistern, exemplificatorisch für alle losbeamten, gehandelt. und noch ärger
ist es, daſs hiernach vor Solon der Areopag nach gutdünken die archonten bestellt
hat, d. h. seine eigenen künftigen mitglieder cooptirt.
16) Über phylen und phylenkönige lehrt es 41, 2 und die epitome, über die
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[49/0063] Die verfassung. denen sich die politischen rechte abstufen. das passive wahlrecht für die zu erlosenden beamten kommt den drei oberen zu, den theten nur die teilnahme an der volksversammlung und an den gerichten. darin liegt ihr actives wahlrecht für die wahlbeamten, das in der volksversamm- lung geübt wird, und die controlle der beamten, die von einem gerichte geprüft, in jeder prytanie vom volke neubestätigt und nach ablauf des amtes, falls eine beschwerde erhoben ist, vor gericht gestellt werden. 14) diese wichtigen sätze führt Aristoteles nicht aus, weil sie nach dem geltenden allbekannten rechte implicite in der teilnahme der theten an jenen beiden körperschaften einbegriffen sind. in bestem zusammen- hange mit der behandlung der vier classen wird dann die art behandelt, wie die beamten erlost werden, nämlich auf grund einer von den phylen durch wahl festgestellten candidatenliste. Das ist so weit ganz schön und gut, aber was soll die breite aus- führung hier, da wir doch oben gehört haben, und Aristoteles auch hier zugesteht, daſs die classen schon zu Drakons zeiten bestanden? auch die an- wendung des loses ist drakontisch, und man wundert sich etwas, daſs Aristo- teles hier erst nachträgt, wie die beamten in der ältesten zeit bestellt worden sind 15), während er dies oben nicht angemerkt hat, hier dagegen der drakontischen ordnung vergiſst. unsere verwunderung wächst, wenn wir weiter vernehmen, daſs es vier phylen und trittyen und naukrarien gab, denn das hatte es alles von anbeginn gegeben, und abgesehen von den naukrarien können wir noch jetzt nachweisen, daſs alles auch bei Aristo- teles schon vorgekommen war. 16) vom rate gibt er nichts an als die zahl: 13) 14) Es ist irrelevant, in wie weit diese praxis wirklich solonisch war, wenn nur Aristoteles wie seine leser sie dafür hielt. eine arge verkehrheit ist es, hier die εὔϑυνα zu vermissen und in ηὔϑυνεν τοὺς ἁμαϱτάνοντας κυϱίως, was 8, 4 als recht des Areopages steht, sie zu finden und so einen widerspruch mit der Politik zu erzeugen. ἁμαϱτάνειν zeigt, daſs kein ἀδικεῖν verstanden ist, sondern ein ver- stoſs contra bonos mores; die beamten kann man nur hineinphantasiren, und ηὔϑυνεν heiſst, was es seiner bedeutung nach ursprünglich heiſst ‘rectificiren’. der Areopag hat discretionäre strafgewalt wie die ephoren in Sparta. 15) Wir haben eine interpolation beseitigt: wer sie stehn läſst, erträgt einen unsinn, denn vorher hat Aristoteles nicht von den archonten, sondern von den schatzmeistern, exemplificatorisch für alle losbeamten, gehandelt. und noch ärger ist es, daſs hiernach vor Solon der Areopag nach gutdünken die archonten bestellt hat, d. h. seine eigenen künftigen mitglieder cooptirt. 16) Über phylen und phylenkönige lehrt es 41, 2 und die epitome, über die trittyen fgm. 3. 13) ist, in die man setzen könnte was einem beliebt, zeigt die oben gegebene analyse des zusammenhanges. v. Wilamowitz, Aristoteles. 4

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/63>, abgerufen am 24.11.2024.