Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.Der act der gesetzgebung. douleuein ist das stichwort: dieser bericht hängt mit der übrigen dar-stellung zusammen. es folgt die schon erwähnte epikrisis widerstreitender berichte über einen nebenumstand, die bereicherung der falschen freunde Solons. dann geht die erzählung weiter zu dem acte der gesetzgebung, 7, 1. hier weist schon die fülle der specifisch athenischen sachen und worte auf attische officielle darstellung, die kurbeis, ihre aufstellung in der stoa basileios7), die schwurformel der archonten, ihre vereidigung 7) Dass die gesetze da standen, war sowol durch die schon früher bekannte
Aristotelesstelle wie durch das psephisma des Teisamenos bekannt. sie standen auf kurbeis, auf 'steingefügen', wie Kirchhoff die kurbeis der burg nennt, auf denen die sechzichstel der tribute geschrieben sind, nach oben abgestumpfte pyramiden, nicht dreieckig, sondern viereckig. übrigens hat schon Eratosthenes die solonischen kurbeis nicht mehr gesehn. andere ebenso fundamentale gesetze des staates standen auf den wänden der königshalle selbst; was davon solonisch war oder nicht, wer hätte das unterschieden oder auch nur beachtet? für die publication auf stein ist auch später noch ein besonderer beschluss jedesmal nötig, und auch der ort der auf- stellung wird besonders befohlen. vor der königshalle hat man natürlich diejenigen gesetze aufgestellt, auf die man dort die beamten vereidigte, also de facto die grund- gesetze des staates; so ist man auch später verfahren. natürlich lernte sie da auch der bürger am besten kennen, dem so lange zeit diese einzige halle zum spazieren gehn und warten zu gebote stand. von einer aufstellung bei Athena auf der burg kann keine rede sein, sowol nach der späteren praxis, wie deshalb, weil die ganze tradition nichts als eine falsche folgerung des Didymos aus einer rhetorischen phrase des Anaximenes ist (Harp. o katothen nomos). gesetzt, Solon hätte sie auf der burg aufgestellt, so würden die Perser sie zerschlagen haben, Anaximenes nichts von ihnen gewusst haben, aber wir hätten die bruchstücke gefunden. einer besonderen polemik gegen Wachsmuth Athen I 535. II 348 fg. fühle ich mich überhoben. wichtig aber ist, dass auf die solonischen kurbeis sehr wenig ankommt, denn diese auswahl von gesetzen ist nicht das original, das sind die hölzernen axones im prytaneion, die Polemon noch gesehen hat, und von denen Plutarch noch bruchstücke sah. axones sind sanides leleukomenai, beiderseitig beschrieben, je vier in einen drehbaren balken eingefalzt, so dass man nun in dieser sehr unbehülflichen deltos blätternd lesen kann. wenn man im fünften jahrhundert einen solchen axon in stein nachgebildet hat (CIA IV p. 125), so war das ein sehr unpraktischer archaismus; auf den inhalt des so publicirten gesetzes, oder was es war, gestattet das keine folgerung. die holz- publication, skopein to boulomeno, entspricht auch der späteren praxis für solche aufzeichnungen. nach den numerirten axones und gesetzen citirt das fünfte jahr- hundert (CIA I 61) und unsere besten zeugen, Plutarch und Harpokration. sie also lieferten den authentischen text. endlich das wort kurbis zu erklären, so hängt es selbstverständlich mit kurbasia, dem hahnenkamme, und den kurbantes korubantes zusammen, weiter zu demselben stamme koruphe korupto korutto korse (die schläfe, Korseia ortsname) keras cornu u. s. w. das gibt verschiedene weiterbil- dungen, aber über die grundbedeutung des stammes kann man nicht zweifeln. kurbis ist also dem wortsinne nach akroterion, aber nicht im verhältnis zur stele Der act der gesetzgebung. δουλεύειν ist das stichwort: dieser bericht hängt mit der übrigen dar-stellung zusammen. es folgt die schon erwähnte epikrisis widerstreitender berichte über einen nebenumstand, die bereicherung der falschen freunde Solons. dann geht die erzählung weiter zu dem acte der gesetzgebung, 7, 1. hier weist schon die fülle der specifisch athenischen sachen und worte auf attische officielle darstellung, die κύϱβεις, ihre aufstellung in der στοὰ βασίλειος7), die schwurformel der archonten, ihre vereidigung 7) Daſs die gesetze da standen, war sowol durch die schon früher bekannte
Aristotelesstelle wie durch das psephisma des Teisamenos bekannt. sie standen auf κύϱβεις, auf ‘steingefügen’, wie Kirchhoff die κύϱβεις der burg nennt, auf denen die sechzichstel der tribute geschrieben sind, nach oben abgestumpfte pyramiden, nicht dreieckig, sondern viereckig. übrigens hat schon Eratosthenes die solonischen κύϱβεις nicht mehr gesehn. andere ebenso fundamentale gesetze des staates standen auf den wänden der königshalle selbst; was davon solonisch war oder nicht, wer hätte das unterschieden oder auch nur beachtet? für die publication auf stein ist auch später noch ein besonderer beschluſs jedesmal nötig, und auch der ort der auf- stellung wird besonders befohlen. vor der königshalle hat man natürlich diejenigen gesetze aufgestellt, auf die man dort die beamten vereidigte, also de facto die grund- gesetze des staates; so ist man auch später verfahren. natürlich lernte sie da auch der bürger am besten kennen, dem so lange zeit diese einzige halle zum spazieren gehn und warten zu gebote stand. von einer aufstellung bei Athena auf der burg kann keine rede sein, sowol nach der späteren praxis, wie deshalb, weil die ganze tradition nichts als eine falsche folgerung des Didymos aus einer rhetorischen phrase des Anaximenes ist (Harp. ὁ κάτωϑεν νόμος). gesetzt, Solon hätte sie auf der burg aufgestellt, so würden die Perser sie zerschlagen haben, Anaximenes nichts von ihnen gewuſst haben, aber wir hätten die bruchstücke gefunden. einer besonderen polemik gegen Wachsmuth Athen I 535. II 348 fg. fühle ich mich überhoben. wichtig aber ist, daſs auf die solonischen κύϱβεις sehr wenig ankommt, denn diese auswahl von gesetzen ist nicht das original, das sind die hölzernen ἄξονες im prytaneion, die Polemon noch gesehen hat, und von denen Plutarch noch bruchstücke sah. ἄξονες sind σανίδες λελευκωμέναι, beiderseitig beschrieben, je vier in einen drehbaren balken eingefalzt, so daſs man nun in dieser sehr unbehülflichen δέλτος blätternd lesen kann. wenn man im fünften jahrhundert einen solchen ἄξων in stein nachgebildet hat (CIA IV p. 125), so war das ein sehr unpraktischer archaismus; auf den inhalt des so publicirten gesetzes, oder was es war, gestattet das keine folgerung. die holz- publication, σκοπεῖν τῷ βουλομένῳ, entspricht auch der späteren praxis für solche aufzeichnungen. nach den numerirten axones und gesetzen citirt das fünfte jahr- hundert (CIA I 61) und unsere besten zeugen, Plutarch und Harpokration. sie also lieferten den authentischen text. endlich das wort κύϱβις zu erklären, so hängt es selbstverständlich mit κυϱβασία, dem hahnenkamme, und den κύϱβαντες κοϱύβαντες zusammen, weiter zu demselben stamme κοϱυφή κοϱύπτω κοϱύττω κόϱση (die schläfe, Κοϱσεία ortsname) κέϱας cornu u. s. w. das gibt verschiedene weiterbil- dungen, aber über die grundbedeutung des stammes kann man nicht zweifeln. κύϱβις ist also dem wortsinne nach ἀκϱωτήϱιον, aber nicht im verhältnis zur στήλη <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0059" n="45"/><fw place="top" type="header">Der act der gesetzgebung.</fw><lb/> δουλεύειν ist das stichwort: dieser bericht hängt mit der übrigen dar-<lb/> stellung zusammen. es folgt die schon erwähnte epikrisis widerstreitender<lb/> berichte über einen nebenumstand, die bereicherung der falschen freunde<lb/> Solons. dann geht die erzählung weiter zu dem acte der gesetzgebung,<lb/> 7, 1. hier weist schon die fülle der specifisch athenischen sachen und<lb/> worte auf attische officielle darstellung, die κύϱβεις, ihre aufstellung in<lb/> der στοὰ βασίλειος<note xml:id="note-0059" next="#note-0060" place="foot" n="7)">Daſs die gesetze da standen, war sowol durch die schon früher bekannte<lb/> Aristotelesstelle wie durch das psephisma des Teisamenos bekannt. sie standen<lb/> auf κύϱβεις, auf ‘steingefügen’, wie Kirchhoff die κύϱβεις der burg nennt, auf denen<lb/> die sechzichstel der tribute geschrieben sind, nach oben abgestumpfte pyramiden,<lb/> nicht dreieckig, sondern viereckig. übrigens hat schon Eratosthenes die solonischen<lb/> κύϱβεις nicht mehr gesehn. andere ebenso fundamentale gesetze des staates standen<lb/> auf den wänden der königshalle selbst; was davon solonisch war oder nicht, wer<lb/> hätte das unterschieden oder auch nur beachtet? für die publication auf stein ist auch<lb/> später noch ein besonderer beschluſs jedesmal nötig, und auch der ort der auf-<lb/> stellung wird besonders befohlen. vor der königshalle hat man natürlich diejenigen<lb/> gesetze aufgestellt, auf die man dort die beamten vereidigte, also de facto die grund-<lb/> gesetze des staates; so ist man auch später verfahren. natürlich lernte sie da auch<lb/> der bürger am besten kennen, dem so lange zeit diese einzige halle zum spazieren<lb/> gehn und warten zu gebote stand. von einer aufstellung bei Athena auf der burg<lb/> kann keine rede sein, sowol nach der späteren praxis, wie deshalb, weil die ganze<lb/> tradition nichts als eine falsche folgerung des Didymos aus einer rhetorischen phrase<lb/> des Anaximenes ist (Harp. ὁ κάτωϑεν νόμος). gesetzt, Solon hätte sie auf der burg<lb/> aufgestellt, so würden die Perser sie zerschlagen haben, Anaximenes nichts von ihnen<lb/> gewuſst haben, aber wir hätten die bruchstücke gefunden. einer besonderen polemik<lb/> gegen Wachsmuth Athen I 535. 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Der act der gesetzgebung.
δουλεύειν ist das stichwort: dieser bericht hängt mit der übrigen dar-
stellung zusammen. es folgt die schon erwähnte epikrisis widerstreitender
berichte über einen nebenumstand, die bereicherung der falschen freunde
Solons. dann geht die erzählung weiter zu dem acte der gesetzgebung,
7, 1. hier weist schon die fülle der specifisch athenischen sachen und
worte auf attische officielle darstellung, die κύϱβεις, ihre aufstellung in
der στοὰ βασίλειος 7), die schwurformel der archonten, ihre vereidigung
7) Daſs die gesetze da standen, war sowol durch die schon früher bekannte
Aristotelesstelle wie durch das psephisma des Teisamenos bekannt. sie standen
auf κύϱβεις, auf ‘steingefügen’, wie Kirchhoff die κύϱβεις der burg nennt, auf denen
die sechzichstel der tribute geschrieben sind, nach oben abgestumpfte pyramiden,
nicht dreieckig, sondern viereckig. übrigens hat schon Eratosthenes die solonischen
κύϱβεις nicht mehr gesehn. andere ebenso fundamentale gesetze des staates standen
auf den wänden der königshalle selbst; was davon solonisch war oder nicht, wer
hätte das unterschieden oder auch nur beachtet? für die publication auf stein ist auch
später noch ein besonderer beschluſs jedesmal nötig, und auch der ort der auf-
stellung wird besonders befohlen. vor der königshalle hat man natürlich diejenigen
gesetze aufgestellt, auf die man dort die beamten vereidigte, also de facto die grund-
gesetze des staates; so ist man auch später verfahren. natürlich lernte sie da auch
der bürger am besten kennen, dem so lange zeit diese einzige halle zum spazieren
gehn und warten zu gebote stand. von einer aufstellung bei Athena auf der burg
kann keine rede sein, sowol nach der späteren praxis, wie deshalb, weil die ganze
tradition nichts als eine falsche folgerung des Didymos aus einer rhetorischen phrase
des Anaximenes ist (Harp. ὁ κάτωϑεν νόμος). gesetzt, Solon hätte sie auf der burg
aufgestellt, so würden die Perser sie zerschlagen haben, Anaximenes nichts von ihnen
gewuſst haben, aber wir hätten die bruchstücke gefunden. einer besonderen polemik
gegen Wachsmuth Athen I 535. II 348 fg. fühle ich mich überhoben. wichtig aber
ist, daſs auf die solonischen κύϱβεις sehr wenig ankommt, denn diese auswahl von
gesetzen ist nicht das original, das sind die hölzernen ἄξονες im prytaneion, die Polemon
noch gesehen hat, und von denen Plutarch noch bruchstücke sah. ἄξονες sind
σανίδες λελευκωμέναι, beiderseitig beschrieben, je vier in einen drehbaren balken
eingefalzt, so daſs man nun in dieser sehr unbehülflichen δέλτος blätternd lesen
kann. wenn man im fünften jahrhundert einen solchen ἄξων in stein nachgebildet
hat (CIA IV p. 125), so war das ein sehr unpraktischer archaismus; auf den inhalt des
so publicirten gesetzes, oder was es war, gestattet das keine folgerung. die holz-
publication, σκοπεῖν τῷ βουλομένῳ, entspricht auch der späteren praxis für solche
aufzeichnungen. nach den numerirten axones und gesetzen citirt das fünfte jahr-
hundert (CIA I 61) und unsere besten zeugen, Plutarch und Harpokration. sie also
lieferten den authentischen text. endlich das wort κύϱβις zu erklären, so hängt es
selbstverständlich mit κυϱβασία, dem hahnenkamme, und den κύϱβαντες κοϱύβαντες
zusammen, weiter zu demselben stamme κοϱυφή κοϱύπτω κοϱύττω κόϱση (die
schläfe, Κοϱσεία ortsname) κέϱας cornu u. s. w. das gibt verschiedene weiterbil-
dungen, aber über die grundbedeutung des stammes kann man nicht zweifeln.
κύϱβις ist also dem wortsinne nach ἀκϱωτήϱιον, aber nicht im verhältnis zur στήλη
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