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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 3. Solon.
verhält, also 100 neue drachmen soviel wie 73 alte wiegen. Solons
zweck war ein handelspolitischer; aber dass Athen von dem dorischen
zu dem ionischen system übergieng, hatte allerdings auch seine grosse
politische bedeutung.

Aristoteles redet von einer auxesis von mass, gewicht und münze,
und erläutert das dahin, dass das mass grösser ward als das vorher ge-
brauchte des Pheidon, dass die bisher nur 70 drachmen wiegende mine
jetzt volle 100 betrug, dass die gewichte der münze entsprechend in
allen einzelnen stücken ausgebracht wurden, und zwar so, dass 63 minen
auf das talent giengen. das besagen die worte für den der sie mit
sprachkunde und unbefangenheit liest. es fügt sich auch alles ganz gut
zu einander, aber leider, leider ist alles nicht bloss falsch, sondern zeigt
eine kaum glaubliche unbekanntschaft mit der sache. was die währung
anlangt, hat der verfasser kindlich genug die drachme als einen absoluten
wert betrachtet, so dass die mine grösser ward, wenn mehr drachmen
auf sie giengen, und, wenn er überhaupt nachgedacht hat, so muss er
wirklich der vorsolonischen zeit eine teilung der mine in siebzigstel oder
so ungefähr zugetraut haben. gewiss möchte man ihn von dem irrtum frei
machen, aber schon das fatale wort auxesis, das ihn getäuscht hat,
verbietet das. er hat es offenbar für volksfreundlich gehalten, dass man
nun für 'drei ellen' mehr zeug, für 'drei scheffel' mehr korn bekam und
mit 'drei minen' beinahe vier alte hatte. wir lesen bei Plutarch3), der
doch auch kein finanzmann war und den sachen beträchtlich ferner
stand, einen auch nicht klaren, aber immerhin verständlichen und seit
Boeckh verstandenen auszug aus Androtions chronik. auch nach Androtion
ist die massregel volksfreundlich, und auch er redet von der metron
epauxesis kai tou nomismatos time. die letztere erklärt er richtig
dahin, dass Solon die mine von 100 drachmen jetzt 73 alten drachmen
gleichwiegend machte. und wer eine auf minen, selbstverständlich alte
minen, lautende schuld in neuen bezahlte, hatte dadurch freilich einen
grossen gewinn, denselben, den jetzt die bimetallisten für sich fordern,
die eine auf gold (das sie bekommen haben) lautende schuld in minder-
wertigem silber bezahlen (oder vielmehr verzinsen) möchten. der gewiegte
finanzmann Androtion (dessen anklage durch Demosthenes nur den

3) Sol. 15, 4 ten ama touto genomenen ton te metron epauxesin kai tou no-
mismatos timen; ekaton gar epoiese drakhmon ten mnan proteron ebdomekonta kai
trion ousan. folgt die erläuterung, welche das richtige verdeutlicht, dass 73 alte
drachmen = 100 neue waren, also die werte aller nominale gleichmässig ver-
ringert.

I. 3. Solon.
verhält, also 100 neue drachmen soviel wie 73 alte wiegen. Solons
zweck war ein handelspolitischer; aber daſs Athen von dem dorischen
zu dem ionischen system übergieng, hatte allerdings auch seine groſse
politische bedeutung.

Aristoteles redet von einer αὔξησις von maſs, gewicht und münze,
und erläutert das dahin, daſs das maſs gröſser ward als das vorher ge-
brauchte des Pheidon, daſs die bisher nur 70 drachmen wiegende mine
jetzt volle 100 betrug, daſs die gewichte der münze entsprechend in
allen einzelnen stücken ausgebracht wurden, und zwar so, daſs 63 minen
auf das talent giengen. das besagen die worte für den der sie mit
sprachkunde und unbefangenheit liest. es fügt sich auch alles ganz gut
zu einander, aber leider, leider ist alles nicht bloſs falsch, sondern zeigt
eine kaum glaubliche unbekanntschaft mit der sache. was die währung
anlangt, hat der verfasser kindlich genug die drachme als einen absoluten
wert betrachtet, so daſs die mine gröſser ward, wenn mehr drachmen
auf sie giengen, und, wenn er überhaupt nachgedacht hat, so muſs er
wirklich der vorsolonischen zeit eine teilung der mine in siebzigstel oder
so ungefähr zugetraut haben. gewiſs möchte man ihn von dem irrtum frei
machen, aber schon das fatale wort αὔξησις, das ihn getäuscht hat,
verbietet das. er hat es offenbar für volksfreundlich gehalten, daſs man
nun für ‘drei ellen’ mehr zeug, für ‘drei scheffel’ mehr korn bekam und
mit ‘drei minen’ beinahe vier alte hatte. wir lesen bei Plutarch3), der
doch auch kein finanzmann war und den sachen beträchtlich ferner
stand, einen auch nicht klaren, aber immerhin verständlichen und seit
Boeckh verstandenen auszug aus Androtions chronik. auch nach Androtion
ist die maſsregel volksfreundlich, und auch er redet von der μέτϱων
ἐπαύξησις καὶ τοῦ νομίσματος τιμή. die letztere erklärt er richtig
dahin, daſs Solon die mine von 100 drachmen jetzt 73 alten drachmen
gleichwiegend machte. und wer eine auf minen, selbstverständlich alte
minen, lautende schuld in neuen bezahlte, hatte dadurch freilich einen
groſsen gewinn, denselben, den jetzt die bimetallisten für sich fordern,
die eine auf gold (das sie bekommen haben) lautende schuld in minder-
wertigem silber bezahlen (oder vielmehr verzinsen) möchten. der gewiegte
finanzmann Androtion (dessen anklage durch Demosthenes nur den

3) Sol. 15, 4 τὴν ἅμα τούτῳ γενομένην τῶν τε μέτϱων ἐπαύξησιν καὶ τοῦ νο-
μίσματος τιμήν· ἑκατὸν γὰϱ ἐποίησε δϱαχμῶν τὴν μνᾶν πϱότεϱον έβδομήκοντα καὶ
τϱιῶν οὖσαν. folgt die erläuterung, welche das richtige verdeutlicht, daſs 73 alte
drachmen = 100 neue waren, also die werte aller nominale gleichmäſsig ver-
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[42/0056] I. 3. Solon. verhält, also 100 neue drachmen soviel wie 73 alte wiegen. Solons zweck war ein handelspolitischer; aber daſs Athen von dem dorischen zu dem ionischen system übergieng, hatte allerdings auch seine groſse politische bedeutung. Aristoteles redet von einer αὔξησις von maſs, gewicht und münze, und erläutert das dahin, daſs das maſs gröſser ward als das vorher ge- brauchte des Pheidon, daſs die bisher nur 70 drachmen wiegende mine jetzt volle 100 betrug, daſs die gewichte der münze entsprechend in allen einzelnen stücken ausgebracht wurden, und zwar so, daſs 63 minen auf das talent giengen. das besagen die worte für den der sie mit sprachkunde und unbefangenheit liest. es fügt sich auch alles ganz gut zu einander, aber leider, leider ist alles nicht bloſs falsch, sondern zeigt eine kaum glaubliche unbekanntschaft mit der sache. was die währung anlangt, hat der verfasser kindlich genug die drachme als einen absoluten wert betrachtet, so daſs die mine gröſser ward, wenn mehr drachmen auf sie giengen, und, wenn er überhaupt nachgedacht hat, so muſs er wirklich der vorsolonischen zeit eine teilung der mine in siebzigstel oder so ungefähr zugetraut haben. gewiſs möchte man ihn von dem irrtum frei machen, aber schon das fatale wort αὔξησις, das ihn getäuscht hat, verbietet das. er hat es offenbar für volksfreundlich gehalten, daſs man nun für ‘drei ellen’ mehr zeug, für ‘drei scheffel’ mehr korn bekam und mit ‘drei minen’ beinahe vier alte hatte. wir lesen bei Plutarch 3), der doch auch kein finanzmann war und den sachen beträchtlich ferner stand, einen auch nicht klaren, aber immerhin verständlichen und seit Boeckh verstandenen auszug aus Androtions chronik. auch nach Androtion ist die maſsregel volksfreundlich, und auch er redet von der μέτϱων ἐπαύξησις καὶ τοῦ νομίσματος τιμή. die letztere erklärt er richtig dahin, daſs Solon die mine von 100 drachmen jetzt 73 alten drachmen gleichwiegend machte. und wer eine auf minen, selbstverständlich alte minen, lautende schuld in neuen bezahlte, hatte dadurch freilich einen groſsen gewinn, denselben, den jetzt die bimetallisten für sich fordern, die eine auf gold (das sie bekommen haben) lautende schuld in minder- wertigem silber bezahlen (oder vielmehr verzinsen) möchten. der gewiegte finanzmann Androtion (dessen anklage durch Demosthenes nur den 3) Sol. 15, 4 τὴν ἅμα τούτῳ γενομένην τῶν τε μέτϱων ἐπαύξησιν καὶ τοῦ νο- μίσματος τιμήν· ἑκατὸν γὰϱ ἐποίησε δϱαχμῶν τὴν μνᾶν πϱότεϱον έβδομήκοντα καὶ τϱιῶν οὖσαν. folgt die erläuterung, welche das richtige verdeutlicht, daſs 73 alte drachmen = 100 neue waren, also die werte aller nominale gleichmäſsig ver- ringert.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/56>, abgerufen am 21.11.2024.