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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die drei parteien.

Der bericht über die drei parteien, die in Athen vor PeisistratosDie drei
parteien.

bestanden, stimmt bei Aristoteles und Herodotos ziemlich genau (13, 4,
Herod. I 59). aber Aristoteles hat nicht nur, wie natürlich, das ungenaue
uperakrioi Herodots in das richtige diakrioi verbessert, sondern er charak-
terisirt auch diese partei als die demokratische, der sich die ehemaligen
schuldsclaven anschlossen, und neben diesen leute von zweifelhafter ächt-
bürtigkeit. zum beweise führt er an, dass nach der vertreibung der tyrannen
eine prüfung der bürgerlisten stattgefunden habe, um diese eindringlinge zu
beseitigen. da Kleisthenes bei der neuen phylenordnung gerade die entgegen-
gesetzte tendenz verfolgt hat, und niemand anders als Aristoteles selbst be-
richtet, dass er sogar viele metöken und freigelassene zu bürgern gemacht
habe3), so kann dieser nicht der urheber jener reactionären massregel sein,
sondern sie muss in die jahre 509 oder 508 fallen und von der partei des
Isagoras ausgehn. wirklich berichtet Herodot (und ihm nachschreibend
Aristoteles), dass Isagoras 700 familien vertrieb, aber er nennt es agela-
tein, gleich als ob sie alle an der blutschuld der Alkmeoniden teilgenommen
hätten, während an der früheren stelle Aristoteles den technischen ausdruck
diapsephismos anwendet, den wir von den entsprechenden vorgängen
kennen, welche die gesetze des Perikles von 451/50, des Aristophon bald
nach 403, und des Demophilos 346/5 im gefolge hatten; es wird ohne zweifel
öfter zu solchen massregeln gekommen sein.4) nun ist es ganz der weise

3) Politik G 2. in der Politie hat die erwähnung nicht gefehlt: denn dass die
andeutung eines ausfalles, den die überlieferung selbst in der zerrissenen periode
21, 1 gibt, nicht durch das hier wie an ähnlichen stellen von andern beliebte kümmer-
liche mittel beseitigt werden darf, die unliebsame partikel zu tilgen, folgt vor allem
aus dem stil. Kleisthenes wird demou prostates, heisst es 20, 3, und was ihn
dazu legitimirt, wird angeführt; dann wird derselbe gedanke aufgenommen, tou ple-
thous proestekos 22, 1 und an der stelle, wo die epoche machenden neuerungen ge-
nannt werden, das genaue datum eingefügt: da fordern wir einen allgemeinen seine
wirksamkeit zusammenfassenden ausdruck, dessen ausführung mit proton men oun,
epeita u. s. w. folgt, und dem 23, 1 demotikotera egeneto e politeia entspricht.
ferner, wenn folgt `suneneime pantas eis deka phulas anti ton tettaron: wer
sind die pantes? doch wol mehr als vorher in den phulai waren. das also war
erwähnt, eben das was die Politik auch bezeugt. ausserdem wird der suffectus fehlen,
da Isagoras ja vertrieben war, vgl. oben s. 6.
4) Man ist gewöhnt, zwischen dem anfange des vierten jahrhunderts und 345
keine diapsephisis anzunehmen, und allerdings ist keine überliefert. aber die als
demosthenisch überlieferte amusante rede wider Eubulides setzt eine solche voraus,
und es ist nur mit den gewaltsamsten verrenkungen jeder chronologie möglich, die
rede, in der 'alle historischen beziehungen sich auf den peloponnesischen und korin-
thischen krieg beschränken' (Schaefer IIIb 265) 345 anzusetzen. wer sie ohne rück-
Die drei parteien.

Der bericht über die drei parteien, die in Athen vor PeisistratosDie drei
parteien.

bestanden, stimmt bei Aristoteles und Herodotos ziemlich genau (13, 4,
Herod. I 59). aber Aristoteles hat nicht nur, wie natürlich, das ungenaue
ὑπεϱάκϱιοι Herodots in das richtige διάκϱιοι verbessert, sondern er charak-
terisirt auch diese partei als die demokratische, der sich die ehemaligen
schuldsclaven anschlossen, und neben diesen leute von zweifelhafter ächt-
bürtigkeit. zum beweise führt er an, daſs nach der vertreibung der tyrannen
eine prüfung der bürgerlisten stattgefunden habe, um diese eindringlinge zu
beseitigen. da Kleisthenes bei der neuen phylenordnung gerade die entgegen-
gesetzte tendenz verfolgt hat, und niemand anders als Aristoteles selbst be-
richtet, daſs er sogar viele metöken und freigelassene zu bürgern gemacht
habe3), so kann dieser nicht der urheber jener reactionären maſsregel sein,
sondern sie muſs in die jahre 509 oder 508 fallen und von der partei des
Isagoras ausgehn. wirklich berichtet Herodot (und ihm nachschreibend
Aristoteles), daſs Isagoras 700 familien vertrieb, aber er nennt es ἀγηλα-
τεῖν, gleich als ob sie alle an der blutschuld der Alkmeoniden teilgenommen
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διαψηφισμός anwendet, den wir von den entsprechenden vorgängen
kennen, welche die gesetze des Perikles von 451/50, des Aristophon bald
nach 403, und des Demophilos 346/5 im gefolge hatten; es wird ohne zweifel
öfter zu solchen maſsregeln gekommen sein.4) nun ist es ganz der weise

3) Politik Γ 2. in der Politie hat die erwähnung nicht gefehlt: denn daſs die
andeutung eines ausfalles, den die überlieferung selbst in der zerrissenen periode
21, 1 gibt, nicht durch das hier wie an ähnlichen stellen von andern beliebte kümmer-
liche mittel beseitigt werden darf, die unliebsame partikel zu tilgen, folgt vor allem
aus dem stil. Kleisthenes wird δήμου πϱοστάτης, heiſst es 20, 3, und was ihn
dazu legitimirt, wird angeführt; dann wird derselbe gedanke aufgenommen, τοῦ πλή-
ϑους πϱοεστηκώς 22, 1 und an der stelle, wo die epoche machenden neuerungen ge-
nannt werden, das genaue datum eingefügt: da fordern wir einen allgemeinen seine
wirksamkeit zusammenfassenden ausdruck, dessen ausführung mit πϱῶτον μὲν οὖν,
ἔπειτα u. s. w. folgt, und dem 23, 1 δημοτικωτέϱα ἐγένετο ἡ πολιτεία entspricht.
ferner, wenn folgt ῾συνένειμε πάντας εἰς δέκα φυλὰς ἀντὶ τῶν τεττάϱων: wer
sind die πάντες? doch wol mehr als vorher in den φυλαί waren. das also war
erwähnt, eben das was die Politik auch bezeugt. auſserdem wird der suffectus fehlen,
da Isagoras ja vertrieben war, vgl. oben s. 6.
4) Man ist gewöhnt, zwischen dem anfange des vierten jahrhunderts und 345
keine διαψήφισις anzunehmen, und allerdings ist keine überliefert. aber die als
demosthenisch überlieferte amusante rede wider Eubulides setzt eine solche voraus,
und es ist nur mit den gewaltsamsten verrenkungen jeder chronologie möglich, die
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thischen krieg beschränken’ (Schaefer IIIb 265) 345 anzusetzen. wer sie ohne rück-
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[31/0045] Die drei parteien. Der bericht über die drei parteien, die in Athen vor Peisistratos bestanden, stimmt bei Aristoteles und Herodotos ziemlich genau (13, 4, Herod. I 59). aber Aristoteles hat nicht nur, wie natürlich, das ungenaue ὑπεϱάκϱιοι Herodots in das richtige διάκϱιοι verbessert, sondern er charak- terisirt auch diese partei als die demokratische, der sich die ehemaligen schuldsclaven anschlossen, und neben diesen leute von zweifelhafter ächt- bürtigkeit. zum beweise führt er an, daſs nach der vertreibung der tyrannen eine prüfung der bürgerlisten stattgefunden habe, um diese eindringlinge zu beseitigen. da Kleisthenes bei der neuen phylenordnung gerade die entgegen- gesetzte tendenz verfolgt hat, und niemand anders als Aristoteles selbst be- richtet, daſs er sogar viele metöken und freigelassene zu bürgern gemacht habe 3), so kann dieser nicht der urheber jener reactionären maſsregel sein, sondern sie muſs in die jahre 509 oder 508 fallen und von der partei des Isagoras ausgehn. wirklich berichtet Herodot (und ihm nachschreibend Aristoteles), daſs Isagoras 700 familien vertrieb, aber er nennt es ἀγηλα- τεῖν, gleich als ob sie alle an der blutschuld der Alkmeoniden teilgenommen hätten, während an der früheren stelle Aristoteles den technischen ausdruck διαψηφισμός anwendet, den wir von den entsprechenden vorgängen kennen, welche die gesetze des Perikles von 451/50, des Aristophon bald nach 403, und des Demophilos 346/5 im gefolge hatten; es wird ohne zweifel öfter zu solchen maſsregeln gekommen sein. 4) nun ist es ganz der weise Die drei parteien. 3) Politik Γ 2. in der Politie hat die erwähnung nicht gefehlt: denn daſs die andeutung eines ausfalles, den die überlieferung selbst in der zerrissenen periode 21, 1 gibt, nicht durch das hier wie an ähnlichen stellen von andern beliebte kümmer- liche mittel beseitigt werden darf, die unliebsame partikel zu tilgen, folgt vor allem aus dem stil. Kleisthenes wird δήμου πϱοστάτης, heiſst es 20, 3, und was ihn dazu legitimirt, wird angeführt; dann wird derselbe gedanke aufgenommen, τοῦ πλή- ϑους πϱοεστηκώς 22, 1 und an der stelle, wo die epoche machenden neuerungen ge- nannt werden, das genaue datum eingefügt: da fordern wir einen allgemeinen seine wirksamkeit zusammenfassenden ausdruck, dessen ausführung mit πϱῶτον μὲν οὖν, ἔπειτα u. s. w. folgt, und dem 23, 1 δημοτικωτέϱα ἐγένετο ἡ πολιτεία entspricht. ferner, wenn folgt ῾συνένειμε πάντας εἰς δέκα φυλὰς ἀντὶ τῶν τεττάϱων: wer sind die πάντες? doch wol mehr als vorher in den φυλαί waren. das also war erwähnt, eben das was die Politik auch bezeugt. auſserdem wird der suffectus fehlen, da Isagoras ja vertrieben war, vgl. oben s. 6. 4) Man ist gewöhnt, zwischen dem anfange des vierten jahrhunderts und 345 keine διαψήφισις anzunehmen, und allerdings ist keine überliefert. aber die als demosthenisch überlieferte amusante rede wider Eubulides setzt eine solche voraus, und es ist nur mit den gewaltsamsten verrenkungen jeder chronologie möglich, die rede, in der ‘alle historischen beziehungen sich auf den peloponnesischen und korin- thischen krieg beschränken’ (Schaefer IIIb 265) 345 anzusetzen. wer sie ohne rück-

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/45>, abgerufen am 24.11.2024.