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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Verhältnis zu Ephoros.

Für die einen ist es ausgemacht, dass Ephoros von Aristoteles ab-Verhältnis
zu Ephoros.

hängt, z. b. soll er die kretische politie ziemlich ungenirt ausgeschrieben
haben. es war das eine notwendige folge der hohen meinung, die wir
(ich muss mich mit einrechnen) von der historischen forschung des
Aristoteles hatten, und von der misachtung der Isokrateer. Usener ist
sogar so weit gegangen, sich den jungen Aristoteles durch seine histo-
risch-philosophischen tendenzen anregend auf den greisen Platon zu
denken, weil dessen Gesetze in der tat nicht ohne ein fundament ge-
schichtlicher studien denkbar sind. gerade hierin liegt ein hauptunter-
schied zwischen seiner schätzung der Akademie und der meinen. ich
habe nie begriffen, wie gerade er so urteilen konnte, der die einschläg-
lichen unächten dialoge Minos und Hipparchos doch noch dem schul-
regimente des Speusippos zuschreibt. diese ganze ansicht ist nun nicht
mehr zu halten, seitdem es feststeht, dass die Politie der Athener, von
der nur willkür ihre schwestern trennen kann, ebenso wie die politi-
schen vorträge und die Dikaiomata23) der letzten lebenszeit des Aristo-
teles angehören. denn gesetzt auch, dass Ephoros noch in den zwan-
ziger jahren geschrieben hätte, so kann man seine ersten bücher doch
unmöglich so spät ansetzen, und er konnte auch wahrlich nicht auf die
publication aus dem feindlichen lager warten, um aus ihr material für
seine eigene arbeit zu gewinnen. übrigens kenne ich in seinen resten
nichts was auf die zeit Alexanders mit sicherheit führte.

Da scheint nun die entgegengesetzte ansicht die oberhand zu ge-
winnen, die in Ephoros die oder eine hauptquelle für die geschichtlichen
angaben der Politik sieht. gerade die kretische verfassung hat man auch
dafür als beleg angeführt, und wer die auszüge beider vergleicht, muss
zugestehen, dass der augenschein eher für eine abhängigkeit des Aristo-
teles spricht. nun ist freilich Ephoros in der athenischen Politie nicht
benutzt; aber das erklärt sich aus dem gegensatze der politischen partei-
stellung, und ein anderer Isokrateer, Androtion, hat dem Aristoteles ver-
mutlich sehr viel mehr geliefert als wir noch beweisen können. ich

23) Diese erwähnen den italischen zug des Molotters Alexandros (fgm. 614
Rose): der gewährsmann ist auch ein gelehrter der hadrianischen zeit, der Byblier
Philon. auf desselben mannes omonumoi poleis dürfte ein zweites citat derselben
schrift (Steph. Byz. Oropos) zurückgehn; doch kann dessen doublette (Tanagra)
auch apollodorisch sein. die dritte stelle steht bei Harpokration. die benutzer sind
also dieselben wie bei den Politien. die letzten zwei fragmente beziehen sich auf die
grenzfehden zwischen Athen und Boeotien; über Oropos hat Philippos 338 zu
gunsten Athens entschieden: Aristoteles hat das umgekehrt beurteilt, denn Graia,
das er mit Oropos gleich setzt, gehört bei Homer zu Boeotien.
v. Wilamowitz, Aristoteles I. 20
Verhältnis zu Ephoros.

Für die einen ist es ausgemacht, daſs Ephoros von Aristoteles ab-Verhältnis
zu Ephoros.

hängt, z. b. soll er die kretische politie ziemlich ungenirt ausgeschrieben
haben. es war das eine notwendige folge der hohen meinung, die wir
(ich muſs mich mit einrechnen) von der historischen forschung des
Aristoteles hatten, und von der misachtung der Isokrateer. Usener ist
sogar so weit gegangen, sich den jungen Aristoteles durch seine histo-
risch-philosophischen tendenzen anregend auf den greisen Platon zu
denken, weil dessen Gesetze in der tat nicht ohne ein fundament ge-
schichtlicher studien denkbar sind. gerade hierin liegt ein hauptunter-
schied zwischen seiner schätzung der Akademie und der meinen. ich
habe nie begriffen, wie gerade er so urteilen konnte, der die einschläg-
lichen unächten dialoge Minos und Hipparchos doch noch dem schul-
regimente des Speusippos zuschreibt. diese ganze ansicht ist nun nicht
mehr zu halten, seitdem es feststeht, daſs die Politie der Athener, von
der nur willkür ihre schwestern trennen kann, ebenso wie die politi-
schen vorträge und die Δικαιώματα23) der letzten lebenszeit des Aristo-
teles angehören. denn gesetzt auch, daſs Ephoros noch in den zwan-
ziger jahren geschrieben hätte, so kann man seine ersten bücher doch
unmöglich so spät ansetzen, und er konnte auch wahrlich nicht auf die
publication aus dem feindlichen lager warten, um aus ihr material für
seine eigene arbeit zu gewinnen. übrigens kenne ich in seinen resten
nichts was auf die zeit Alexanders mit sicherheit führte.

Da scheint nun die entgegengesetzte ansicht die oberhand zu ge-
winnen, die in Ephoros die oder eine hauptquelle für die geschichtlichen
angaben der Politik sieht. gerade die kretische verfassung hat man auch
dafür als beleg angeführt, und wer die auszüge beider vergleicht, muſs
zugestehen, daſs der augenschein eher für eine abhängigkeit des Aristo-
teles spricht. nun ist freilich Ephoros in der athenischen Politie nicht
benutzt; aber das erklärt sich aus dem gegensatze der politischen partei-
stellung, und ein anderer Isokrateer, Androtion, hat dem Aristoteles ver-
mutlich sehr viel mehr geliefert als wir noch beweisen können. ich

23) Diese erwähnen den italischen zug des Molotters Alexandros (fgm. 614
Rose): der gewährsmann ist auch ein gelehrter der hadrianischen zeit, der Byblier
Philon. auf desselben mannes ὁμώνυμοι πόλεις dürfte ein zweites citat derselben
schrift (Steph. Byz. Ὠϱωπός) zurückgehn; doch kann dessen doublette (Τάναγϱα)
auch apollodorisch sein. die dritte stelle steht bei Harpokration. die benutzer sind
also dieselben wie bei den Politien. die letzten zwei fragmente beziehen sich auf die
grenzfehden zwischen Athen und Boeotien; über Oropos hat Philippos 338 zu
gunsten Athens entschieden: Aristoteles hat das umgekehrt beurteilt, denn Graia,
das er mit Oropos gleich setzt, gehört bei Homer zu Boeotien.
v. Wilamowitz, Aristoteles I. 20
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[305/0319] Verhältnis zu Ephoros. Für die einen ist es ausgemacht, daſs Ephoros von Aristoteles ab- hängt, z. b. soll er die kretische politie ziemlich ungenirt ausgeschrieben haben. es war das eine notwendige folge der hohen meinung, die wir (ich muſs mich mit einrechnen) von der historischen forschung des Aristoteles hatten, und von der misachtung der Isokrateer. Usener ist sogar so weit gegangen, sich den jungen Aristoteles durch seine histo- risch-philosophischen tendenzen anregend auf den greisen Platon zu denken, weil dessen Gesetze in der tat nicht ohne ein fundament ge- schichtlicher studien denkbar sind. gerade hierin liegt ein hauptunter- schied zwischen seiner schätzung der Akademie und der meinen. ich habe nie begriffen, wie gerade er so urteilen konnte, der die einschläg- lichen unächten dialoge Minos und Hipparchos doch noch dem schul- regimente des Speusippos zuschreibt. diese ganze ansicht ist nun nicht mehr zu halten, seitdem es feststeht, daſs die Politie der Athener, von der nur willkür ihre schwestern trennen kann, ebenso wie die politi- schen vorträge und die Δικαιώματα 23) der letzten lebenszeit des Aristo- teles angehören. denn gesetzt auch, daſs Ephoros noch in den zwan- ziger jahren geschrieben hätte, so kann man seine ersten bücher doch unmöglich so spät ansetzen, und er konnte auch wahrlich nicht auf die publication aus dem feindlichen lager warten, um aus ihr material für seine eigene arbeit zu gewinnen. übrigens kenne ich in seinen resten nichts was auf die zeit Alexanders mit sicherheit führte. Verhältnis zu Ephoros. Da scheint nun die entgegengesetzte ansicht die oberhand zu ge- winnen, die in Ephoros die oder eine hauptquelle für die geschichtlichen angaben der Politik sieht. gerade die kretische verfassung hat man auch dafür als beleg angeführt, und wer die auszüge beider vergleicht, muſs zugestehen, daſs der augenschein eher für eine abhängigkeit des Aristo- teles spricht. nun ist freilich Ephoros in der athenischen Politie nicht benutzt; aber das erklärt sich aus dem gegensatze der politischen partei- stellung, und ein anderer Isokrateer, Androtion, hat dem Aristoteles ver- mutlich sehr viel mehr geliefert als wir noch beweisen können. ich 23) Diese erwähnen den italischen zug des Molotters Alexandros (fgm. 614 Rose): der gewährsmann ist auch ein gelehrter der hadrianischen zeit, der Byblier Philon. auf desselben mannes ὁμώνυμοι πόλεις dürfte ein zweites citat derselben schrift (Steph. Byz. Ὠϱωπός) zurückgehn; doch kann dessen doublette (Τάναγϱα) auch apollodorisch sein. die dritte stelle steht bei Harpokration. die benutzer sind also dieselben wie bei den Politien. die letzten zwei fragmente beziehen sich auf die grenzfehden zwischen Athen und Boeotien; über Oropos hat Philippos 338 zu gunsten Athens entschieden: Aristoteles hat das umgekehrt beurteilt, denn Graia, das er mit Oropos gleich setzt, gehört bei Homer zu Boeotien. v. Wilamowitz, Aristoteles I. 20

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/319>, abgerufen am 24.11.2024.