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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Die einzelnen Atthidographen.
pflegt37); vielleicht auch Phanodemos.38) einen sehr bedeutenden fort-
schritt bedeutete es, dass der praktische staatsmann Androtion von Gar-

37) Er ist bei Susemihl (Alex. Litt. Gesch. I 622) in das dritte jahrhundert
geraten. aber das einzige bruchstück der Atthis (Harp. grupanion, etwas anders die
epitome, diese im Et. M. benutzt) wird wegen einer ganz archaischen form (egrupen
e ge) angeführt. in der schrift über die mysterien citirte er von der bronzetafel
der burg, die die namen der hochverräter enthielt, den volksbeschluss über Diagoras
von Melos in ganzer ausdehnung. eine andere brechung des scholions, ohne die
scharfe und ächte gesetzessprache, citirt für dasselbe den Krateros, mit istorei, nicht
mit propheretai tes steles antigraphon, wie es von Melanthios lautet. hier ist
also Melanthios von Krateros benutzt, nicht etwa umgekehrt. im schol. Plut. 845
erläutert Melanthios ein eleusinisches patrion; bei Athen. VI 325c führt ihn der
Athener Apollodor für die opfer der eleusinischen Hekate an. alles trägt den
stempel der ächtheit und des alters. zu sondern sind zwei andere träger des namens,
einer, vielleicht ein vorfahr von diesem, freund Kimons, für den er elegien dichtet,
von Aristophanes im Frieden 804--16, auch Vög. 151, wegen schlemmerei und schmutz
verspottet. er hatte kurz vorher eine trilogie gedichtet, und vielleicht eine Medeia
darin, auf die die scholien den vers Fried. 1012 durch vermutung beziehn: die war
also verloren. dagegen hat Plutarch bei irgend einem stoiker den einzigen vers
des Melanthios gefunden, den es gibt; er führt ihn oft an und auch in einer
umbildung, die Nauck fälschlich als adesp. 390 davon gesondert hat. dass
Melanthios ein bruder des Morsimos gewesen wäre, ist ein irrtum des Fabricius,
der trotz Elmsley (zur Med. 96) noch zuweilen spukt. von diesem Melanthios
unterschieden ist ein parasit des Alexandros von Pherai (Plut. de adul. et am. 3),
von dem es viele gute witze gibt, über den Olympiakos des Gorgias (Plut. conjug.
praec.
43), einen redner Archippos (symp. qu. II 1, 19), den tragiker Diogenes
(de audiendo 7), einen nicht genannten komiker (symp. qu. II 1, 4) und die dema-
gogen überhaupt (quom. adul. poet. aud. 4). das passt alles für die zeit des
Alexandros von Pherai und einen von der classe der attischen euphueis, deren witze
Philippos sich sammeln liess und Aristoteles in der rhetorik häufig anführt. in
ähnlicher weise dürften diese zu Plutarch gelangt sein. den fehler, diesen Melan-
thios mit dem tragiker zu verwechseln, haben Elmsley und Welcker (gr. trag.
III 1030) nicht vermieden, und wol Klearchos schon hat so geirrt (Athen. I 6c, ent-
stellt XII 549): dass es ein irrtum ist, liegt auf der hand. den atthidographen
möchte ich selbst mit dem dichter nicht identificiren. -- beiläufig, in dem psephisma
über Diagoras (schol. Vög. 1073) muss es natürlich heissen exekeruxan (epek. codd.) kai
auton kai tous amenn ekdontas Pellaneis: sie hatten ihn ja nicht. damit haben wir eine
verwickelung zwischen Athen und Pellana. ich weiss davon wenig, aber es sei darauf
hingewiesen, dass Pellana allein schon 432 zu Sparta hält (Thuk. II 9), und die
lakonischen gesandten fordern es Lysistr. 996, wo die scholien nichts wissen; die
zote, die allerdings auch darin sein muss, verstehe ich nicht, die scholien aber auch
nicht. vielleicht kann jemand mit dieser neuen aporie eher die alte lösen, wann
eigentlich Diagoras geächtet ist: ich bin dazu nicht im stande.
38) Bei diesem überwiegt in der überlieferung so stark das hieratische, dass
man ohne die anführungen Plutarchs (Them. 13, Kim. 12. 19) kaum glauben würde,

Die einzelnen Atthidographen.
pflegt37); vielleicht auch Phanodemos.38) einen sehr bedeutenden fort-
schritt bedeutete es, daſs der praktische staatsmann Androtion von Gar-

37) Er ist bei Susemihl (Alex. Litt. Gesch. I 622) in das dritte jahrhundert
geraten. aber das einzige bruchstück der Atthis (Harp. γϱυπάνιον, etwas anders die
epitome, diese im Et. M. benutzt) wird wegen einer ganz archaischen form (ἔγϱυπεν
ἡ γῆ) angeführt. in der schrift über die mysterien citirte er von der bronzetafel
der burg, die die namen der hochverräter enthielt, den volksbeschluſs über Diagoras
von Melos in ganzer ausdehnung. eine andere brechung des scholions, ohne die
scharfe und ächte gesetzessprache, citirt für dasselbe den Krateros, mit ἱστοϱεῖ, nicht
mit πϱοφέϱεται τῆς στήλης ἀντίγϱαφον, wie es von Melanthios lautet. hier ist
also Melanthios von Krateros benutzt, nicht etwa umgekehrt. im schol. Plut. 845
erläutert Melanthios ein eleusinisches πάτϱιον; bei Athen. VI 325c führt ihn der
Athener Apollodor für die opfer der eleusinischen Hekate an. alles trägt den
stempel der ächtheit und des alters. zu sondern sind zwei andere träger des namens,
einer, vielleicht ein vorfahr von diesem, freund Kimons, für den er elegien dichtet,
von Aristophanes im Frieden 804—16, auch Vög. 151, wegen schlemmerei und schmutz
verspottet. er hatte kurz vorher eine trilogie gedichtet, und vielleicht eine Medeia
darin, auf die die scholien den vers Fried. 1012 durch vermutung beziehn: die war
also verloren. dagegen hat Plutarch bei irgend einem stoiker den einzigen vers
des Melanthios gefunden, den es gibt; er führt ihn oft an und auch in einer
umbildung, die Nauck fälschlich als adesp. 390 davon gesondert hat. daſs
Melanthios ein bruder des Morsimos gewesen wäre, ist ein irrtum des Fabricius,
der trotz Elmsley (zur Med. 96) noch zuweilen spukt. von diesem Melanthios
unterschieden ist ein parasit des Alexandros von Pherai (Plut. de adul. et am. 3),
von dem es viele gute witze gibt, über den Olympiakos des Gorgias (Plut. conjug.
praec.
43), einen redner Archippos (symp. qu. II 1, 19), den tragiker Diogenes
(de audiendo 7), einen nicht genannten komiker (symp. qu. II 1, 4) und die dema-
gogen überhaupt (quom. adul. poet. aud. 4). das paſst alles für die zeit des
Alexandros von Pherai und einen von der classe der attischen εὐφυεῖς, deren witze
Philippos sich sammeln lieſs und Aristoteles in der rhetorik häufig anführt. in
ähnlicher weise dürften diese zu Plutarch gelangt sein. den fehler, diesen Melan-
thios mit dem tragiker zu verwechseln, haben Elmsley und Welcker (gr. trag.
III 1030) nicht vermieden, und wol Klearchos schon hat so geirrt (Athen. I 6c, ent-
stellt XII 549): daſs es ein irrtum ist, liegt auf der hand. den atthidographen
möchte ich selbst mit dem dichter nicht identificiren. — beiläufig, in dem psephisma
über Diagoras (schol. Vög. 1073) muſs es natürlich heiſsen ἐξεκήϱυξαν (ἐπεκ. codd.) καὶ
αὐτὸν καὶ τοὺς áμὴñ ἐκδόντας Πελλανεῖς: sie hatten ihn ja nicht. damit haben wir eine
verwickelung zwischen Athen und Pellana. ich weiſs davon wenig, aber es sei darauf
hingewiesen, daſs Pellana allein schon 432 zu Sparta hält (Thuk. II 9), und die
lakonischen gesandten fordern es Lysistr. 996, wo die scholien nichts wissen; die
zote, die allerdings auch darin sein muſs, verstehe ich nicht, die scholien aber auch
nicht. vielleicht kann jemand mit dieser neuen aporie eher die alte lösen, wann
eigentlich Diagoras geächtet ist: ich bin dazu nicht im stande.
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[287/0301] Die einzelnen Atthidographen. pflegt 37); vielleicht auch Phanodemos. 38) einen sehr bedeutenden fort- schritt bedeutete es, daſs der praktische staatsmann Androtion von Gar- 37) Er ist bei Susemihl (Alex. Litt. Gesch. I 622) in das dritte jahrhundert geraten. aber das einzige bruchstück der Atthis (Harp. γϱυπάνιον, etwas anders die epitome, diese im Et. M. benutzt) wird wegen einer ganz archaischen form (ἔγϱυπεν ἡ γῆ) angeführt. in der schrift über die mysterien citirte er von der bronzetafel der burg, die die namen der hochverräter enthielt, den volksbeschluſs über Diagoras von Melos in ganzer ausdehnung. eine andere brechung des scholions, ohne die scharfe und ächte gesetzessprache, citirt für dasselbe den Krateros, mit ἱστοϱεῖ, nicht mit πϱοφέϱεται τῆς στήλης ἀντίγϱαφον, wie es von Melanthios lautet. hier ist also Melanthios von Krateros benutzt, nicht etwa umgekehrt. im schol. Plut. 845 erläutert Melanthios ein eleusinisches πάτϱιον; bei Athen. VI 325c führt ihn der Athener Apollodor für die opfer der eleusinischen Hekate an. alles trägt den stempel der ächtheit und des alters. zu sondern sind zwei andere träger des namens, einer, vielleicht ein vorfahr von diesem, freund Kimons, für den er elegien dichtet, von Aristophanes im Frieden 804—16, auch Vög. 151, wegen schlemmerei und schmutz verspottet. er hatte kurz vorher eine trilogie gedichtet, und vielleicht eine Medeia darin, auf die die scholien den vers Fried. 1012 durch vermutung beziehn: die war also verloren. dagegen hat Plutarch bei irgend einem stoiker den einzigen vers des Melanthios gefunden, den es gibt; er führt ihn oft an und auch in einer umbildung, die Nauck fälschlich als adesp. 390 davon gesondert hat. daſs Melanthios ein bruder des Morsimos gewesen wäre, ist ein irrtum des Fabricius, der trotz Elmsley (zur Med. 96) noch zuweilen spukt. von diesem Melanthios unterschieden ist ein parasit des Alexandros von Pherai (Plut. de adul. et am. 3), von dem es viele gute witze gibt, über den Olympiakos des Gorgias (Plut. conjug. praec. 43), einen redner Archippos (symp. qu. II 1, 19), den tragiker Diogenes (de audiendo 7), einen nicht genannten komiker (symp. qu. II 1, 4) und die dema- gogen überhaupt (quom. adul. poet. aud. 4). das paſst alles für die zeit des Alexandros von Pherai und einen von der classe der attischen εὐφυεῖς, deren witze Philippos sich sammeln lieſs und Aristoteles in der rhetorik häufig anführt. in ähnlicher weise dürften diese zu Plutarch gelangt sein. den fehler, diesen Melan- thios mit dem tragiker zu verwechseln, haben Elmsley und Welcker (gr. trag. III 1030) nicht vermieden, und wol Klearchos schon hat so geirrt (Athen. I 6c, ent- stellt XII 549): daſs es ein irrtum ist, liegt auf der hand. den atthidographen möchte ich selbst mit dem dichter nicht identificiren. — beiläufig, in dem psephisma über Diagoras (schol. Vög. 1073) muſs es natürlich heiſsen ἐξεκήϱυξαν (ἐπεκ. codd.) καὶ αὐτὸν καὶ τοὺς áμὴñ ἐκδόντας Πελλανεῖς: sie hatten ihn ja nicht. damit haben wir eine verwickelung zwischen Athen und Pellana. ich weiſs davon wenig, aber es sei darauf hingewiesen, daſs Pellana allein schon 432 zu Sparta hält (Thuk. II 9), und die lakonischen gesandten fordern es Lysistr. 996, wo die scholien nichts wissen; die zote, die allerdings auch darin sein muſs, verstehe ich nicht, die scholien aber auch nicht. vielleicht kann jemand mit dieser neuen aporie eher die alte lösen, wann eigentlich Diagoras geächtet ist: ich bin dazu nicht im stande. 38) Bei diesem überwiegt in der überlieferung so stark das hieratische, daſs man ohne die anführungen Plutarchs (Them. 13, Kim. 12. 19) kaum glauben würde,

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/301>, abgerufen am 22.11.2024.