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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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I. 8. Die Atthis.

Eine noch stärkere verschlechterung der geschichte, aber auch noch
mehr solonische verse liefern Diogenes I 49. 50. 52 12) und Diodor IX 21 13),
von charakterlosen wiederholungen einzelner züge (z. b. bei Aristides
41, 765 Ddf.) zu schweigen.

Überblickt man das ganze, so kann kein zweifel bleiben, dass Ari-
stoteles bereits eine ausführliche lebensvolle erzählung vor sich hatte,
die von der benutzung der solonischen verse ganz frei war, aber apo-
phthegmen lieferte, deren eines er mitteilt, während er das schönere
tini pisteueis; to gera 14), weglässt. in diesem berichte folgte auf
den chronologisch genau fixirten tod Solons eine zusammenfassende
schilderung der regierungsart des Peisistratos, die Aristoteles nur durch
den einschub der äussern geschichte seiner herrschaft unterbrochen hat.
das apophthegma, das er mit legetai absondert, gehörte mit zu dem
bestande; wir werden gleich sehen, dass es mit den anderen geschichten
aus Peisistratos zeit eben so steht. nur sei vorher noch etwas behandelt,
das für Solon von belang ist.

12) Wer nachlist, wird finden, dass so der ursprüngliche fortgang der vita ist.
eine schlechte einlage ist die verbannung oder flucht Solons vor Peisistratos, die
erst um des gefälschten briefes willen entstanden ist, angeknüpft freilich an diese
alte geschichte (Solon legt die waffen vor das strategenhaus und reist ab, 50. 53.
54). und nachdem die reise einmal hierher gelegt war, fand die Kroisosnovelle
sogar eine chronologische rechtfertigung und steht deshalb 50. 51: wirft man diese
zusätze weg, so stehn die citate der gedichte bei einander, und es folgt 55, jetzt
ganz sinnlos, Solon oron anthropinou biou phesin ete ebdomekonta: das ist wieder
ein gedicht, das über die zehn hebdomaden des lebens, und diese betrachtung über
das mass des menschenlebens gehört zu dem apophthegma gera pisteuo.
13) So einfach liegt also das quellenverhältnis nicht, dass Plutarch Diogenes
und Diodor alle drei direct auf Hermippos zurückgiengen. diesen selbst hat nur
Plutarch gehabt, Diogenes repraesentirt den strom der philosophenbiographie, wie
er etwa zu Plutarchs zeit (der seine vorlage angehört, die mindestens im ersten
buche nicht Apollonides von Nikaia ist) sich darstellte; Diodor hat, vielleicht nicht
unmittelbar, aus demselben strome 150 jahre früher geschöpft. aber dieser strom ist
derselbe, die tradition von den 7 weisen, keineswegs die von Solon allein; Ephoros
als quelle Diodors ist für jeden, der die parallelüberlieferung kennt, undenkbar.
14) Dies z. b. noch bei Plutarch an seni sit ger. r. p. 21 (mit der vita stimmend)
und Cicero Cat. 72, wo sogleich auch auf Solons elegie an Mimnermos angespielt
wird (fgm. 21), die Plutarch in der comparatio citirt. Cicero gibt die pointirtere
fassung wie Diodor, dass Solon direct dem Peisistratos antwortet; er übersetzt das
solonische distichon am schlusse des ersten buches der Tusculanen. um so weniger
möchte ich eine bestimmte vorlage nennen: es ist die philosophische chrie, ein
wichtiger bach der überlieferung, aus der eigentlich geschichtlichen tradition zumeist
schon im dritten jahrhundert, zuweilen im zweiten abgeleitet.
I. 8. Die Atthis.

Eine noch stärkere verschlechterung der geschichte, aber auch noch
mehr solonische verse liefern Diogenes I 49. 50. 52 12) und Diodor IX 21 13),
von charakterlosen wiederholungen einzelner züge (z. b. bei Aristides
41, 765 Ddf.) zu schweigen.

Überblickt man das ganze, so kann kein zweifel bleiben, daſs Ari-
stoteles bereits eine ausführliche lebensvolle erzählung vor sich hatte,
die von der benutzung der solonischen verse ganz frei war, aber apo-
phthegmen lieferte, deren eines er mitteilt, während er das schönere
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den chronologisch genau fixirten tod Solons eine zusammenfassende
schilderung der regierungsart des Peisistratos, die Aristoteles nur durch
den einschub der äuſsern geschichte seiner herrschaft unterbrochen hat.
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bestande; wir werden gleich sehen, daſs es mit den anderen geschichten
aus Peisistratos zeit eben so steht. nur sei vorher noch etwas behandelt,
das für Solon von belang ist.

12) Wer nachlist, wird finden, daſs so der ursprüngliche fortgang der vita ist.
eine schlechte einlage ist die verbannung oder flucht Solons vor Peisistratos, die
erst um des gefälschten briefes willen entstanden ist, angeknüpft freilich an diese
alte geschichte (Solon legt die waffen vor das strategenhaus und reist ab, 50. 53.
54). und nachdem die reise einmal hierher gelegt war, fand die Kroisosnovelle
sogar eine chronologische rechtfertigung und steht deshalb 50. 51: wirft man diese
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ein gedicht, das über die zehn hebdomaden des lebens, und diese betrachtung über
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13) So einfach liegt also das quellenverhältnis nicht, daſs Plutarch Diogenes
und Diodor alle drei direct auf Hermippos zurückgiengen. diesen selbst hat nur
Plutarch gehabt, Diogenes repraesentirt den strom der philosophenbiographie, wie
er etwa zu Plutarchs zeit (der seine vorlage angehört, die mindestens im ersten
buche nicht Apollonides von Nikaia ist) sich darstellte; Diodor hat, vielleicht nicht
unmittelbar, aus demselben strome 150 jahre früher geschöpft. aber dieser strom ist
derselbe, die tradition von den 7 weisen, keineswegs die von Solon allein; Ephoros
als quelle Diodors ist für jeden, der die parallelüberlieferung kennt, undenkbar.
14) Dies z. b. noch bei Plutarch an seni sit ger. r. p. 21 (mit der vita stimmend)
und Cicero Cat. 72, wo sogleich auch auf Solons elegie an Mimnermos angespielt
wird (fgm. 21), die Plutarch in der comparatio citirt. Cicero gibt die pointirtere
fassung wie Diodor, daſs Solon direct dem Peisistratos antwortet; er übersetzt das
solonische distichon am schlusse des ersten buches der Tusculanen. um so weniger
möchte ich eine bestimmte vorlage nennen: es ist die philosophische chrie, ein
wichtiger bach der überlieferung, aus der eigentlich geschichtlichen tradition zumeist
schon im dritten jahrhundert, zuweilen im zweiten abgeleitet.
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[266/0280] I. 8. Die Atthis. Eine noch stärkere verschlechterung der geschichte, aber auch noch mehr solonische verse liefern Diogenes I 49. 50. 52 12) und Diodor IX 21 13), von charakterlosen wiederholungen einzelner züge (z. b. bei Aristides 41, 765 Ddf.) zu schweigen. Überblickt man das ganze, so kann kein zweifel bleiben, daſs Ari- stoteles bereits eine ausführliche lebensvolle erzählung vor sich hatte, die von der benutzung der solonischen verse ganz frei war, aber apo- phthegmen lieferte, deren eines er mitteilt, während er das schönere τίνι πιστεύεις; τῷ γήϱᾳ 14), wegläſst. in diesem berichte folgte auf den chronologisch genau fixirten tod Solons eine zusammenfassende schilderung der regierungsart des Peisistratos, die Aristoteles nur durch den einschub der äuſsern geschichte seiner herrschaft unterbrochen hat. das apophthegma, das er mit λέγεται absondert, gehörte mit zu dem bestande; wir werden gleich sehen, daſs es mit den anderen geschichten aus Peisistratos zeit eben so steht. nur sei vorher noch etwas behandelt, das für Solon von belang ist. 12) Wer nachlist, wird finden, daſs so der ursprüngliche fortgang der vita ist. eine schlechte einlage ist die verbannung oder flucht Solons vor Peisistratos, die erst um des gefälschten briefes willen entstanden ist, angeknüpft freilich an diese alte geschichte (Solon legt die waffen vor das strategenhaus und reist ab, 50. 53. 54). und nachdem die reise einmal hierher gelegt war, fand die Kroisosnovelle sogar eine chronologische rechtfertigung und steht deshalb 50. 51: wirft man diese zusätze weg, so stehn die citate der gedichte bei einander, und es folgt 55, jetzt ganz sinnlos, Σόλων ὅϱον ἀνϑϱωπίνου βίου φησίν ἔτη ἑβδομήκοντα: das ist wieder ein gedicht, das über die zehn hebdomaden des lebens, und diese betrachtung über das maſs des menschenlebens gehört zu dem apophthegma γήϱᾳ πιστεύω. 13) So einfach liegt also das quellenverhältnis nicht, daſs Plutarch Diogenes und Diodor alle drei direct auf Hermippos zurückgiengen. diesen selbst hat nur Plutarch gehabt, Diogenes repraesentirt den strom der philosophenbiographie, wie er etwa zu Plutarchs zeit (der seine vorlage angehört, die mindestens im ersten buche nicht Apollonides von Nikaia ist) sich darstellte; Diodor hat, vielleicht nicht unmittelbar, aus demselben strome 150 jahre früher geschöpft. aber dieser strom ist derselbe, die tradition von den 7 weisen, keineswegs die von Solon allein; Ephoros als quelle Diodors ist für jeden, der die parallelüberlieferung kennt, undenkbar. 14) Dies z. b. noch bei Plutarch an seni sit ger. r. p. 21 (mit der vita stimmend) und Cicero Cat. 72, wo sogleich auch auf Solons elegie an Mimnermos angespielt wird (fgm. 21), die Plutarch in der comparatio citirt. Cicero gibt die pointirtere fassung wie Diodor, daſs Solon direct dem Peisistratos antwortet; er übersetzt das solonische distichon am schlusse des ersten buches der Tusculanen. um so weniger möchte ich eine bestimmte vorlage nennen: es ist die philosophische chrie, ein wichtiger bach der überlieferung, aus der eigentlich geschichtlichen tradition zumeist schon im dritten jahrhundert, zuweilen im zweiten abgeleitet.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/280>, abgerufen am 22.11.2024.