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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893.

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Politik Z 8.
andere verhältnisse zu berücksichtigen: den studien, deren niederschlag
die Politien sind, hat er längst ein auge zugewandt, wenn er auch selbst
von den attischen verhältnissen schwerlich schon eine volle kenntnis hat.
ausgegangen aber ist er nicht von der realität der concreten tatsachen,
sondern von Platon, der im sechsten buche der Gesetze den anfang
einer solchen ämtertafel gegeben hat, leider unvollendet, denn 772d reisst
es ab, und nirgend steht eine fortsetzung. er beginnt mit den nomo-
phulakes eigener erfindung, dann kommen die militärischen chargen
(genau die attischen, strategen hipparchen, taxiarchen phylarchen), rat
und prytanen (nach athenischem vorbilde sehr praktisch abgeändert),
astynomen und agoranomen, priester und schatzmeister, agronomen und
phrurarchen, über deren straf und amtsgewalt viel merkwürdiges bei-
gebracht wird.102) gerade die sorge für das land und seine bedürfnisse
ist von Platon nicht vergessen: man merkt, dass er auf dem väterlichen
gutshof in Iphistiadai augen und ohren aufgemacht hat. es folgt das

lichen oberbeamten dafür gegeben, bis der strategos epi ten khoran diese charge
erhielt. trotzdem ist in Attika, so viel wir sehn, das land sicher und in ordnung
geblieben. noch Herakleides der kritiker hat den unterschied zwischen ihm und
Boeotien stark empfunden.
102) Natürlich hat auch Platon sich über auswärtige verhältnisse unterrichtet;
die krupteia Spartas erwähnt er 763b, und aus Sparta hat er die erlaubnis des
obstdiebstahls, wenn er unbemerkt bleibt, und die prügelstrafen für den ertappten
845c. eindringende forschung wird aus diesen büchern noch einen unendlichen
ertrag ziehen können, an kenntnis, und was mehr wiegt, an weisheit. denn dieser
höchstbegnadete unter den sterblichen hat nicht nur die herrlichkeit gottes und die
tiefen der menschenseele zu schauen vermocht, sein helles auge und seine warme
liebe freut sich auch an den kleinen und teilt mit den kleinen leid und lust. wo
fände man bei dem tugendstolze der kynisch-stoischen prediger, die doch das volk
suchen, oder bei den advocaten der Corpus iuris so etwas, wie er seinen agronomen
vorschreibt: "an den ländlichen heiligtümern sollen sie das bergwasser sammeln,
auch durch unterirdische arbeiten (metalleiai), und bäume sollen sie pflanzen, eine
lust dem auge, und badstuben sollen sie einrichten und reisig sammeln: dann
kommen nach getaner arbeit die jungen bursche und spielen dort, und die alten
finden in einem warmen bade erquickung und kräftigung für die müden glieder, die
besser ist als die medicin des landarztes." der greis, der über die realität der zahl
grübelt, und in bitteren stunden selbst über den teufel (die böse weltseele), dem
alles irdische treiben ein spiel wird, hat doch seine jugend nicht verleugnet, da der
knabe auf den hügeln des obern Kephisostales sich tummelte und unter den platanen
an den quellen von Kephisia träumte. ein landkind ist er gewesen und geblieben.
die frische edelfeige, wie sie in den gärten Kephisias gedeiht, war des bedürfnis-
losen lieblingsspeise: Diogenes ass die gerösteten erbsen, die das hökerweib am
markte feil hielt, und den tintenfisch des lazzarone; Aristoteles war auch an der
tafel weltmann. die gehören beide in die grosse stadt.

Politik Z 8.
andere verhältnisse zu berücksichtigen: den studien, deren niederschlag
die Politien sind, hat er längst ein auge zugewandt, wenn er auch selbst
von den attischen verhältnissen schwerlich schon eine volle kenntnis hat.
ausgegangen aber ist er nicht von der realität der concreten tatsachen,
sondern von Platon, der im sechsten buche der Gesetze den anfang
einer solchen ämtertafel gegeben hat, leider unvollendet, denn 772d reiſst
es ab, und nirgend steht eine fortsetzung. er beginnt mit den νομο-
φύλακες eigener erfindung, dann kommen die militärischen chargen
(genau die attischen, strategen hipparchen, taxiarchen phylarchen), rat
und prytanen (nach athenischem vorbilde sehr praktisch abgeändert),
astynomen und agoranomen, priester und schatzmeister, agronomen und
phrurarchen, über deren straf und amtsgewalt viel merkwürdiges bei-
gebracht wird.102) gerade die sorge für das land und seine bedürfnisse
ist von Platon nicht vergessen: man merkt, daſs er auf dem väterlichen
gutshof in Iphistiadai augen und ohren aufgemacht hat. es folgt das

lichen oberbeamten dafür gegeben, bis der στϱατηγὸς ἐπὶ τὴν χώϱαν diese charge
erhielt. trotzdem ist in Attika, so viel wir sehn, das land sicher und in ordnung
geblieben. noch Herakleides der kritiker hat den unterschied zwischen ihm und
Boeotien stark empfunden.
102) Natürlich hat auch Platon sich über auswärtige verhältnisse unterrichtet;
die κϱυπτεία Spartas erwähnt er 763b, und aus Sparta hat er die erlaubnis des
obstdiebstahls, wenn er unbemerkt bleibt, und die prügelstrafen für den ertappten
845c. eindringende forschung wird aus diesen büchern noch einen unendlichen
ertrag ziehen können, an kenntnis, und was mehr wiegt, an weisheit. denn dieser
höchstbegnadete unter den sterblichen hat nicht nur die herrlichkeit gottes und die
tiefen der menschenseele zu schauen vermocht, sein helles auge und seine warme
liebe freut sich auch an den kleinen und teilt mit den kleinen leid und lust. wo
fände man bei dem tugendstolze der kynisch-stoischen prediger, die doch das volk
suchen, oder bei den advocaten der Corpus iuris so etwas, wie er seinen agronomen
vorschreibt: “an den ländlichen heiligtümern sollen sie das bergwasser sammeln,
auch durch unterirdische arbeiten (μεταλλεῖαι), und bäume sollen sie pflanzen, eine
lust dem auge, und badstuben sollen sie einrichten und reisig sammeln: dann
kommen nach getaner arbeit die jungen bursche und spielen dort, und die alten
finden in einem warmen bade erquickung und kräftigung für die müden glieder, die
besser ist als die medicin des landarztes.” der greis, der über die realität der zahl
grübelt, und in bitteren stunden selbst über den teufel (die böse weltseele), dem
alles irdische treiben ein spiel wird, hat doch seine jugend nicht verleugnet, da der
knabe auf den hügeln des obern Kephisostales sich tummelte und unter den platanen
an den quellen von Kephisia träumte. ein landkind ist er gewesen und geblieben.
die frische edelfeige, wie sie in den gärten Kephisias gedeiht, war des bedürfnis-
losen lieblingsspeise: Diogenes aſs die gerösteten erbsen, die das hökerweib am
markte feil hielt, und den tintenfisch des lazzarone; Aristoteles war auch an der
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[237/0251] Politik Z 8. andere verhältnisse zu berücksichtigen: den studien, deren niederschlag die Politien sind, hat er längst ein auge zugewandt, wenn er auch selbst von den attischen verhältnissen schwerlich schon eine volle kenntnis hat. ausgegangen aber ist er nicht von der realität der concreten tatsachen, sondern von Platon, der im sechsten buche der Gesetze den anfang einer solchen ämtertafel gegeben hat, leider unvollendet, denn 772d reiſst es ab, und nirgend steht eine fortsetzung. er beginnt mit den νομο- φύλακες eigener erfindung, dann kommen die militärischen chargen (genau die attischen, strategen hipparchen, taxiarchen phylarchen), rat und prytanen (nach athenischem vorbilde sehr praktisch abgeändert), astynomen und agoranomen, priester und schatzmeister, agronomen und phrurarchen, über deren straf und amtsgewalt viel merkwürdiges bei- gebracht wird. 102) gerade die sorge für das land und seine bedürfnisse ist von Platon nicht vergessen: man merkt, daſs er auf dem väterlichen gutshof in Iphistiadai augen und ohren aufgemacht hat. es folgt das 101) 102) Natürlich hat auch Platon sich über auswärtige verhältnisse unterrichtet; die κϱυπτεία Spartas erwähnt er 763b, und aus Sparta hat er die erlaubnis des obstdiebstahls, wenn er unbemerkt bleibt, und die prügelstrafen für den ertappten 845c. eindringende forschung wird aus diesen büchern noch einen unendlichen ertrag ziehen können, an kenntnis, und was mehr wiegt, an weisheit. denn dieser höchstbegnadete unter den sterblichen hat nicht nur die herrlichkeit gottes und die tiefen der menschenseele zu schauen vermocht, sein helles auge und seine warme liebe freut sich auch an den kleinen und teilt mit den kleinen leid und lust. wo fände man bei dem tugendstolze der kynisch-stoischen prediger, die doch das volk suchen, oder bei den advocaten der Corpus iuris so etwas, wie er seinen agronomen vorschreibt: “an den ländlichen heiligtümern sollen sie das bergwasser sammeln, auch durch unterirdische arbeiten (μεταλλεῖαι), und bäume sollen sie pflanzen, eine lust dem auge, und badstuben sollen sie einrichten und reisig sammeln: dann kommen nach getaner arbeit die jungen bursche und spielen dort, und die alten finden in einem warmen bade erquickung und kräftigung für die müden glieder, die besser ist als die medicin des landarztes.” der greis, der über die realität der zahl grübelt, und in bitteren stunden selbst über den teufel (die böse weltseele), dem alles irdische treiben ein spiel wird, hat doch seine jugend nicht verleugnet, da der knabe auf den hügeln des obern Kephisostales sich tummelte und unter den platanen an den quellen von Kephisia träumte. ein landkind ist er gewesen und geblieben. die frische edelfeige, wie sie in den gärten Kephisias gedeiht, war des bedürfnis- losen lieblingsspeise: Diogenes aſs die gerösteten erbsen, die das hökerweib am markte feil hielt, und den tintenfisch des lazzarone; Aristoteles war auch an der tafel weltmann. die gehören beide in die groſse stadt. 101) lichen oberbeamten dafür gegeben, bis der στϱατηγὸς ἐπὶ τὴν χώϱαν diese charge erhielt. trotzdem ist in Attika, so viel wir sehn, das land sicher und in ordnung geblieben. noch Herakleides der kritiker hat den unterschied zwischen ihm und Boeotien stark empfunden.

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Zitationshilfe: Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Aristoteles und Athen. Bd. 1. Berlin, 1893, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilamowitz_aristoteles01_1893/251>, abgerufen am 22.11.2024.